Wirtschaftspolitik:Oettinger verteidigt deutsche Exportpolitik

Auf die scharfen Töne aus Paris reagiert EU-Kommissar Oettinger gelassen - und weist die Kritk an der deutschen Exportstärke zurück.

In der EU brodelt es gewaltig und der Ärger der Mitgliedsstaaten projiziert sich auf den europäischen Export-Primus Deutschland. Denn auch wenn China die Bundesrepublik im weltweiten Vergleich inzwischen überholt hat - europaweit ist Deutschland noch immer spitze.

Zwar hat die Wirtschaftskrise das Exportvolumen deutlich nach unten gedrückt, dennoch wurden im Jahr 2009 aus Deutschland Waren im Wert von 803,2 Milliarden Euro ausgeführt. Zum Vergleich: Die Importe beliefen sich im selben Zeitraum auf 667,1 Milliarden Euro. Zehn Prozent der deutschen Ausfuhren gingen nach Frankreich - den Gesamtwert der Exporte beziffert das Statistische Bundesamt auf knapp 82 Milliarden Euro.

Nun setzt sich der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik an die Spitze der Kritiker. In einem Interview mit der Financial Times (FT) erhebt die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde gegen Deutschland schwere Vorwürfe - wegen der hohen Exportquote.

Gefahr für Wettbewerbsfähigkeit

Die Bundesrepublik müsse dringend die heimische Nachfrage stärken, fordert die Ministerin. Der große Handelsüberschuss Deutschlands gefährde die Wettbewerbsfähigkeit anderer Staaten der Eurozone.

Mit ihrem Ärger stehen die Franzosen nicht alleine da. Lagardes Position wird von den wirtschaftlich schwachen EU-Staaten unterstützt, die auf Einschränkungen der deutschen Wettbewerbsvorteile drängen.

Deutschland werde "von einigen Akteuren vorgeworfen, mit seinem exportorientierten Wirtschaftsmodell sein Wirtschaftswachstum auf Kosten anderer" Eurostaaten zu erreichen, heißt es der Bild-Zeitung zufolge in einem "Frühwarnbericht" der Ständigen deutschen Vertretung bei der EU für den Bundestag. Offenbar drängen die Länder sogar darauf, dass Deutschland seine Wirtschaftsreformen zurückdreht, um den anderen Nationen bessere Exportchancen zu ermöglichen.

Die Staaten werfen der Bundesrepublik vor, mit niedrigen Löhnen den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu beeinflussen. "Können diejenigen mit Handelsüberschüssen nicht ein klein wenig was tun?", fragt auch Lagarde. Immerhin habe Deutschland in den vergangenen zehn Jahren seine Hausaufgaben unglaublich gut erledigt, "die Wettbewerbsfähigkeit erhöht, einen sehr hohen Druck auf seine Arbeitskosten ausgeübt".

Exporteure ärgern sich

Frankreichs Finanzministerin ergänzt: "Wenn man sich die Lohnstückkosten anschaut, dann waren die Deutschen in dieser Hinsicht ungeheuer gut. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das ein nachhaltiges Modell ist - langfristig und für die gesamte Gruppe. Wir brauchen offensichtlich eine bessere Angleichung."

Energiekommissar Günther Oettinger hat diese Kritk an der deutschen Exportstärke zurückgewiesen. Zur Debatte, ob Deutschlands Exportvormacht der EU schade, sagte er der Süddeutschen Zeitung: "Diese These ist falsch. Europa steht im harten Wettbewerb mit Japan, den USA und anderen großen Volkswirtschaften. Wir sind darauf angewiesen, dass Produkte auch wettbewerbsfähig sind. Das führt bei Industrienationen wie beispielsweise Deutschland zu Außenhandelsüberschüssen. In Europa benötigen wir mehr Reformen, wie sie in Deutschland gemacht worden sind. Diese Reformen zurückzunehmen, hieße in die falsche Richtung zu gehen."

