Wirtschaftswissen:Vom Gemüse zur Aktie

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Wenn man Kindern aufmerksam zuhört, tauchen Geldthemen automatisch auf - das ist ein guter Ansatzpunkt für Gespräche.

Von Nikolaus Piper, München

Wer jungen Menschen etwas über Wirtschaft erzählen will, muss ihnen erst einmal zuhören. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Kinder fragen selten: "Bitte, was ist das Bruttoinlandsprodukt?" Oder: "Was ist ein Genussschein?" Stattdessen gibt es Dialoge zwischen Vater und Sohn wie diesen, ziemlich authentischen: "Papa, warum kommt der türkische Gemüsehändler den ganzen Weg aus der Türkei nach Deutschland, nur um Gemüse zu verkaufen?" - "Das ist ganz einfach, lieber Sohn: Die Türkei ist ein armes Land, in dem man nur wenig verdient. Der Mann wollte ein besseres Leben für sich und seine Familie. Deshalb sind sie nach Deutschland gekommen." - "Aber Papa, die Julia fährt mit ihren Eltern doch immer in die Türkei, weil dort alles so billig ist. Wenig verdienen und wenig zahlen, das bleibt doch unterm Strich gleich."

Es ist klar, dass der Weg von hier zu so sperrigen Phänomenen wie Kaufkraftparitäten, Terms of Trade, Faktorproduktivität und Ähnlichem führt. Es ist aber auch klar, dass, wer sich auf die Debatte einlässt, gewonnen hat: Er hat etwas Zentrales über Wirtschaft vermittelt. Sind die Kinder älter und versuchen nicht aus lauter Streben nach Coolness zynisch zu sein, dann fragen sie nach Werten. Sie empören sich und wollen die Ungerechtigkeit aus der Welt verbannen. Genau hier sollte das Gespräch über Wirtschaft beginnen, hieraus ergibt sich alles weitere. Adam Smith, der Vater der Nationalökonomie, war eigentlich Moralphilosoph. Erstaunlich viele Ökonomen antworten auch heute auf die Frage, warum sie denn Volkswirtschaft studiert haben: "Weil ich die Welt verbessern wollte."

Weltverbesserung, das Thema scheint immer wieder durch, auch wenn es darum geht, wie die Börse funktioniert, wie man am besten seine Ersparnisse anlegt oder wie man ein Unternehmen gründet. Ökonomen gehen, ganz im Sinne von Adam Smith davon aus, dass der, der den eigenen Nutzen verfolgt, ungewollt auch dem Gemeinwohl dient. Aber um diese Voraussetzung kann und muss man heftig streiten. Die Erfahrung lehrt, dass die meisten jungen Leute sie heute für Quatsch halten. Auf jeden Fall lernt man bei dem Streit sehr viel über Wirtschaft.

Zwei wunderbare Themen für den Unterricht mit Kindern sind Knappheit und Opportunitätskosten, also um die Tatsache, dass ich mit jeder Entscheidung etwas zu tun, auch entscheiden muss, dass ich etwas anderes nicht tue. Die Tätigkeit eines Wirtschaftsberaters besteht, wenn er seinen Job ernst nimmt, zu großen Teilen darin, Politiker auf die Opportunitätskosten ihres Tuns hinzuweisen. Entsprechend sollte ein Wirtschaftslehrer seinen Ehrgeiz darin setzen, die Schüler mit dem Problem der Opportunitätskosten vertraut zu machen: Das Geld und die Zeit, die ich für A verwende, steht mir für B nicht mehr zur Verfügung.

Also: Keine Angst vor den großen Fragen der Wirtschaft. Der Rest kommt fast von selbst.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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