Wirtschaftsminister:Auto ohne Motor oder Super-Ministerium?

Noch ist nicht klar, wer der nächste Bundeswirtschaftsminister wird. Die Debatte um dessen Zuständigkeiten ist aber bereits in Gang gesetzt.

Thomas Öchsner

Im Bundeswirtschaftsministerium gibt es eine schlechte Tradition: Die meisten Chefs halten es hier nicht lange aus. Ludwig Erhard, der Mann mit der Zigarre, der das deutsche Wirtschaftswunder verkörperte, führte das Haus 14 Jahre lang bis 1963. Seine Nachfolger blieben im Durchschnitt nur gut drei Jahre. Und wenn Amtsinhaber Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach gerade einmal sieben Monaten Amtszeit ins Bundesverteidigungs- oder Finanzministerium wechseln sollte, sinkt der Wert weiter.

Das geringe Beharrungsvermögen dürfte auch damit zusammenhängen, dass das Wirtschaftsministerium nur einen Chefposten mit einem schmalen Etat - 6,1 Milliarden Euro - und kaum Kompetenzen bietet. Immer wieder wurde das Ressort zur Manövriermasse, weil ganze Abteilungen in andere Ministerien wanderten. Nun hat Walther Otremba, ein Staatssekretär von Guttenberg, eine Renaissance des traditionsreichen Hauses verlangt - nicht ganz zufällig, bevor die Zuständigkeiten innerhalb einer neuen Bundesregierung verteilt werden.

Wider die Zuständigkeitsräuber

Otremba ist nicht irgendein Staatssekretär, der aus Langeweile mal einen langen Aufsatz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) schreibt. Der 58-jährige Volkswirt gilt hinter Guttenberg als der wichtigste Kopf im Ministerium. In dem FAZ-Artikel setzt sich Otremba mit dem Niedergang des Ministeriums in der Berliner Scharnhorststraße auseinander.

Er begann 1972, als Helmut Schmidt Finanzminister wurde und die Abteilung Geld und Kredit aus dem Wirtschaftsministerium mitnahm. Ob beim Treffen der G-20-Staaten oder beim Internationalen Währungsfonds, die Auftritte auf den internationalen Finanzbühnen hat seitdem der Finanzminister. Später schlugen andere "Zuständigkeitsräuber" zu, allen voran Oskar Lafontaine, nicht mal ganz fünf Monate Finanzminister unter Kanzler Gerhard Schröder und heute Chef der Linken. Er verlegte die Grundsatzabteilung, die über die Einhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien wachte, ebenfalls ins Finanzministerium. Dies habe bildlich gesprochen "ein Auto ohne Motor in der Scharnhorststraße 34" hinterlassen, schreibt Otremba.

Anspruch auf die Energiepolitik

Danach ging es ständig hin und her: Die Grundsatzabteilung kam zurück. Unter Wolfgang Clement wurde das Haus Super-Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Clements designierter Nachfolger Edmund Stoiber, der dann lieber in Bayern blieb, setzte auf Technologie und nahm dem Forschungsministerium einige Bereiche ab. Die Fusion mit dem Ministerium für Arbeit wurde hingegen rückabgewickelt. Heute heißt Guttenbergs Haus "Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie" (BMWi) - Otremba merkt dazu süffisant an: "Dabei ist zu beachten, dass die Bedeutung von Bundesressorts in der Regel umgekehrt proportional zur Zahl der Konsonanten im Titel ist."

Der Staatssekretär fordert nun eine Rückkehr zu den Zeiten Erhards. Die Grundsatzabteilung will er dem Finanzministerium zuschlagen, das im Gegenzug die Abteilungen Geld und Kredit, Privatisierung und Beteiligungsführung herausrücken soll. Das Wirtschaftsministerium solle so zu einem "umfassend zuständigen Haus für Wirtschaftsförderung" werden. Das Finanzministerium wiederum solle sich darauf konzentrieren, auf sparsame Haushaltsführung zu achten.

Zugleich fordert Otremba, die Zuständigkeiten für Technologie wieder dem Forschungsministerium zu übertragen und die Energiepolitik im Wirtschaftsministerium zu konzentrieren. Bislang kümmerte sich um den Bereich Erneuerbare Energien das Umweltministerium. Dadurch seien leichter Gräben "zwischen Grün, Schwarz und Atom" zu überwinden, so Otremba. Sein Chef sieht dies genauso. Otremba hatte ihn über seinen Aufsatz, der viel Stoff für die Koalitionsverhandlungen bietet, informiert. Und Guttenberg hatte nichts dagegen.

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