Wirtschaftskriminalität:Briefe aus dem Nichts

Wenn es um Geld geht, können Betrüger erfinderisch sein. Das musste jetzt auch die Deutsche Post erfahren: Kriminelle erfanden Briefe - und kassierten von dem Konzern offenbar Millionen. Drei Verdächtige sollen bereits in Untersuchungshaft sitzen.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Die Deutsche Post ist Opfer eines groß angelegten Brief-Betrugs geworden. Ein Konzernsprecher hat am Sonntag einen entsprechenden Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bestätigt. Demnach hat die Post Geld an Zulieferfirmen gezahlt - für Hunderte Millionen fingierter Briefe, die tatsächlich nie angeliefert worden sind. So ist dem Konzern ein Schaden in Millionenhöhe entstanden.

Ausgangspunkt der Manipulationen ist ein Angebot für Geschäftskunden: Die Deutsche Post gewährt Betrieben und Behörden, die sehr viele Briefe verschicken, einen Rabatt, wenn die Großkunden ihre Sendungen direkt in ein Briefzentrum des Konzerns liefern. Viele Unternehmen sind aber nicht groß genug, um dieses Angebot annehmen zu dürfen. Stattdessen können diese Geschäftskunden sogenannte Konsolidierer wie Postcon oder Compador einschalten. Diese privaten Dienstleister sammeln Briefe mehrerer Unternehmen ein - und liefern sie sortiert und frankiert in ein Briefzentrum. Dafür zahlt die Post eine Prämie von bis zu 44 Prozent des Portopreises. Die Konsolidierer geben diese anteilig als Rabatt an die Geschäftskunden weiter.

Die Deutsche Post prüft die Briefmenge nur in Stichproben. Besonders samstags sei die Kontrolle aber schlecht oder gar nicht besetzt gewesen. Hier haben die Beschuldigten angesetzt. "Die Samstagsmengen sind zum größten Teil nicht existente Sendungsmengen", zitiert die FAS aus Akten der Staatsanwaltschaft. Dennoch hat die Post Prämien gezahlt, etwa an Subunternehmer von Konsolidierern.

Der Konzern hat den Betrug nicht bundesweit registriert. Schwerpunkt soll das Briefzentrum in Frankfurt am Main gewesen sein. In der Folge hat die Post ihre Mengen dort genau nachgezählt. Dies habe den Briefverkehr vorübergehend verlangsamt. Briefe von Privatkunden seien nicht betroffen, betont der Konzern. Künftig will die Post das Verfahren verändern, um Betrügereien vorzubeugen.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz geht dem Betrugsfall seit Monaten nach. Die Ermittlungen sind aber nicht abgeschlossen. Deshalb äußert sich die Post nicht zu Details des Schwindels.

Dem Medienbericht zufolge ermitteln die Staatsanwälte gegen 14 Personen im Alter von 39 bis 58 Jahren. Drei Beschuldigte säßen in Untersuchungshaft. Mutmaßlich hätten sie Komplizen innerhalb des Post-Konzerns. Die Machenschaften seien im Frühjahr zufällig im Zuge von Steuerermittlungen aufgeflogen.

Die Deutsche Post versendet im Schnitt etwa 58 Millionen Briefe pro Tag. Das Stammgeschäft ist für den Konzern nach wie vor profitabel, wenngleich die Sendungsmenge jedes Jahr um etwa zwei bis drei Prozent zurückgeht. Seit der Zugang zu den Postmärkten offen ist, muss die Deutsche Post ihr Netz auch Wettbewerbern öffnen.

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