Wohnungsvermittlung:Zwei gegen Airbnb

Wohnungsvermittlung: Sich Zuhause fühlen - so lautet das Versprechen der Ferienwohnungsvermittler.

Sich Zuhause fühlen - so lautet das Versprechen der Ferienwohnungsvermittler.

(Foto: Westend61/mauritius images)

Die Portale 9flats und Wimdu haben mit Verboten und dem großen US-Konkurrenten zu kämpfen. Nun fusionieren sie zur Nummer zwei weltweit. Das könnte ihre letzte Chance sein.

Von Benedikt Müller

Es war einmal ein romantischer Gedanke. Wer für ein paar Tage verreist, vermietet seine Wohnung über Internet-Plattformen an andere Touristen und bessert sich so die Reisekasse auf. Vielleicht bucht er für seinen Urlaub selbst eine Wohnung, die eigentlich jemand anderem gehört. Für viele junge Menschen ist das die neue, bezahlbare Art des Reisens.

Längst ist aus der Idee des bezahlten "Couchsurfing" ein umkämpfter Millionenmarkt erwachsen. Ganze Wohnungen werden immer wieder tageweise an Touristen vermietet; Hotels klagen über die neue Konkurrenz. Großer Gewinner ist die Firma Airbnb aus San Francisco, die von Investoren inzwischen mit 30 Milliarden Dollar bewertet wird - mehr als jeder Hotelkonzern. Als weltweite Plattform für Privatunterkünfte hat Airbnb sämtliche Konkurrenten abgehängt, allen voran die beiden deutschen Start-ups 9flats und Wimdu.

Nun wollen die beiden Mitbewerber gemeinsame Sache machen: 9flats übernimmt die Berliner Firma Wimdu, wie die Geschäftsführer im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ankündigen. Gemeinsam wollen die beiden Firmen die größte europäische Plattform für private Unterkünfte bilden. "Mit Wimdu zusammen bilden wir das zweitgrößte Vermittlungsportal für Ferienwohnungen weltweit", sagt 9flats-Chef Roman Bach, der das fusionierte Unternehmen leiten wird. Über den Kaufpreis schweigen die Beteiligten.

Wimdu-Chef Arne Kahlke bestätigt die Fusion. "In Allianz werden wir noch stärker Gastgeber und Kunden von uns überzeugen können und sind die größte europäische Antwort auf Airbnb." In dem intensiven Wettbewerb sei es "enorm wichtig", Synergien zu nutzen, sagt Kahlke, der in der fusionierten Firma bleiben wird.

Mit 9flats und Wimdu schließen sich zwei Unternehmen zusammen, deren Geschichten sich ähneln und die vor ähnlichen Problemen stehen. Beide Plattformen sind (wie Airbnb) im Jahr 2011 auf den deutschen Markt getreten. Hinter Wimdu standen der Berliner Start-up-Konzern Rocket Internet sowie der schwedische Investor Kinnevik. Sie ziehen sich nun aus dem Geschäft zurück. Größter Geldgeber von 9flats ist Eventures, eine Tochter des Hamburger Handelskonzerns Otto Group.

Plötzlich ist dem Unternehmen ein Fünftel des Angebots in Berlin weggebrochen

In vielen Großstädten stehen die Plattformen in der Kritik, weil dort Wohnungen immer wieder touristisch angeboten werden, die eigentlich langfristig an Einheimische vermietet werden könnten. Viele Städte, allen voran Berlin, haben die sogenannte Zweckentfremdung von Wohnraum verboten. Daraufhin ist etwa der Plattform Wimdu ein Fünftel des Angebots in Berlin weggebrochen. Zuletzt gab Wimdu bekannt, man befinde sich in einem Umbau; viele Mitarbeiter mussten die Firma verlassen. Nach eigenen Angaben arbeitet Wimdu inzwischen aber profitabel.

