Wirtschaftsbetrug:24 Jahre Haft für Ex-Enron-Chef Skilling

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Der ehemalige Enron-Vorstand Jeffrey Skilling sieht sich bis heute als Opfer in einem Betrugsskandal - nun muss er für 24 Jahre ins Gefängnis.

Andreas Oldag

Nichts gehört, nichts gewusst, nichts gesehen. Das war bis zuletzt die Taktik von Jeffrey Skilling. Geholfen hat es dem ehemaligen Chef des Skandalkonzerns Enron nicht. Nachdem ihn ein Geschworenen-Gericht Ende Mai wegen Bilanzbetrugs, Insiderhandels und anderer Vergehen schuldig sprach, muss der 52-Jährige nun bald eine jahrelange Gefängnisstrafe antreten. Es ist das letzte Kapitel in einem der größten Wirtschaftsprozesse der USA.

Drakonische Star für den Skandalmanager: Jeffrey Skilling (Foto: Foto:)

Skilling, der angekündigt hat, gegen das Urteil bis zum Ende seines Lebens zu kämpfen, steht für die Hybris eines scheinbar unaufhaltsamen Börsenbooms in den 90er Jahren.

Es war seine Vision vom weltgrößten Energieunternehmen, in dem per Mausklick Öl- und Erdgas-Terminkontrakte um den Erdball hin- und hergeschoben wurden. Das Wirtschaftsmagazin Economist bezeichnete Enron einmal als "Hedge-Fonds mit angeschlossener Gaspipeline". Der Konzern blähte sich schließlich zum nach Marktkapitalisierung siebtgrößten US-Unternehmen auf.

Randalierend in New York

Doch am Ende der großen Börsensause im Dezember 2001 türmten sich die Schulden auf 67 Milliarden Dollar. Der Kurs der Enron-Aktien stürzte von fast 90 Dollar bis auf wenige Cents ab.

Kleinanleger verloren ihre Ersparnisse. Mehr als 4000 Arbeitsplätze gingen verloren. Skilling wurde auch zum Symbol der hässlichen Seite des amerikanischen Kapitalismus, der Gier und Bereicherung einer kleinen Wirtschaftselite, die Firmen auf Kosten der Anleger schamlos ausplünderte.

Seine Karriere begann der Harvard-Absolvent bei der Beratungsgesellschaft McKinsey. Ende der 80er Jahre wechselte er zu dem damals noch kleinen Pipeline-Betreiber Enron.

Firmengründer Kenneth Lay eröffnete dem selbst ernannten "Workaholic" den Aufstieg nach ganz oben. Skilling war es, der die elektronischen Handelsplattformen für Energie bei Enron erfand. Rastlos arbeitete er an der Expansion des Unternehmens. 2001 ernannte ihn Lay, der im Mai dieses Jahres ebenfalls verurteilte wurde, aber dann im Juli an Herzversagen starb, zum Chief Executive Officer(CEO).

Große Geschäfte mit sich selbst

Skilling scharte seine Fans um sich, eine Gruppe junger, ehrgeiziger Manager. Skilling kann witzig sein. "Wir alle verehrten ihn wie einen Guru. Er war sehr charismatisch", erinnert sich die ehemalige Enron-Mitarbeiterin Sherron Watkins, die später ein Buch über den Enron-Zusammenbruch veröffentlichte. Berüchtigt waren aber auch Skillings Wutausbrüche. Mitarbeiter kanzelte er ab.

Widerspruch duldete er nicht. Vielleicht liegt hier auch eine der Ursachen dafür, dass er sein eigenes Versagen stets verdrängt hat. Der tiefe Fall des einstigen Starmanagers hat tiefe Spuren hinterlassen. So wurde Skilling im April 2004 randalierend und betrunken vor einer Bar in New York von der Polizei aufgegriffen. Unbeteiligten Passanten warf er damals vor, sie seien Agenten der US-Bundespolizei FBI und würden ihn verfolgen.

Im Prozess spielte Skilling dann aber wieder den intellektuell brillanten Überflieger. Sein Verteidiger Daniel Petrocelli unterstützte ihn dabei. Sein Mandant sei an widrigen Umständen gescheitert, behauptete er. Dies sei aber kein kriminelles Vergehen. Skilling gelang es, durchaus überzeugend darzustellen, dass er mit den Bilanztricksereien nicht unmittelbar befasst war. Die Enron-Ankläger hatten zudem das Problem, dass sie nur wenige belastende Dokumente präsentieren konnten.

Das Duo Skilling/Lay pflegte in heiklen Fällen einen geradezu konspirativen Kommunikationsstil. Sie vermieden es zum Beispiel, E-Mails über brisante Geschäftsvorgänge zu schreiben, die später als Beweis dienen könnten. Zum Verhängnis wurde für Skilling dann aber die Aussage des Kronzeugen und einstigen Enron-Finanzchefs Andrew Fastow. Der 44-Jährige wurde kürzlich zu einer vergleichsweise milden Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt - als Belohnung für seine Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft.

Kleines Rädchen in der großen Geldmaschine

Mit Billigung Skillings erfand Fastow die berüchtigten Special Purpose Entities (SPE), ausgliederte Firmen, die nicht in der Bilanz auftauchten. Damit gelang es dem Energiekonzern über Jahre hinweg, Schulden zu verstecken sowie Riesenumsätze durch Kreisgeschäfte vorzugaukeln. Enron machte gewaltige Geschäfte mit sich selbst. Heraus kam aber auch, dass die mächtigen Banken an der Wall Street Enrons Luft-Geschäfte mittrugen. Sie finanzierten Kredite und gaben Bonitätserklärungen ab. Ihre Aktienanalysten jubelten das Enron-Papier hoch.

Und so wird man fairerweise einräumen müssen, dass auch Skilling ein Rädchen in der großen Geldmaschine Wall Street war.

© SZ vom 24.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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