Wohnungsbau:Die Mitte fehlt

Wohnungsbau: Es wird viel gebaut, aber noch zu wenig. Dieses Wohnhaus in Potsdam-Babelsberg immerhin ist fertig geworden.

Es wird viel gebaut, aber noch zu wenig. Dieses Wohnhaus in Potsdam-Babelsberg immerhin ist fertig geworden.

(Foto: Anja Steinmann/Deutsche Wohnen)

In Deutschland entstehen zwar viele Neubauten, für die meisten Menschen sind sie aber zu teuer. Nun gibt es Streit darüber, wie günstige Wohnungen am besten gefördert werden.

Von Cerstin Gammelin und Benedikt Müller, Berlin

Es ist eine Spurensuche, die da am Donnerstag in Berlin stattfindet. Mieterschützer, Minister, Bauwirtschaft, alle sind sie gekommen, um über den Wohnungsbau in Deutschland zu beraten. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) zählt auf, wie viel sie unternehme, damit das Wohnen bezahlbar bleibt: Der Bundeszuschuss zum sozialen Wohnungsbau soll im kommenden Jahr noch einmal von einer Milliarde auf 1,5 Milliarden Euro steigen. Bauland hat der Bund bereitgestellt, das Wohngeld erhöht, alle an einen Tisch geholt. "So viel hat eine Bundesregierung schon lange nicht mehr für den Wohnungsbau getan", sagt Hendricks.

Und dennoch herrscht Frust. Die Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen in den Städten werden länger. "Und immer mehr Menschen befürchten, aus ihren Vierteln verdrängt zu werden", sagt Hendricks. Da muss sich was ändern, sind sich beim Wohnungsbautag alle einig. Und zwar schnell.

Der Staat steht vor einer großen Herausforderung: In den kommenden Monaten treten viele anerkannte Flüchtlinge auf den Wohnungsmarkt, der in den Ballungsgebieten sowieso angespannt ist. Seit Jahren zieht es junge Leute in die Städte, dort sind die Hochschulen und Jobs; zugleich bleiben mehr Familien und Senioren in der Stadt, statt auf das Land zu ziehen. Regierung und Wirtschaft sind sich einig, dass jährlich 350 000 bis 400 000 Wohnungen gebaut werden müssten, um den Zuzug zu bewältigen. Doch im vergangenen Jahr wurden nur etwa 270 000 Wohnungen fertig. Die Folge: Die Mieten in den Ballungsgebieten steigen. Viel schneller als die allgemeinen Verbraucherpreise.

Hinzu kommt: Trotz historisch niedriger Zinsen baut ein Großteil des Marktes am Bedarf vorbei. Zwar wurden im ersten Quartal so viele neue Wohnungen genehmigt wie seit zwölf Jahren nicht mehr; die Baubranche meldet den höchsten Umsatz seit 15 Jahren. Besonders stark sind allerdings die Genehmigungen von Ein- und Zweifamilienhäusern auf dem Land gestiegen. In den Städten kommen dagegen auf dem freien Markt fast nur die Entwickler teurer Eigentumswohnungen zum Zuge. "Während vor allem günstige Wohnungen benötigt werden, wird vor allem im mittleren bis hohen Preissegment gebaut", sagt der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier.

Knappes Bauland und strenge Energieauflagen verteuern die Neubauten.

Bereits im Februar hatte das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, den das Finanzministerium vorgelegt hatte, um den Bau bezahlbarer Mietwohnungen zu fördern. Eine Herzensangelegenheit war es Minister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht, angesichts der milliardenschweren Flüchtlingsausgaben auch noch den Bau zu fördern. Doch die Chefs von CDU, CSU und SPD wollten es so. Seither aber hängt das Gesetz im Bundestag fest. Kürzlich wurde es gar für tot erklärt, nun sucht Bauministerin Hendricks den Kompromiss.

Schäubles Gesetzesvorschlag sieht vor, dass Investoren durch eine "Sonderabschreibung für Mietwohngebäude" über drei Jahre 29 Prozent der Herstellungskosten zusätzlich zur üblichen Abschreibung von zwei Prozent pro Jahr bei der Steuer geltend machen können. Die Steuervorteile kosten mindestens 2,1 Milliarden Euro.

Wenn Investoren kein Bauland bekommen, kann auch der beste Steuer-Anreiz nicht wirken

Union und SPD streiten über die förderfähigen Bausummen, die förderfähigen Baumaßnahmen sowie Auflagen für die Mieten. Die SPD hat zuerst auf einer Mietpreisobergrenze beharrt, weil sie glaubte, nur damit sei gesichert, dass Steuergelder nicht für teure Wohnungen verschwendet werden. Am Donnerstag fordert Hendricks nun ihre eigene Fraktion auf, darauf zu verzichten. Im Gegenzug soll die Union akzeptieren, dass die Fördergrenze von 3000 Euro Baukosten pro Quadratmeter ebenso verringert wird wie der Betrag von bis zu 2000 Euro, den Investoren pro Quadratmeter bei der Sonderabschreibung geltend machen könnten. Bislang fürchtet die Union, dass derart strenge Vorgaben Investoren abschrecken werden, überhaupt neue Wohnungen zu bauen.

Das Bündnis aus Mieterbund, Bau- und Wohnungsbranche stellt weitere Forderungen: Kein Steuer-Anreiz könne wirken, wenn Investoren kein Bauland bekommen. Deshalb sollten die Städte mehr Land ausweisen und nicht nach dem höchsten Preis, sondern nach dem besten Konzept vergeben. Auch beim sozialen Wohnungsbau reiche mehr Geld vom Bund alleine nicht. Die Länder müssten die Zuschüsse zweckgebunden einsetzen, fordert Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft: "Wenn die Politik ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, dann bleiben die Schwächsten in unserer Gesellschaft auf der Strecke."

In diesen Tagen wird deutlich, wie sehr der Staat die Kontrolle über den Wohnungsmarkt aus der Hand gegeben hat. Arbeitgeber wie Bahn oder Post haben sich davon verabschiedet, günstige Wohnungen für ihre Beschäftigten zu bauen; auch die Länder haben kräftig privatisiert. Der Chef des Deutschen Mieterbunds Lukas Siebenkotten schimpft auf das Mantra, der Staat müsse einfach nur warten, bis der Markt von selbst genügend Wohnraum für alle schafft: "Diese Frage hat der Markt in den vergangenen Jahren nicht geregelt."

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