Wöhrl:Die Kinder wollen an die Macht

Die Zeit drängt bei dem insolventen Textilhändler: Die Bestellungen für die Herbst/Winter-Kollektionen müssen jetzt raus. Aber dazu braucht das Unternehmen erst mal einen Investor.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Es ist nicht so, dass er es nicht versucht hätte. Eigentlich wollte Hans Rudolf Wöhrl, 69, nicht bei der insolventen Modefirma Wöhrl einsteigen, die seine Eltern gegründet haben und die heute der Familie seines Bruders Gerhard gehört. Dann aber siegten in ihm der Familiengeist und die alte Verbundenheit. Er trommelte also zwei Partner zusammen, gemeinsam machten sie 15 Millionen Euro locker und boten den Wöhrl-Gläubigern 25 Prozent Beteiligung am Unternehmen an. Mehr sei nicht drin gewesen, sagt Hans Rudolf Wöhrl, sonst hätte er seine anderen Beteiligungen gefährdet. Doch aus dem Deal wurde nichts. "Ich dachte mir, dass man dieses Angebot sehr positiv auffassen und annehmen würde", sagt Hans Rudolf Wöhrl. Stattdessen aber habe es der Gläubigerausschuss "sofort abgeschmettert".

Hans Rudolf Wöhrl, der nicht nur mit Investments in Fluglinien (zeitweise Deutsche BA und LTU) erfolgreiche Unternehmer, ist also raus im Kampf um die Textilkette. Andere aus der Unternehmerfamilie sind jedoch noch im Rennen: Sieben Vertreter der jungen Generation haben ein Übernahmeangebot abgegeben. Gemeinsam wollen die Kinder von Hans Rudolf und Gerhard Wöhrl mit einem noch unbekannten Modehersteller den Textilfilialisten weiterführen, den ihr Großvater Rudolf 1933 in Nürnberg gegründet hat. Das Unternehmen mit seinen knapp 2000 Beschäftigten und 34 Filialen vorwiegend im süddeutschen Raum war in den vergangenen Jahren zunehmend in Schieflage geraten. Anfang September 2016 beantragte die Firma Wöhrl Gläubigerschutz, der drei Monate später in ein Insolvenzverfahren in Eigenregie mündete. Nun entscheidet sich das Schicksal des Unternehmens mit dem Glücksknopf als Markenzeichen. Bis Ende Januar muss eine Lösung her. Denn die Bestellungen für die Herbst-/Winterkollektion 2017/2018 müssen eigentlich raus - aber es ist nicht genügend Geld da, um die Ware zu bezahlen.

Man verhandle mit mehreren Interessenten und gehe davon aus, die Firma noch im ersten Quartal 2017 "in neue Hände zu legen", lässt Andreas Mach, Vorstandsvorsitzender bei Wöhrl, ausrichten. Er hatte den Posten auf dem Höhepunkt der Krise vorigen Herbst von Olivier Wöhrl, 36, übernommen. Der Sohn von Hans Rudolfs Bruder Gerhard hatte das Modeunternehmen ab 2012 geführt, konnte dessen Absturz jedoch nicht verhindern. Er blieb zunächst als Strategievorstand im Management, doch der Vertrag lief zum Jahresende aus. Auch sein Vater Gerhard hat sich während der Feiertage aus der Firma verabschiedet.

Olivier aber will zurück. Als Teil der Bietergemeinschaft der Enkel arbeitet er an seinem Comeback zumindest als Gesellschafter. Zu ihr gehört auch Christian Greiner, Hans Rudolf Wöhrls Sohn, der das Münchener Modehaus Ludwig Beck und die Wormland-Filialkette betreibt. Neben dieser Bietergemeinschaft möchten auch drei externe Investoren einsteigen. Dem Vernehmen nach ist darunter die Modehauskette Röther aus Schwäbisch Hall, die gemeinsam mit dem Bielefelder Textildienstleister Katag AG Interesse zeigt. Wer auch immer Wöhrl aber am Ende übernehmen wird - die Wiederbelebung dürfte schwierig, teuer und langwierig werden.

Die von ihm und seinen Partnern angebotenen 15 Millionen Euro wären nur das absolute Minimum für den Erhalt der Firma gewesen, sagt Hans Rudolf Wöhrl. Dann sind da aber noch die Ansprüche der Gläubiger, angeblich 45 Millionen Euro. Anleihegläubiger warten auf 30 Millionen Euro. Und auch der Neustart dürfte viel frisches Geld kosten. Hans Rudolf Wöhrl sagt, als er im Zuge des Bieterverfahrens die aktuellen Zahlen gelesen und daraus den Kapitalbedarf für die nächste Zeit abgeleitet habe, sei er "offen gestanden doch unangenehm überrascht" gewesen. Kritisch sieht er aufgrund seiner eigenen Erfahrungen mit dem 15-Millionen-Angebot die Rolle der Gläubiger in dem Verfahren. "Irgendwie habe ich den Eindruck, dass man gar nicht an einem Erhalt interessiert ist, sondern sich von einer Zerschlagung mehr verspricht." Vor allem die Banken und die Bundesagentur für Arbeit (BA) wollten Bares und hätten deswegen auch sein Angebot einer Beteiligung an der Firma abgelehnt, sagt Wöhrl.

Unklar ist die Ausrichtung: Die Jungen wollen natürlich im Internet Handel treiben

Am Unternehmenssitz in Nürnberg wartet man gespannt ab. Fraglich ist, was mit der Firmenzentrale im Süden der Halbmillionenstadt passiert. Sie gilt als zu groß bemessen. Insgesamt wurden seit Sommer 140 Stellen gestrichen und die Schließung von vier Filialen angekündigt. Angeblich sieht das Konzept der Wöhrl-Enkel keine weiteren Grausamkeiten vor.

Sollten sie zum Zug kommen, werden sie nicht zwangsläufig auf sich alleingestellt arbeiten müssen. Hans Rudolf Wöhrl hat seinen Kindern bereits zugesagt, ihnen bei Bedarf "mit einem günstigen, ungesicherten Darlehen" zu helfen, falls sie zum Zuge kommen. Uneins sind sich Jung und Alt über die künftige Ausrichtung. Während die Jungen Wöhrl auf Trendartikel, Eigenmarken und den massiven Einsatz sozialer Medien ausrichten wollen, rät Hans Rudolf Wöhrl im SZ-Gespräch zur Rückbesinnung auf die alten Stärken, die das Unternehmen einst groß gemacht haben: "Gute Qualität, starke, echte Marken, die tatsächlich einen Mehrwert bieten, große Auswahl, kompetenten Service und faire, ehrliche Preise statt der heute üblichen Rabattschlachten, bei denen der Kunde jeden Überblick verliert." Und das stationär oder im Onlinegeschäft, denn "wer auf beiden Schienen fährt, wird zweimal nur Halbprofi sein".

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