Betreibergesellschaft aufgelöst:Wüstenstrom-Projekt Desertec zerfällt

To match feature ENERGY-MAGHREB/SOLAR

Mit riesigen Solarstrom-Anlagen in Afrika und dem Nahen Osten wollte die Desertec-Initiative die Region und auch Europa mit Energie versorgen. Daraus wird nun nichts.

(Foto: Reuters)
  • Die 17 Gesellschafter der Wüstenstrom-Initiative Desertec haben enschieden, die Desertec-Planungsgesellschaft in bisheriger Form aufzulösen. Damit muss die Zentrale in München Ende 2014 schließen.
  • Übrig bleibt nur ein wesentlich kleineres Beratungsunternehmen, das das bisher erworbene Know-how erhalten soll. Nur drei der Gesellschafter wollen hier weitermachen.
  • Das Aus ist eine herbe Schlappe für die Gründer des vor fünf Jahren ins Leben gerufenen Projekts.

Von Markus Balser, Rom

Die vor fünf Jahren mit großen Hoffnungen gestartete Desertec-Industrieinitiative (Dii) wird in eine deutlich kleinere Beratungsfirma umgewandelt. Das haben die 17 Gesellschafter, darunter der Rückversicherer MunichRe, die Deutsche Bank und der Energiekonzern RWE, am späten Montagabend in Rom auf einer Gesellschafterversammlung beschlossen.

Dii-Zentrale in München muss schließen

Seit Monaten konnten sich die beteiligten Firmen der Energie-, Finanz- und Technologiebranche nicht über ein Zukunftskonzept für den Zusammenschluss von insgesamt 35 Firmen und ihren Etat von rund zwei Millionen Euro einigen. Auch beim entscheidenden Treffen in Italiens Hauptstadt waren zu wenige Gesellschafter bereit, aus der auf fünf Jahre befristeten Organisation eine Dauereinrichtung in bisheriger Größenordnung zu machen. Damit muss die Dii-Zentrale mit Sitz im Münchner Stadtteil Schwabing Ende 2014 schließen.

Nur für eine Handvoll Mitarbeiter greift ein Plan B: Ein Teil der Planungsgesellschaft soll als Beratungsunternehmen überleben und Länder der arabischen Region künftig beim Aufbau grüner Energien beraten. Nur die Unternehmen RWE, die saudische Energiefirma Acwa Power und die chinesische Firma State Grid wollen die Firma fortführen. Die Hoffnung: So würde wenigstens das aufgebaute Know-how zu den besten Standorten für Wind- und Solarkraftwerke und den technischen wie politischen Voraussetzungen für die Realisierung der Vision erhalten.

Herbe Schlappe für die Gründer

Gemessen an den gewaltigen Hoffnungen zu Beginn des Projekts 2009, ist das Aus der Gesellschaft in ihrer heutigen Form eine herbe Schlappe für die Gründer, die sich auch den Kampf gegen den Klimawandel und für die wirtschaftliche Entwicklung Nordafrikas und des Nahen Ostens zum Ziel gesetzt hatten.

Die Initiative galt als eines der ehrgeizigsten Erneuerbare-Energien-Projekte überhaupt. Bis 2050 sahen Machbarkeitsstudien den möglichen Bau Hunderter Öko-Kraftwerke in Nordafrika und dem Nahen Osten vor, die zusammen den Strombedarf der Region zu großen Teilen decken könnten - und dazu noch rund 15 Prozent des europäischen Verbrauchs. Im Raum standen Investitionen von bis zu 400 Milliarden Euro. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte das Projekt, der Siemens-Chef sah die Mission in einer Reihe mit der Mondlandung.

Die Dii schaffte es zwar, in Ländern wie Marokko, Tunesien, Algerien und Ägypten das Interesse an grünem Strom zu wecken. Ihre Bilanz gilt dennoch als durchwachsen. Aus dem erhofften eigenen Pilotprojekt in den Wüsten Nordafrikas wurde nichts. Auch das zu Beginn erklärte Ziel, Strom nach Europa zu exportieren, hat sich nie erfüllt. Zum einen verfügt Europa wegen des rasanten Booms bei Wind- und Solaranlagen heute über zu viel und nicht zu wenig Strom. Zum anderen haben der Arabische Frühling, Umstürze, Terror und Bürgerkriege in der Region Investoren verunsichert. Die Dii konzentrierte sich zuletzt darauf, Anlagen für den schnell wachsenden Strombedarf in Afrika zu fördern. Wegen des erwarteten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums in einigen Ländern wird der Energiebedarf in den kommenden Jahren in den südlichen Mittelmeerländern stark steigen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: