Wohnungsmarkt:Hohe Mieten bringen viele an den Rand der Armut

Wohnhäuser

Wohnhaus in der Großstadt: Als Daumenregel unter Experten gilt, dass der Anteil der Mietkosten höchstens 30 Prozent des Einkommens betragen sollte.

(Foto: dpa)
  • Bei Millionen Haushalten ist die Belastungsgrenze durch die hohen Mieten schon überschritten.
  • Das verstärkt die Ungleichheit in Deutschland.

Von Thomas Öchsner, Berlin

In Deutschlands Großstädten rutschen viele Menschen durch hohe Mieten in die Armut oder haben nur noch extrem wenig Geld zum Leben. Dort müssen bereits gut eine Million Haushalte mit 1,6 Millionen Bewohnern mehr als die Hälfte des Einkommens für die Kaltmiete ausgeben. Etwa 1,3 Millionen Haushalte können nach Abzug der Mietzahlung nur noch über ein Resteinkommen verfügen, das unterhalb der Hartz-IV-Leistungen liegt. Das ist das Ergebnis einer Studie an der Berliner Humboldt-Universität, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung gefördert hat.

Tatsächlich dürfte die Zahl der Haushalte mit so einer starken Mietbelastung noch höher sein, da sich die ausgewerteten Daten lediglich auf die 77 Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern beziehen. Die Daten für kleinere Kommunen haben die Wissenschaftler um den Berliner Stadtsoziologen Henrik Lebuhn nicht ausgewertet. Grundlage ist der Mikrozensus, also die größte Bevölkerungsumfrage in Deutschland, von 2014. Inzwischen sind die Mieten in vielen deutschen Großstädten weiter deutlich gestiegen.

Menschen mit geringem Einkommen bleibt besonders wenig übrig

Bei der Frage, wie hoch der Anteil der Miete am Einkommen sein darf, orientieren sich Immobilienexperten wie Sozialwissenschaftler an der 30-Prozent-Marke. Liegt die Belastungsquote über 30 Prozent, gilt dies besonders für Menschen mit geringem Einkommen als problematisch, weil dann für Essen, Kleidung, Freizeit oder Urlaub nicht mehr viel übrig bleibt. Auch Vermieter "verlangen in der Regel Einkommensnachweise, die zeigen, dass die Miete nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmacht", heißt es in der Studie. Sonst könnte sich der Mieter die Wohnung womöglich nicht auf Dauer leisten.

Um so bemerkenswerter sind die Ergebnisse der Untersuchung: Demnach müssen vier von zehn Haushalten in deutschen Großstädten mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Das entspricht etwa 5,6 Millionen Haushalten mit 8,6 Millionen Großstadteinwohnern. Darunter leiden vor allem Geringverdiener: Sie leben nicht nur oft in schlechter ausgestatteten Wohnungen, und ihnen steht pro Kopf meist weniger Wohnfläche zur Verfügung.

Der Anteil ihres Einkommens, den sie für die Miete aufwenden müssen, ist auch in der Regel höher als bei wohlhabenderen Haushalten. Der Studie zufolge liegt dies vor allem am großen Mangel an bezahlbaren, kleinen Wohnungen vor allem in wachsenden Großstädten. "Während fast die Hälfte aller Haushalte aus Alleinlebenden besteht, macht die kleinste Wohnungsgröße, mit Flächen von weniger als 45 Quadratmeter, lediglich 14 Prozent des Wohnungsbestandes aus", stellen die Forscher fest.

Einpersonen-Haushalte müssten deshalb auf größere Wohnungen zurückgreifen und hätten damit eine oft höhere Mietbelastung als größere Haushalte. So überweisen Haushalte mit Einkünften von mehr als 140 Prozent des Einkommensmittels davon gut 17 Prozent für ihre Kaltmiete. Bei Haushalten, die an der Armutsgrenze leben, beträgt dieser Anteil fast 40 Prozent. "Einkommensungleichheiten werden so in den Wohnverhältnissen nicht nur reproduziert, sondern sogar noch verstärkt", merken die Wissenschaftler dazu kritisch an.

Hohe Mietbelastungen sind aber nicht auf bestimmte teure Städte und wohlhabende Regionen wie München oder Düsseldorf beschränkt. Unter den zehn Städten mit dem höchsten Anteil finden sich auch wirtschaftlich schwache Standorte wie Bremerhaven, weil dort viele Menschen eher wenig verdienen.

Die Berliner Forscher kommen zu dem Schluss: Über Jahrzehnte in Deutschland gepflegte sozialpolitische Ansätze, bei Wohnen "Einkommensunterschiede zu mildern und einen Beitrag zur sozialen Kohäsion zu leisten, haben sich weitgehend aufgelöst". Die Wohnbedingungen seien nicht nur "ein Spiegel bestehender Ungleichheit, sondern tragen auch selbst durch die hohe Mietkostenbelastung zu einer wachsenden Ungleichheit bei".

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