Zeitungsübernahme:Der Poker um den Berliner Zeitungsmarkt

Verleger Heinz Bauer möchte in der Hauptstadt nun eine Tageszeitung - und ist überzeugt, mit dem Tagesspiegel Gewinne machen zu können.

Hans-Jürgen Jacobs und Klaus Ott

Wenn es in den vergangenen Jahren im Mediengeschäft etwas zu kaufen gab, meldete sich gern Heinz Bauer aus Hamburg. Egal, ob Wochenpost, Gong oder die Fernsehsender Pro Sieben und Sat1 - der Zeitschriftenverleger zeigte sich stets bereit, aus einem beständig angeschwollenen Privatvermögen viel zu investieren.

Später freilich blieb von den schönen Plänen regelmäßig so wenig übrig wie von den Textilien der Frauen, die sich auf den Titelseiten von Praline und Wochenend zeigen.

Diesmal wurde Bauer bei Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) vorstellig; eine Kopie ging an die zuständige Oberregierungsrätin Milena Weidenfelder: Auf zwei Seiten kündete Verlags-Geschäftsführer Manfred Braun per Telefax vom plötzlichen Wunsch, den Tagesspiegel in Berlin zu kaufen.

Die Kauflust überfiel die Bauer-Leute ausgerechnet am 9. Mai, einem Freitag, und damit nur einen vollen Werktag entfernt vom 13. Mai: An diesem Tag wollte Clement offiziell verkünden, ob er eine Ministererlaubnis für die vom Bundeskartellamt untersagte Presse-Ehe zwischen Tagesspiegel und Berliner Zeitung gewährt. Eine solche Sonderregelung hatte der Stuttgarter Verleger Stefan von Holtzbrinck beantragt.

An jenem Freitag kursierten längst Gerüchte, Clement werde nicht sofort entscheiden, sondern weitere Wochen prüfen lassen, ob es nicht doch einen Käufer für den Tagesspiegel geben könne und somit der von Holtzbrinck behauptete wirtschaftliche Zwang zur Fusion wegfalle.

Hier setzt Bauers Brief an - und bringt neue Dramatik in die unendliche Geschichte vom Machtkampf im Berliner Zeitungsmarkt. Sogar allerlei skurrile Investoren haben sich inzwischen in dieser Sache gemeldet, die nun die Kölner Investmentbank Sal. Oppenheim betreut.

"Wir haben uns jetzt, nach sorgfältiger Prüfung, dazu entschlossen, Holtzbrinck ein Kaufangebot für den Verlag Der Tagesspiegel zu machen. Dieser Entscheidung liegt die Überzeugung zugrunde, den Tagesspiegel in Zukunft profitabel führen zu können", schreibt Bauers Top-Manager Braun dem Minister.

Er teilt ihm dann noch mit, das Kaufinteresse ja bereits auch dem Holtzbrinck-Geschäftsführer Michael Grabner "übermittelt" zu haben und beantragte, "den Heinrich Bauer Verlag zu dem laufenden Ministererlaubnisverfahren beizuladen".

Der hier so forsch auftretende Konzern ist bereits mit der Magdeburger Volksstimme im Tageszeitungsgeschäft vertreten und hatte sich vergeblich um den Kauf der Berliner Zeitung beworben. Nach der Wende hatten die Hanseaten zunächst die Potsdamer Neusten Nachrichten (PNN) betreut, die damals durch hohe Verluste auffielen. Heute gehören die PNN zum Tagesspiegel.

Der aktuelle Vorstoß des Zeitschriftenkönigs aus Hamburg löst bei einigen Beteiligten wilde Spekulationen aus. Wird hier die Basis für mögliche Verfahrensfehler gelegt, damit eine Ministererlaubnis anfechtbar wäre? Oder geht es Bauer darum, ein Informations-Memorandum mit vertraulichen Verlagszahlen unbehelligt studieren zu können?

Tatsächlich hat das Berliner Politikum etliche pittoreske Personen gelockt, die sich per E-Mail, Fax oder Zeitungsinterview als mögliche Käufer gerieren. Sogar ein Privatfinanzier aus dem Pyrenäen-Steuersparmodell Andorra hat sich gemeldet.

Die Holtzbrinck-Leute wissen spätestens seit dem 9. April, worauf es jetzt ankommt. Damals weilten sie zum dritten Gespräch im Berliner Ministerium.

