Wohnungskauf:Chinesen tauschen Ehe gegen Wohnung

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Viele chinesische Ehepaare wollen sich eine zweite Wohnung als Investition anschaffen, aber dürfen es nicht. (Foto: dpa)
  • Weil sich Ehepaare in China eine Zweitwohnung nur unter erschwerten Bedingungen kaufen können, lassen sich viele von ihnen einfach scheiden.
  • In Shenzhen beispielsweise steigen die Scheidungsraten neuerdings noch rasanter als die Wohnungspreise - und die Standesämter kapitulieren.

Von Kai Strittmatter

So war das früher: Wenn sich Chinesen trafen, egal wo und wann, dann redeten sie über Essen. Und so ist das heute: Sie reden über Wohnungspreise. Über die Apartments, die sie sich gekauft haben, sich kaufen werden, oder die, die sie sich niemals werden leisten können.

Seit Jahren gehen die Immobilienpreise in Chinas großen Städten durch die Decke. Aber jetzt, so schreibt das Wirtschaftsmagazin Caixin, ist der Markt mehr als nur heiß, "er steht in Flammen". Flammen, die in vielen Fällen gleich den Eheschwur verzehren: Tausende Paare lassen sich in China scheiden, nicht weil sie sich trennen möchten, sondern um Zweitwohnungen zu kaufen. Meist als Investition.

Eine chinesische Scheidung kostet weniger als der Kaffee danach

Spätestens seit einer Gesetzesänderung 2003 geht das mit der Scheidung kaum irgendwo auf der Welt so simpel wie in China: Eine Scheidung dauert vielerorts gerade mal eine halbe Stunde und kostet weniger als der Kaffee danach. Sich scheiden zu lassen, um die Regeln für den Wohnungskauf auszutricksen - in Peking war das vor ein paar Jahren schon ein Trend.

Jetzt sind die Städte Shenzhen und Shanghai dran, Städte, in denen die schon zuvor exorbitanten Wohnungspreise im vergangenen Jahr um sage und schreibe 27 Prozent (Shanghai) und 41 Prozent (Shenzhen) gestiegen sind. In Shanghai machte unlängst eine 30-Quadratmeter-Bude aus dem Jahr 1998 im wegen seiner guten Schulen begehrten Viertel Jing'an Schlagzeilen, als sie für fast 800 000 Euro verkauft wurde. Dafür arbeitet ein Shanghaier mit dem durchschnittlichen Jahreseinkommen von umgerechnet etwas mehr als 7000 Euro knapp 110 Jahre.

Das alles schreit nach Blase. Manche Städte versuchen gegenzusteuern. Zum Beispiel mit Regeln, die Ehepaaren den Kauf einer zweiten Wohnung stark verteuern: Sie müssen dann etwa statt nur 30 Prozent des Kaufpreises 70 Prozent Anzahlung leisten. Scheiden lohnt sich also.

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Standesämter kapitulieren bereits

Und so schnellte in Shenzhen die Zahl der Scheidungen noch rasanter in die Höhe als die Wohnungspreise: 46 Prozent mehr Paare als im Vorjahr ließen sich dort im letzten Jahr scheiden - gleichzeitig wurde im selben Zeitraum fast jede zweite neue Wohnung an Geschiedene verkauft. Shanghai erlebte Ende August seinen Run auf die Standesämter, als Gerüchte die Runde machten, wonach die Stadt von September an den Kauf von Zweitwohnungen erschweren wolle. Ein Standesamt im Viertel Xuhui kapitulierte unter dem Ansturm, im Viertel Jing'an reichten Caixin zufolge allein am 30. August 108 Paare die Scheidung ein - mehr als zehn Mal so viele wie an einem normalen Tag. Gleichzeitig verdoppelte sich an den Tagen die Zahl der Wohnungsverkäufe. Und dabei hatte die Stadt am Tag zuvor eindringlich versichert, dass an den Gerüchten nichts dran sei.

Groß scheint das Vertrauen in die Beteuerungen der Behörden nicht zu sein. Zu undurchsichtig ist dem Bürger der Markt. Zu alltäglich die Erfahrung, dass plötzliche Interventionen der Regierung ihn über Nacht auf den Kopf stellen können. Shanghais Behörden versuchen nun auf ihre Art, Ruhe in die Stadt zu bringen: Am Wochenende verkündeten sie die Festnahme von sieben Immobilienmaklern, die angeblich die Urheber des "falschen Gerüchts" waren.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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