Die resolute Französin Lagarde erntet mit ihrem Vorstoß auch Kopfschütteln bei den deutschen Exporteuren. "Wir sind deshalb erfolgreich, weil wir uns dem internationalen Wettbewerb gestellt und unsere Hausaufgaben gemacht haben", sagte der Sprecher des Außenhandelsverbandes BGA, Andre Schwarz. "Wir können nicht das Tempo herausnehmen, damit andere Länder noch mehr Zeit bekommen, ihre Hausaufgaben nicht zu erledigen."

Und auch das Argument, Deutschlands Export-Erfolge basierten auf niedrigen Löhnen, weist Schwarz zurück. "Unser Erfolgsrezept ist nicht der Preis", sagte der Sprecher. "Unsere wichtigsten Verkaufargumente sind Qualität und Innovation." Allein über den Preis könne die deutsche Industrie mit Niedriglohnländern wie China nicht konkurrieren.

Gemeinsame Strategie

Auch den Vorwurf, anderen Euro-Ländern zu schaden, lässt der BGA nicht gelten. "Man nimmt nicht automatisch dem Nachbarn etwas weg, wenn man Erfolg hat", sagte Schwarz. "Unsere Hauptkonkurrenten sitzen nicht mehr in der EU, sondern in den USA und Japan sowie in aufstrebenden Schwellenländern wie China und Indien." Die EU profitiere sehr wohl vom Erfolg ihrer größten Volkswirtschaft. Deutschland sei schließlich der größte Beitragszahler der Europäischen Union.

Etwas diplomatischer drückt sich die Bundesregierung aus. Notwendig sei eine gemeinsame Wachstumsstrategie und eine Harmonisierung der Wettbewerbsfähigkeit, sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans. So sollten andere Länder ähnlich wettbewerbsfähig werden wie Deutschland. Die Exportwirtschaft könne nicht angehalten werden, mehr unattraktive Güter herzustellen, meinte Steegmans.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle reagierte mit Gegenvorwürfen. "Dass Länder, die in der Vergangenheit über ihre Verhältnisse gelebt und ihre Wettbewerbsfähigkeit vernachlässigt haben, jetzt mit dem Finger auf andere zeigen, ist zwar menschlich und politisch verständlich, aber trotzdem unfair", sagte Brüderle der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er sehe in der Kritik von EU-Partnern den Versuch, sich politisch zu entlasten. "Die notwendigen strukturellen Reformen zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit sind ja durchaus schmerzlich, wie das griechische Beispiel zeigt", sagte der FDP-Politiker. "An ihnen führt aber kein Weg vorbei, und eine konsequente Umsetzung bringt auch Erfolg."

"Solidarische Strategie"

Ihr Anliegen direkt adressiert hat die französische Wirtschaftsministerin ohnehin nicht. In ihrem Interview räumt Lagarde ein, dass das Thema in ihren bisherigen Gesprächen mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kaum angesprochen worden sei. "Ich rede mit Wolfgang fast täglich zurzeit. Auf die Frage des Ungleichgewichts kommen wir aber nicht so ohne weiteres zu sprechen." Dem fügt sie hinzu: "Egal wie groß ein Mitspieler ist: man kann nicht von ihm erwarten, dass er die ganze Gruppe mitzieht. Da braucht es schon das Gefühl für ein gemeinsames Schicksal, das wir mit unseren Partnern haben."

Ähnlich sieht das der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). "Wir brauchen eine solidarische Strategie, damit die südeuropäischen Exporte einen größeren Absatzmarkt finden", sagte DGB-Chefvolkswirt Dierk Hirschel. Hierzu bedürfe es auch einer entsprechenden Lohnentwicklung im Zentrum Europas.

Die Schuldenkrise Griechenlands hat große wirtschaftliche Unterschiede in der Währungsgemeinschaft offengelegt. Staaten wie Griechenland hinken in ihrer Wettbewerbsfähigkeit hinterher und leiten nun unter großem Druck Reformen am Arbeitsmarkt oder der Sozialsysteme ein. Deutschland ist im Vergleich zu den anderen Eurostaaten relativ gut durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen. Die Bundesrepublik gehört zu den Staaten mit dem weltweit größten Handelsüberschuss; das heißt, die deutsche Wirtschaft exportiert deutlich mehr Waren als sie importiert.

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