Wirtschaftsminister Rösler in Griechenland:Wie aus dem bösen Herrn Insolvenz der liebe Philipp wird

Ach, im Prinzip mögen sie ihn doch: Trotz des jüngsten Insolvenz-Geredes empfängt Griechenlands Politik den deutschen Wirtschaftsminister Rösler freundlich. Von Nazi-Vergleichen ist nun nichts mehr zu hören - aber eine kleine Spitze kann sich der hellenische Ministerpräsident nicht verkneifen.

Guido Bohsem, Athen

Es hatte schon etwas Skurriles, wie Philipp Rösler und Evangelos Venizelos so nebeneinander standen an diesem Freitag in Athen. Der sehr schlanke deutsche Wirtschaftsminister und der sehr gewichtige griechische Finanzminister lauschten, wie Venizelos Statement gerade ins Deutsche übersetzt wurde. Er ließ sich nichts anmerken, dennoch muss Rösler, den sie hier "Herr Insolvenz" nennen, ziemlich überrascht gewesen sein. Venizelos warb um Hilfen für sein Land und er fügte hinzu, Griechenland werde jeden Euro dieser Hilfe zurückzahlen.

Wirtschaftsminister Rösler in Griechenland: Deutschlands Wirtschaftsminister Philipp Rösler (rechts) und der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos im Gespräch.

Deutschlands Wirtschaftsminister Philipp Rösler (rechts) und der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos im Gespräch.

(Foto: AFP)

Man kann das getrost als Spitze nehmen gegen den Besucher. Denn schließlich hatte der Vize-Kanzler als erstes deutsches Regierungsmitglied offen von einer Pleite Griechenlands gesprochen. Was ja nichts anderes heißen sollte, als dass das Land seine Schulden nicht zurückzahlen kann.

Rösler hatte damit einen Sturm der Empörung ausgelöst, in Deutschland aber auch in Griechenland. Sein knapp 24-stündiger Besuch ist deshalb von hohem Sicherheitsaufwand begleitet. An jeder Ecke seines Hotels stehen Männer mit Knöpfen im Ohr und Knarren unterm Jackett. Vor der deutschen Botschaft sollte es eine Demonstration gegen ihn geben.

Passiert ist nichts. Die Sicherheitsleute langweilten sich im Tagungshotel Divani Appollon Palace - und eine Demo hat es auch nicht gegeben, auch keine friedliche. Im Gegenteil: Rösler wurde ausgesprochen freundlich empfangen. Ministerpräsident Georgios Papandreou nahm sich 90 Minuten Zeit für ein Gespräch mit ihm, geplant waren nur 30. Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis nannte ihn beharrlich Philipp und versprach einen Wandel der griechischen Gesellschaft, eine moderne Bürokratie und gute Investitions-Möglichkeiten - und das so laut, dass man meinte, ihn auch ohne Mikrofon bis zum Brandenburger Tor hätte hören können.

Rund 450 Unternehmer aus Deutschland und Griechenland nahmen an dem von Chrysochoidis und Rösler initiierten Wirtschaftsgipfel teil. Er war der erste seiner Art und nach Röslers Worten ein Signal für einen Aufbruch Griechenlands. Er versprach Unterstützung für die Bürokratie, Hilfe beim Aufbau einer Mittelstandsbank - und er forderte von der griechischen Regierung mehr Zuverlässigkeit, etwa beim Bezahlen der Rechnungen von deutschen Unternehmen.

Die Hoffnung der Unternehmer

Die beiden Minister taten alles, um einen neuen Grundstein in den Wirtschaftsbeziehungen zu legen. Obwohl wenig Konkretes für die Wirtschaftsdelegation herauskam, die Rösler begleitete. Edwin Kohl war einer davon. Kohl ist mit dem Handel von deutschen Medikamenten reich geworden, die er billig im europäischen Ausland auf- und in Deutschland wieder verkauft. Seine Firma ist einer der größten Arbeitgeber im Saarland. Der Re-Import von Medikamenten ist sein Brot-und-Butter-Geschäft.

Seine unternehmerische Kreativität hat er seit ein paar Jahren auf ein anderes Feld gerichtet - Ökologie. Kohl stellt Elektro-Autos her, schicke Gefährte, die ein wenig so aussehen wie Smarts, das Lenkrad aber in der Mitte haben. Diese Autos und ein paar andere Ideen sind der Grund, weshalb Kohl Rösler begleitet. Er will investieren und zwar in "ökologischen Tourismus" auf Kreta. "Wir stehen mit drei Luxushotels in Kontakt", erzählt er. Jedes von ihnen verbrauche Unmengen von Strom. Kohl will sie in grüne Hotels verwandeln, Meerwasser aufbereiten, Solarkollektoren auf die Dächer bauen und Windräder aus Holz und mit der gewonnenen Energie die schicken Kohl-Elektroautos auftanken, in denen Touristen über die Insel fahren.

Damit Kohl den Plan umsetzen kann, brauchen die Hotels Fördermittel aus den Töpfen der Europäischen Union. Mittel also, die die Griechen in der Vergangenheit nur wenig effizient abschöpfen. "Daran hapert's", sagt Kohl. Röslers Reise, so hofft er, könne ihm helfen.

Chatzimarkakis hilft

Kohls wichtigster Helfer bei dem Geschäft ist übrigens der Europa-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis. Wie Rösler ist er FDP-Politiker, wenn auch inzwischen kein Doktor mehr. Chatzimarkakis lieferte sich an diesem Freitag eine hitzige Diskussion im griechischen Sender Mega - auf griechisch. Es ging um Europa, denn es fielen ständig die Namen "Lagarde", "Schäuble" und "Rösler". Vielleicht hat Chatzimarkakis den FDP-Chef sogar verteidigt. Tags zuvor hatte ein Moderator des Senders den Minister noch als Deutsch-Japaner beschimpft und auf die Achse zwischen Nazis und dem Tenno angespielt.

Röslers Besuch könnte von den Vorbehalten etwas abgebaut haben.

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