Wunschdenken der Kritiker:Urteile bringen HypoVereinsbank nicht in Not

Es besteht kein Anlass zu Jubelmeldungen, wie sie geschädigte Anleger im Internet verbreiteten.

Thomas Öchsner

(SZ vom 11.04.2002) — Als am Dienstagnachmittag die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu Haustür-Immobilienkrediten bekannt wurde, hatte dies erstaunliche Folgen: Panisch gewordene Börsianer ließen den Aktienkurs der von dem Urteil betroffenen HypoVereinsbank (HVB) um fast drei Prozent absacken. Ein Frankfurter Händler verkündete: "Jetzt sind alle Geschäfte kündbar".

Und ein Analyst behauptete, es gehe für das Münchner Geldinstitut jetzt um ein Geschäftsvolumen von 9,5 Milliarden Euro. Auf den ersten Blick konnte man meinen, jetzt tue sich bei der fusionsgeplagten Bank ein neues gigantisches Milliardenloch auf. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus.

Weder besteht Anlass zu den Jubelmeldungen, die geschädigte Anleger im Internet verbreiteten. Noch ist die Haltung der Bank besonders glaubwürdig, die stets betont gelassen versichert, dass ihr ein paar Richter-Rügen überhaupt nichts anhaben könnten.

Höhe des Schadens unklar

Sicher ist: Das Münchner Kreditinstitut sitzt wegen der Finanzierung von so genannten Schrott-Immobilien derzeit ziemlich im Schlamassel. Das liegt am merkwürdigen Geschäftsgebaren der früheren und inzwischen mit der Vereinsbank fusionierten Hypo-Bank. Anfang der 90-er Jahre finanzierte das Geldinstitut in großem Stil den Kauf von Eigentumswohnungen als Kapitalanlage.

Die Käufer, meist Klein- und Mittelverdiener, die sich von der Hoffnung auf eine große Steuerersparnis blenden ließen, mussten hinterher aber feststellen, dass der Preis der Immobilie weit über dem realen Wert lag und die versprochenen Mieteinnahmen ausblieben.

Die Hypo-Bank arbeitete dabei - stärker als andere Geldinstitute - mit provisionshungrigen Vermittlern zusammen. Und um diese Fälle und ihre mögliche Rückabwicklung auf Kosten der Bank geht es derzeit vor zahlreichen deutschen Gerichten.

Wie hoch der Schaden für die HVB ausfallen könnte, hängt zunächst einmal von der Zahl der Fälle ab: Die Bank selbst spricht von 108.000 Verträgen mit einem nicht selbst akquirierten Finanzierungsvolumen von 13,6 Milliarden Euro.

Davon sollen aber nur ein Viertel auf so genannte Strukturvertriebe zurückgehen, die sich auf Haustürgeschäfte spezialisiert haben. Die Anwälte der Immobilienkäufer bestreiten dies: Nach ihren Erfahrungen sind 80 bis 90 Prozent der Schrott-Immobilien von "Strukkis" verhökert worden.

Zwei Angriffspunkte

Juristisch haben die Käufer derzeit vor allem zwei Angriffspunkte: Nach dem BGH-Urteil können die Kläger versuchen, ein Haustürgeschäft nachzuweisen und dann den Kreditvertrag zu widerrufen. Oder sie müssen glaubhaft darlegen, dass die damalige Hypo-Bank ihre Aufklärungspflichten verletzt hat.

Der zweite Weg gilt als besonders hürdenreich: Die Kläger müssen dann zum Beispiel belegen, dass das Geldinstitut seine Rolle als Kreditgeber überschritten und mit den Vermittlern eng zusammengearbeitet hat oder von dem wahren geringen Wert der Immobilie wusste. Bislang endete solche Verfahren vor dem BGH mit Niederlagen, weil die Beweise die Richter nicht überzeugten.

Sicherlich kann sich dies in Zukunft ändern. Geschädigte sollten sich aber keine allzu zu großen Hoffnungen machen. In den letzten Jahren sind zwar immer mehr Dokumente und Zeugen aufgetaucht, die auf eine enge Zusammenarbeit der ehemaligen Hypo-Bank mit unseriösen Vermittlern hindeuten. Dies Beweise lassen sich jedoch nicht einfach mit einem Musterurteil auf alle Kläger übertragen. Die Verletzung der Aufklärungspflicht ist in jedem Fall einzeln zu belegen.

Selbst wenn immer mehr Geschädigte mit ihren Klagen Recht bekommen sollten, dürfte der Schaden für die HVB begrenzt bleiben. Erfahrungen zeigen, dass allerhöchstens zehn Prozent der Geschädigten vor Gericht ziehen. Alle anderen sind für die Bank keine Bedrohung.

Außerdem fehlen bislang Grundsatz-Urteile über die Frage, was ein Rückabwicklung von Verträgen bedeutet. Entscheidend dürfte dabei sein, ob die Geldinstitute die Wohnungen, die heute meist nur noch ein Viertel des Kaufpreises wert sind, zurücknehmen müssen, ohne die restliche Darlehenssumme einfordern zu können.

Falls die HypoVereinsbank auf Grund der Finanzierung von Schrott-Immobilien Rückstellungen bilden muss, dürften diese eher im Millionen- als im Milliardenbereich liegen. Alles andere ist Wunschdenken von geprellten Immobilienkäufern und einigen geschäftstüchtigen Anwälten. Der Imageschaden für die HypoVereinsbank ist dagegen beträchtlich.

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