Zahl der Metzgereien geht zurück:Ende des Gemetzels

Der deutsche Metzger stirbt aus, in ganz Deutschland gibt es nur noch 15.000 Geschäfte. Zu groß ist die Konkurrenz durch die Supermärkte, zu klein die Zahl der Auszubildenden, die Lust auf den blutigen Job haben. Damit geht nicht nur ein Beruf, sondern eine Institution im bundesdeutschen Kulturgut verloren.

Tim Loh und Angelika Slavik

Fleischer ist vielleicht die am weitesten verbreitete Bezeichnung für diesen Beruf, da wissen quer durch die Bundesrepublik wohl die meisten, wer gemeint ist. Der Duden kennt freilich noch eine ganze Reihe anderer Begriffe: Metzger, zum Beispiel. Oder auch Metzler, so sagt man im Rheinland. Auch Knochenhauer wird angeboten, eine alte norddeutsche Variante, oder österreichisch: Fleischhauer.

Schaufenster einer Metzgerei, 1948

Schaufenster einer Metzgerei 1948: Im Schaufenster eines Metzgers liegen Würste und Fleischwaren aus, die die Kunden nach der Währungsreform mit der neuen Währung bezahlen können.

(Foto: SV BILDERDIENST)

Ziemlich viele Namen. Für ziemlich wenige Menschen.

Denn der Metzger, seit jeher eine Institution im bundesdeutschen Kulturgut, der Lieferant für den großen Sonntagsbraten und das schnelle Schinkenbrötchen zwischendurch, dieser Metzger ist offenbar vom Aussterben bedroht.

Allein in den vergangenen zehn Jahren schrumpfte die Zahl der Fleischerfachgeschäfte um 14 Prozent, berichtet der Deutsche Fleischerverband. 15.500 solcher Geschäfte gibt es noch in Deutschland, und die Chancen, dass sich diese Entwicklung noch umkehren wird, stehen nicht besonders gut.

Denn da ist zum einen die Konkurrenz: Viele Supermärkte weiten ihr Angebot stetig aus, immer mehr bieten der urbanen Klientel auch zertifiziertes Bio-Fleisch an - damit kann bei weitem nicht jeder Metzger dienen. Das wirkt sich auf die Ertragslage der Fleischer aus: Die Mehrheit der deutschen Metzgerbetriebe erwirtschafte höchstens 350.000 Euro im Jahr, heißt es beim Fleischerverband. Reich wird man damit nicht.

Das sei aber nicht der Hauptgrund für die Misere: Denn auch Fleischer mit gut laufenden Betrieben hätten Probleme, Nachfolger zu finden. Es gibt kaum Nachwuchs, immer mehr Lehrstellen bleiben unbesetzt. Bundesweit gab im Juli dieses Jahres 1829 freie Ausbildungsplätze für Fleischer-Lehrlinge - das sind 17 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Es ist nicht besonders weit her mit der Fleischeslust der Jugend.

Schwieriges Image

Beim Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb) erklärt man sich das zum einen mit den "ungünstigen Arbeits- beziehungsweise Ausbildungszeiten", ähnlich wie bei Bäckern oder in der Gastronomie. Durch die sinkende Zahl der Schulabgänger gebe es außerdem eine ohnehin immer kleinere Zahl potenzieller Lehrlinge. Vor allem aber habe der Beruf ein schwieriges Image, heißt es beim Bibb: "Man hat mit Blut zu tun und mit dem Töten und Verarbeiten von Tieren - das schreckt eben einige ab."

Beim Fleischerverband will man das so freilich nicht stehen lassen, man bemüht sich um ein besseres Bild in der Öffentlichkeit: "Es ist ein anspruchsvoller Beruf, wir brauchen gute Leute", sagt ein Sprecher. Die Angelegenheit sei längst nicht mehr so blutig wie früher: "Für viele Tätigkeiten, die man früher von Hand machen musste, gibt es heute Maschinen".

Die Entwicklung ist nicht nur ein Problem für die Branche. Das Sterben der Fleischerbetriebe habe auch gravierende Auswirkungen auf das die Gesellschaft vor allem in den ländlichen Gebieten. Dort, wo es längst keinen Bäcker mehr gibt, wo der Fleischer der wichtigste Nahversorger ist - und oft der einzige.

Was passiert, wenn so einer keinen findet, der seinen Laden übernehmen will? "Die Leute müssen dann immer weiter wegfahren, um Lebensmittel einzukaufen", sagt der Verbandssprecher. Das sei auch eine Schwächung für das soziale Leben in so einem Ort. Und ein Schritt in die Anonymität: Kein schneller Schwatz an der Theke mit dem Nachbarn, keine Extra-Scheibe Wurst für den Nachwuchs.

War's das also, mit dem Metzger? Ein paar Jahre noch, dann wird Deutschland geschlossen nur noch im Supermarkt kaufen, bei den großen Ketten? Beim Fleischerverband versucht man sich in Zweckoptimismus. Es ist eben immer auch die Frage, mit welchen Gegnern man sich messen will. "Wir haben", sagt der Sprecher "immer noch zehnmal mehr Fleischerfachgeschäfte in Deutschland als Filialen von McDonald's." Und das ist doch immerhin auch was.

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