Wirtschaftsnobelpreis 2004:Regeln gegen den Irrtum

Finn Kydland und Edward Prescott erhalten Wirtschafts-Nobelpreis für Arbeiten zum Regierungshandeln und zu Konjunkturzyklen.

Von Michael Bauchmüller

Zwei Aufsätze zu zwei völlig unterschiedlichen Themen, zweimal eine Erkenntnis, die der Ökonomie neue Impulse gab - der norwegische Wirtschaftswissenschaftler Finn Kydland, 60, und sein amerikanischer Kollege Edward Prescott, 63, verdanken ihnen den diesjährigen Nobelpreis für Ökonomie.

Wirtschaftsnobelpreis 2004: Finn Kydland (links) und Edward Prescott.

Finn Kydland (links) und Edward Prescott.

(Foto: Beide Fotos: Reuters)

1977 hatten sich die beiden mit der Frage beschäftigt, warum die Politik Probleme oft noch verschärft - auch wenn sie von richtigen Erkenntnissen geleitet ist. Sie schenkten der Ökonomie das "Problem der zeitlichen Inkonsistenz".

Fünf Jahre später gingen sie der Frage nach, warum gängige ökonomische Modelle es nicht schafften, die turbulenten siebziger Jahre mit Ölpreis-Schock, Rezession und wachsender Arbeitslosigkeit einzufangen.

Mal bergauf, mal bergab

In einem Aufsatz von 1982 begründeten sie ein Modell, das erstmals plötzliche Verteuerungen, aber auch Fortschritt und wachsende Produktivität einfing - und so besser erklären konnte, warum es mit der Wirtschaft mal bergauf, mal bergab geht.

"Ihre Arbeit hat nicht nur die Wirtschaftsforschung verändert", heißt es bei der Stockholmer Akademie, "sie hat auch die Wirtschaftspolitik weitreichend beeinflusst."

Wissenschaftler haben später einmal versucht, das Problem der zeitlichen Inkonsistenz mit dem politischen Handeln vor und nach einem katastrophalen Hochwasser zu vergleichen.

Vor dem Hochwasser wissen Politiker schon, welche Schäden Fluten anrichten können. Sie verbieten es daher, Häuser in Hochwasserregionen zu errichten. Aber viele Bürger ignorieren das Verbot und bauen in Flussnähe.

Öffentlicher Druck

Nach dem Hochwasser zeigt das Fernsehen Bilder von Hochwasseropfern, die auf Hausdächern der Hilfe harren. Die Regierung beugt sich dem öffentlichen Druck und zahlt den Bausündern von einst Entschädigungen.

Die Folge: Die Politik verspielt jene Glaubwürdigkeit, die sie auch in Zukunft bräuchte, um Regeln durchzusetzen.

In den Siebzigern beobachteten Kydland und Prescott dieses Phänomen in der Geldpolitik. Obwohl sich viele Regierungen dazu bekannt hatten, die Inflationsraten niedrig zu halten, legte die Teuerung nach einiger Zeit gefährlich zu.

Regeln gegen den Irrtum

Wieder lag die Ursache in der zeitlichen Inkonsistenz, dem Unterschied zwischen dem Wollen und dem Tun. Denn nach der Ankündigung einer inflationsfeindlichen Geldpolitik stellten sich Unternehmen und Verbraucher auf stabile Preise ein.

Die Löhne stiegen kaum, das Leben verteuerte sich unmerklich: Die niedrige Inflationsrate stellte sich schon alleine aus der Erwartung derselben ein.

Umschwenken

In dieser Lage schwenkten viele Regierungen damals um. Eine wieder expansivere Geldpolitik sollte helfen, die Arbeitslosigkeit zu senken.

Kydland und Prescott wiesen nach, dass in der Folge die schlechteste aller Alternativen eintrat: hohe Arbeitslosigkeit und hohe Inflation. Nur feste, schwer veränderliche Regeln, so befanden sie, könne die Politik von solchen Kurswechseln abhalten - und letztlich davon, ihre Glaubwürdigkeit leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Eine Einsicht, die bis heute fortwirkt: Nicht ohne Grund setzte sich die Europäische Zentralbank das feste Ziel, einzig die Inflation unter Kontrolle zu halten, nicht mehr und nicht weniger.

Mehr als nur Nachfrage

Ebenfalls aus den siebziger Jahren stammte die Anregung für den zweiten wichtigen Aufsatz der Preisträger. Der Ölpreis-Schock ließ es nicht mehr zu, allein die schwankende Nachfrage für Auf- und Abschwünge verantwortlich zu machen.

Lange Jahre hatten die nachfrageorientierten Theorien von John Maynard Keynes als beste Erklärung für Konjunkturzyklen gegolten. Kydland und Prescott, beide Absolventen der Pittsburgher Carnegie Mellon University, führten nun Schocks beim Angebot - etwa von Erdöl - in das klassische ökonomische Modell ein, ebenso die Rolle des technischen Fortschritts.

Wie nebenbei vereinigten sie damit zwei Zyklen, die lange getrennt betrachtet worden waren: den der Konjunktur und jenen von mehr oder weniger innovationsfähigen Branchen.

Stiefkind

Der Preis für Wirtschaft gilt als Stiefkind unter den Nobelpreisen. Er wird nicht von der Nobelstiftung verliehen, sondern von der Schwedischen Reichsbank, und das auch erst seit 1969. Der Preis ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert, die sich die Preisträger teilen. Er wird am 10. Dezember überreicht.

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