Auch der jetzige Käufer 9flats hat auf die strenge Regulierung reagiert. Die Plattform hat ihr Berliner Büro geschlossen und den Firmensitz im Frühjahr nach Singapur verlegt, aus Angst vor Bußgeldern in Millionenhöhe. Geschäftsführer Bach kritisiert das komplizierte Zweckentfremdungsverbot in Berlin. "Dort weiß zurzeit niemand, was erlaubt und was verboten ist." In vielen anderen Städten gebe es dagegen klar verständliche Regeln, sagt Bach, etwa in Hamburg oder Amsterdam.

Die fusionierte Firma wird ihren Sitz in Singapur behalten, will sich aber auf das Geschäft in europäischen Städten konzentrieren. "Zunächst werden beide Marken nebeneinander existieren", kündigt Bach an. In Ländern wie Polen, in denen 9flats verbreiteter sei, werde die Marke Wimdu nach und nach verschwinden. In anderen Märkten wie Frankreich, wo Wimdu bekannter sei, werde die Marke 9flats aufgegeben. In Deutschland ist noch unklar, welche Marke weiterleben wird. "Vorerst werden alle Mitarbeiter von Wimdu und 9flats weiterarbeiten", sagt Bach, "es wird allerdings Synergien zu heben geben."

Der Forscher Stefan Brauckmann, der sich wissenschaftlich mit dem Markt für Ferienwohnungen beschäftigt, deutet die Fusion zweier Plattformen als Zeichen, wie stark die Marktmacht von Airbnb inzwischen ist. "Kleinere Plattformen schließen sich zusammen, um neben dem Marktführer bestehen zu können", sagt der Chef des Moses-Mendelssohn-Instituts. "Das Geschäft der Plattformen ist stark vom Marketing abhängig." Da sei es sinnvoll, gemeinsam zu werben, statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. "Der Trend geht zurzeit dahin, dass ein großes Mainstream-Portal durch weltweite Werbekampagnen wächst", sagt Brauckmann, "und andere Plattformen nur nachziehen können, wenn sie eine gewisse Nische besetzen."

9flats will im Wettbewerb mit Airbnb auf eine "eher erwachsene, eher professionelle Zielgruppe" setzen, sagt Bach. Familien und Geschäftsreisende will 9flats unter anderem damit ansprechen, dass auf der Plattform eher ganze Apartments angeboten werden denn einzelne Schlafplätze - und dass man möglichst viele Unterkünfte unmittelbar online buchen kann, nicht zunächst auf eine Bestätigung des Anbieters warten muss.

Insgesamt sind bei 9flats und Wimdu knapp 500 000 Immobilien weltweit gelistet, wobei die Vermieter unterschiedlich aktiv sind: Manche bieten ihre Wohnung nur sehr selten an, andere vermieten mehrere Apartments gleichzeitig. In das neue Bündnis bringt Wimdu weltweit mehr Objekte ein als 9flats. Laut Bach überschneiden sich die inserierten Immobilien nur um etwa fünf Prozent.

Airbnb und seine Konkurrenten verdienen ihr Geld, indem sie jedes Mal eine Provision erheben, wenn ein Reisender über ihre Plattform ein Zimmer oder eine Wohnung bucht. Im Gegensatz zu Airbnb will 9flats weiter keine unmittelbaren Gebühren von den Gästen verlangen; Provision zahlt nur, wer sein Apartment anbietet. Der Vermieter kann sie freilich an die Gäste weitergeben.

Die Summe der vermittelten Mieteinnahmen soll nach der Fusion mit Wimdu auf mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr steigen. Allerdings ist es schwierig, Buchungssysteme umzustellen und zusammenzuführen. Auf Bewertungsplattformen beschweren sich einige Vermieter zurzeit, sie warteten seit Wochen darauf, dass 9flats das Geld der Gäste an sie auszahle. Insgesamt steht 9flats bei einigen Anbietern mit einem fünfstelligen Betrag in der Kreide. Geschäftsführer Bach weist aber zurück, dass dafür finanzielle Probleme der Grund seien. "Es gab einige Dispute, die wir kommunikativ schlecht gemanagt haben", sagt Bach. 9flats sei aber nach wie vor zahlungsfähig, die Plattform zahle täglich Geld an Anbieter aus. "Wir werden die Probleme kurzfristig lösen."

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