Wirtschafts-Köpfe 2012:Claudia Nemat - Physikerin bei der Telekom

Naturwissenschaftlerin Claudia Nemat ist die erste Frau im Vorstand der Deutschen Telekom. Für Gedanken zur Frauenquote wird sie kaum Zeit haben. Denn auf die neue Europachefin warten einige Baustellen.

Marlene Weiss

Es ist nicht immer ganz leicht, Claudia Nemat zu widersprechen: Die 43-jährige Physikerin ist mit entwaffnender Offenheit gesegnet. Auf skeptische Fragen reagiert sie schnell und präzise, vertritt ihre Meinung unbeirrt und besiegelt das Ganze gern mit einem lauten Lachen. Seit Oktober ist sie als Europachefin die erste Frau im Vorstand der Deutschen Telekom - in dem Konzern, der sich im Jahr 2010 eine Quote für Frauen in Führungspositionen verordnet hat.

Claudia Nemat Deutsche Telekom

Claudia Nemat, erste Frau im Telekom-Vorstand, muss das Europa-Geschäft in Schwung bringen.

(Foto: dpa)

Dass es auch etwas mit dem Erfolg des Unternehmens zu tun haben kann, ob das Management einer reinen Männerclique überlassen bleibt oder nicht, hat Nemat selbst festgestellt. Für ihren bisherigen Arbeitgeber, die Beratungsfirma McKinsey, untersuchte sie die Beziehung von Rendite, Aktienkurs und Frauenanteil im Vorstand eines Unternehmens. Tatsächlich - je mehr Frauen im Vorstand, desto besser arbeiten Firmen, statistisch betrachtet. Trotzdem bezeichnete Nemat die Frauenquote einmal als "Ultima Ratio", als vorübergehende Notlösung, wenn nichts anderes funktioniert.

Immerhin: Ohne Quote hätte die Telekom den gewünschten 30-Prozent-Anteil von Frauen im Management nach eigenen Berechnungen erst im Jahr 2250 erreicht. Claudia Nemat aber muss sich im kommenden Jahr ohnehin mit ganz anderen Fragen befassen. Die Eurokrise, die eben erst teuer beigelegte Korruptionsaffäre bei der ungarischen Tochter Magyar Telekom, die angeschlagene griechische Tochter OTE - auf die Chefin des Europageschäfts warten viele Baustellen. Dass der Verkauf des US-Zweigs kürzlich scheiterte, erhöht den Druck noch.

Aber Nemat ist schon mit anderen Herausforderungen zurechtgekommen. Als Senior Partnerin bei McKinsey war sie für die High-Tech-Branche in Europa, Afrika und dem Nahen Osten zuständig. Sie kennt die Telekom gut und war an der Entwicklung der neuen Konzernstrategie beteiligt. Schon 2007 hieß es, sie sei für einen Vorstandsposten im Gespräch, damals war sie hochschwanger mit ihrem ersten Kind. Inzwischen sind es zwei, und Nemat hat es in den Vorstand geschafft, obwohl sie mit einem Chefarzt verheiratet ist und somit keinen Hausmann an ihrer Seite hat. Angeblich findet sie trotzdem Zeit für Joggen und Yoga. Aber das könnte in den Bereich der Legenden gehören.

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