Ein interner Vermerk vom 14. April hält fest, von Seiten der Ministeriums-Vertreter sei darauf hingewiesen worden, dass Holtzbrinck bisher wenig für seine Behauptung dargetan habe, ohne die Fusion mit der Berliner Zeitung müsse der Tagesspiegel eingestellt werden: "In diesem Zusammenhang wurden die hohen Anforderungen erwähnt, die das Bundeskartellamt und die EU-Kommission an den Beweis einer Sanierungsfusion stellten und dargelegt, dass der Minister bei einer auf Sanierungsargumente gestützten Ministererlaubnis nicht wesentlich hinter diesem Standard zurück bleiben könne."

Es sei dabei vor allem festzustellen, dass Holtzbrinck niemals den Versuch eines Verkaufs des Tagesspiegels gemacht habe; es gebe "keine belastbaren Anhaltspunkte" für die These, aufgrund der betriebswirtschaftlichen Lage sei überhaupt kein Käufer für das Blatt zu finden.

Das alles klingt danach, als seien Clements Beamte wenig überzeugt vom Loblied der Pressekonzentration, dass die Holtzbrinck-Emissäre rund um Manager Grabner, einem gewieften Österreicher, zuvor im Treffen vom 26. März angestimmt hatten. Damals lobten die Stuttgarter die positiven Effekte von "konzentrierten Medienkonzernen mit mehreren Zeitungen unter einem Dach" am Beispiel der Firma Mediaprint in Österreich, die vom Essener WAZ-Konzern dirigiert wird.

Solche Konstrukte machten das wirtschaftliche Überleben eines zweiten Titels vielfach überhaupt erst möglich; das beweise auch die Zeitungssituation in Stuttgart und Köln.

Ausweislich des ministeriellen Vermerks vom 27.März warnte Grabners Riege vor einer "großen Kaufzeitung mit vielen Regionalausgaben", die flächendeckend durch Preisunterbietung im Anzeigengeschäft die finanzielle Basis der regionalen Tageszeitungen zerstöre und diese später dann übernähme. Nicht nur für Experten unschwer zu erkennen: Hier geht es um die Bild-Zeitung aus dem Hause Axel Springer, das auch den Berliner Werbemarkt dominiert.

Am 8. Mai, einen Tag vor Bauers Offerte, schrieb das Bundeswirtschaftsministerium an Holtzbrinck, der Minister sei noch nicht davon überzeugt, dass es keine eigenständige Lösung für den Tagesspiegel gebe: "Hierzu müssten ernsthafte Verkaufsbemühungen unter Einschaltung eines geeigneten und vertrauenswürdigen Dritten geführt werden", zum Beispiel einer Investmentbank.

Holtzbrinck selber habe die Bank Sal. Oppenhein vorgeschlagen, da dieses Institut keine Geschäftsbeziehung mit einem der beteiligten Verlage unterhalte, außerdem viele Medienexperten beschäftige und bereits Privatisierungsprojekte für die Bundesregierung durchgeführt habe.

Der Erwerber solle garantieren, dass der Tagesspiegel dauerhaft eigenständig bleibe - und nicht mit einer überregionalen Zeitung verschmelze oder eingestellt werde. "Eine entsprechende durch Bankgarantie abgesicherte Vertragsstrafe wäre hier ein taugliches Mittel zur Absicherung", heißt es in dem internen Vermerk.

"Wir nehmen das Verfahren sehr ernst", sagt Tagesspiegel-Verlagschef Joachim Meinhold über das Procedere. Rivale Springer jedoch befürchtet das Gegenteil, nämlich Tricksereien. So merkte Anwalt Eckhard Bremer jetzt im Vorstandsauftrag bei Clement an, durch die Wahl von Oppenheim dürften "nicht Lösungen vorprogrammiert werden, die - im schlimmsten Fall - auf die Umgehung der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts hinauslaufen könnten".

Und dann richtete Springer die "dringende Bitte", das Mandat doch einer anderen Bank zu übertragen, da Bankier Alfred Freiherr Oppenheim im Aufsichtsrat des Kölner Verlages DuMont Schauberg sitze, der sich ein Investment in Berlin vorstellen könne.

Die Forderung nach einer Bestandsgarantie für den Tagesspiegel schließlich sei "nicht vertretbar", weil das jeden Erwerber abschrecke, "der in kaufmännischen Kategorien denkt". Aber: Geht es in Berlin wirklich nur um das Kaufmännische?

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