Zentralbank:Die Zinswende kommt

US-Bonds
(Foto: Bloomberg)

Nach einer Rede von US-Notenbankchefin Janet Yellen mehren sich Anzeichen, dass auch die EZB ab 2018 die Phase des Nullzinses beendet.

Von S. Boehringer

Notenbanker neigen dazu, unklare Aussagen zutreffen. Politiker, Volkswirte und Börsianer interpretieren das und handeln nach ihrer Wahrnehmung - was sich dann an den Kapitalmärkten zeigt, lange bevor die Notenbanker auf ihre vagen Andeutungen Fakten folgen lassen. Neuerdings zeigen die für die Zinsen maßgeblichen Anleihemärkte eindeutig: Die Zinswende kommt, auch in Europa. Die dafür ausschlaggebende Rendite der wichtigsten europäischen Staatsanleihe, das sind die zehnjährigen Staatspapiere Deutschlands, hat sich binnen vierzehn Tagen mehr als verdoppelt - auf zuletzt knapp 0,6 Prozent. Das ist nicht viel, im Vergleich zum wichtigsten Anleihemarkt, dem in den USA, nur ein Bruchteil - die zehnjährigen US-Bonds rentieren bei 2,4 Prozent. Aber es ist deutlich mehr als Null und signalisiert damit nicht mehr und nicht weniger als das absehbare Ende des billigen Geldes in Europa. "Wir rechnen fest mit dem Ende der expansiven Geldpolitik in Europa 2018 und dem Beginn steigender Leitzinsen 2019", erklärt Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege beim weltgrößten Anlagemanager Blackrock und einer der treffsichersten Zins- und Konjunkturprognostiker vergangener Jahre. Er fügt hinzu: ,,In den USA sehen wir gerade eine der unnormalsten Normalisierungen, die wir je erlebt haben."

Nein, Herrmann ist nicht unter die Zentralbanker gegangen, er möchte nicht in Rätseln sprechen, aber er stellt sinngemäß klar: Leitzinshöhen von vier Prozent und mehr, wie sie die Anleger bei früheren Zinszyklen erlebt haben, wird es in diesem Zyklus nicht geben. Der Gipfel der Leitzinsen dürfte bei zwei bis 2,5 Prozent liegen. Das bestätigen auch andere Zinsexperten im Gespräch. Es ist das, was Marktprofis Konsenserwartung nennen - und es ist eine Erwartung, die US-Notenbankchefin Janet Yellen in ihrer Rede am Mittwoch vor dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses bestätigt hat. Sie erwarte, dass die inzwischen robuste amerikanische Konjunktur nur behutsame Zinsanhebungen vertrage, da die Wirtschaft mit moderater Geschwindigkeit wachsen werde.

Börsianer interpretierten diese Worte so, dass in den USA 2017 und 2018 insgesamt nur noch drei Leitzinserhöhungen anstehen - statt mindestens vier, wie bislang angenommen. Das bedeutet: Das bisherige Niveau von 1,25 Prozent steigt je nach Höhe der Einzelschritte auf zwei bis maximal 2,5 Prozent. Und weil in Europa praktisch alle Zentralbanken auf die Schritte der US-Fed achten und sich daran wegen der Verwobenheit der Märkte auch orientieren (müssen), heißt das, dass diese obere Zinsmarke auch für die Europäer maßgeblich ist. Wann und wie schnell sie dahinkommen, hängt im Wesentlichen von der Inflation ab; denn diese soll gemäß dem Auftrag der EZB bei maximal zwei Prozent liegen. Fällt sie höher aus, müssen die Währungshüter des Euro die Zinsen erhöhen, ist sie zu niedrig, wie lange Zeit nach der Finanzkrise, gilt es, den Leitzins zu senken. Der liegt in Europa schon länger bei null Prozent, der Depositensatz für Geschäftsbanken bei der Zentralbank ist mit minus 0,4 Prozent sogar seit Längerem negativ. "Die Frage ist jetzt nicht mehr, ob, sondern wann die EZB damit beginnt, die Leitzinsen zu erhöhen", sagt Daniel Hartmann, langjähriger Notenbank- und Zinsexperte beim Anleihemanager Bantleon. Denn: "Weder die Konjunktur in den USA noch in Europa brauchen länger die geldpolitische Unterstützung durch die Notenbanken." Hartmann wie auch Herrmann rechnen im ersten Schritt, dass die EZB 2018 die Geldspitzen von derzeit 60 Milliarden Euro monatlich weiter zurückfährt. Das Wall Street Journal will aus EZB-Kreisen erfahren haben, dass dies bereits bei der EZB-Sitzung am 7. September verkündet wird. Und danach, sind sich die Experten einig, werde die erste Leitzinsanhebung in Europa passieren, Ende 2018 frühestens.

Was heißt das für die Anleger in Europa? "Die Renditen werden weiter steigen, die Anleihenkurse sinken", erklärt Hartmann. Häuslebauer sollten sich noch 2017 ihre niedrigen Zinsen sichern. Laut Juli-Umfrage des Kreditvermittlers Interhyp erwarten 88 Prozent der befragten Banken, dass die Bauzinsen binnen sechs bis zwölf Monaten steigen. Derzeit vergeben Banken im Schnitt Baufinanzierungen zu 1,8 Prozent, so die Bundesbank, 2016 waren es 1,6 Prozent.

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