Wirtschaftsbericht:Weichspüler gegen OECD-Kritik

Der Länderbericht der OECD über die wirtschaftliche Lage Deutschlands wird der Regierung stets vorab vorgelegt. Dieses Mal griff Berlin offenbar stärker ein, um zu kritische Passagen zu entschärfen.

Die Bundesregierung habe einen kritischen Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schönen lassen, meldete das Handelsblatt am Mittwoch. Der Bericht sei "in einem Maße weich gespült" worden, "wie ich es in der Vergangenheit noch nicht erlebt habe", zitierte das Blatt einen Beteiligten. Die Änderungswünsche der Bundesregierung gingen demnach weit über das in diesen Fällen übliche Maß hinaus.

Lob statt Kritik

Dem Blatt zufolge strichen die OECD-Volkswirte nach Intervention aus Berlin zahlreiche kritische Passagen und nahmen stattdessen lobende Abschnitte über die deutsche Wirtschaftspolitik in die Endfassung auf.

Die OECD hatte im Dezember Deutschland schlechte Wachstumsaussichten und hohen Strukturreformbedarf attestiert. Zugleich wurde aber die Hoffnung geäußert, dass die von der Bundesregierung eingeleiteten Reformen das Land wieder auf Kurs bringen könnten.

In den Bericht wurden nach Angaben der Zeitung "lobende Absätze über die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und Verweise auf die relativ strikte Geldpolitik aufgenommen". Der Hinweis auf zu hohe Lohnkosten und die Forderung nach gesetzlich garantierten Öffnungsklauseln für Tarifverträge seien aber auf Drängen Deutschlands herausgefallen.

Entschärft habe die OECD auch die Aussagen zur mangelnden Tragfähigkeit des gesetzlichen Rentensystems in Deutschland.

Das Bundeswirtschaftministerium rechtfertigte das deutsche Vorgehen: Der Eindruck, der Bericht sei auf Intervention der Bundesregierung von der OECD deutlich entschärft worden, "trifft nicht zu". Es sei "das übliche Verfahren", dass das geprüfte Land zum OECD-Entwurf Stellung beziehe.

"Fachliche Richtigstellungen"

Die deutsche Stellungnahme habe in erster Linie zur Vermeidung von sachlichen Fehlern und hieraus gegebenenfalls hervorgehenden Fehlinterpretationen gedient. Der Regierung sei es um "fachliche Richtigstellungen und Anpassungen an den aktuellen Sachstand" gegangen.

OECD-Ökonom Patrick Lenain bestätigte dem Handelsblatt, dass es "eine Menge Änderungen" gegeben habe. Dennoch sei die Deutschland-Studie aus Sicht der OECD "der kritischste Länderbericht seit langem".

Stoiber fordert Aufklärung

CSU-Chef Edmund Stoiber forderte von der Bundesregierung umfassende Aufklärung über die mögliche Einflussnahme. Mit der "regierungsamtlichen Schönfärberei und dem Vertuschen unangenehmer Wahrheiten" müsse endlich Schluss sein, sagte der bayerische Ministerpräsident am Mittwoch laut Pressemitteilung der Münchner Staatskanzlei.

Die Bundesregierung müsse außerdem Auskunft geben, ob die OECD von Deutschland weitergehende Reformen der sozialen Sicherungssysteme und zur Begrenzung der Neuverschuldung verlangt habe.

Von einem "handfesten Skandal" sprach der FDP-Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle. "Die Bundesregierung muss sich öffentlich erklären." Vor allem die negative Rolle der Gewerkschaften sei in dem Bericht "offensichtlich weich gezeichnet worden". Das zeige: "Der dringend notwendige Bruch mit den ewiggestrigen Gewerkschaftsführern wird dieser Regierung nicht gelingen."

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