Wirtschaft kompakt:Einfach mal den Chef kidnappen

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Siemens setzt Hunderte französische Mitarbeiter vor die Tür, doch die protestieren mit drastischen Mitteln. Außerdem: Toyota tropft.

Aufgebrachte Arbeiter haben in Frankreich zwei Siemens-Manager festgesetzt. Die Beschäftigten haben sich seit Montag im Werk Saint-Chamond bei Lyon mit dem örtlichen Finanz- und den Personalchef eingeschlossen und fordern höhere Abfindungszahlungen im Zuge eines geplanten Stellenabbaus.

"Es ist unanständig, uns als Abfindung zwischen 5000 und 24.000 Euro anzubieten. Wir verlangen viel mehr", sagte der gewerkschaftliche Vertreter, Georges Boncompain. Siemens will an dem Standort, an dem der Konzern Ausrüstung für Stahlwerke produziert, 360 der bislang 600 Arbeitsplätze streichen.

Ein Konzernsprecher betonte, die beiden Manager seien freiwillig dort. Der Konflikt befinde sich zwar auf der höchsten landesüblichen Eskalationsstufe, die zwei Beauftragten könnten allerdings jederzeit gehen. Die Zentrale stehe mit ihnen in Kontakt. In den Konflikt hat sich inzwischen Frankreichs Industrieminister Christian Estrosi eingeschaltet.

Er rief zur Freilassung der beiden Manager auf. "Ich lehne die Gewalt ab, zumal der Sozialplan gerade verhandelt wird." Die Gespräche müssten friedlich ablaufen. Die Arbeitnehmervertreter hielten dagegen. "Bislang sind wir kein Stück weitergekommen, die Firma beharrt auf ihren Positionen", sagte Boncompain. "In dieser verfahrenen Situation nehmen wir uns jetzt die Zeit, die wir brauchen."

Air-Berlin-Piloten bleiben am Boden

Nach der Lufthansa will die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) auch die kleinere Konkurrentin Air Berlin bestreiken. Die Gewerkschaft habe bereits in der vergangenen Woche dreistündige Warnstreiks bei Air Berlin und deren Ferienflugtochter LTU beschlossen, die parallel zu den Verhandlungen stattfinden sollten, teilte VC mit. Diese würden in den kommenden Tagen durchgeführt.

Das Unternehmen und die Gewerkschaft verhandeln über eine Angleichung der Arbeitsbedingungen bei Air Berlin und der zugekauften LTU. Die Gewerkschaft will dabei eine Anhebung der Bedingungen für alle Beschäftigten auf das Niveau von LTU erreichen. Die Fluggesellschaft habe aus Sicht von VC dazu noch kein verhandlungsfähiges Angebot unterbreitet, begründete die Gewerkschaft den Warnstreik.

Erst vor gut einer Woche hatte die Gewerkschaft mit einem eintägigen Streik den Flugverkehr bei Lufthansa großteils lahmgelegt.

Toyota hat Probleme - schon wieder

Nach Bremsen und Gaspedalen machen dem japanischen Autohersteller Toyota jetzt auch Ölschläuche in manchen Wagen Probleme. Es gebe zwar keine weitere Rückrufaktion, Toyota tausche den Schlauch aber "freiwillig" in 1,3 Millionen Autos in Nordamerika aus, sagte eine Sprecherin am Dientag in Tokio. Wegen Problemen mit der Servolenkung muss auch US-Konkurrent General Motors 1,3 Millionen Autos in Nordamerika zurückrufen.

Die Toyota-Sprecherin hob hervor, dass die Sicherheit der Fahrer nicht in Gefahr sei: "Es ist vielmehr eine Service-Kampagne." Durch den defekten Ölschlauch könne es höchstens zu ungewöhnlichen Motorgeräuschen oder einem Aufleuchten der Öldruck-Anzeige kommen. Die kostenlosen, rund einstündigen Reparaturen werden demnach bereits seit fünf Monaten vorgenommen.

Das Problem wurde Toyota in den USA schon bei 342.200 Wagen der Modelle Avalon, Camry und RAV4 sowie bei 374.000 Wagen der Modelle Lexus ES 35 sowie RX350 behoben. In Japan sei der Schlauch seit Oktober bei 45.000 Toyota-Autos ausgewechselt worden, fügte die Sprecherin hinzu. Da es sich bei der Aktion nicht um einen Rückruf aus Sicherheitsgründen handele, bestehe nicht die Pflicht, die US-Behörde für Verkehrssicherheit (NHTSA) zu benachrichtigen.

Wegen Problemen mit dem Gaspedal und den Bremsen hat Toyota seit Herbst weltweit rund 8,7 Millionen Fahrzeugen zurückrufen müssen, viele davon in den USA. Dort war das Unternehmen besonders unter Druck der Behörden geraten, Toyota-Chef Akio Toyoda musste in der vergangenen Woche vor dem Kongress in Washington Rede und Antwort stehen.

Im Video: In Frankreich haben aufgebrachte Arbeiter zwei Siemens-Manager festgesetzt.

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Kartellstrafen für Baustoffbranche

Das Bundeskartellamt hat gegen Verbände und Handelsgruppen der Baustoffbranche Geldbußen von insgesamt 13,4 Millionen Euro verhängt. Die Strafen treffen die Baumarkt- und Baustoffgruppe Hagebau, die größte europäische Baustoffhandels-Kooperation Eurobaustoff, vier Einzelpersonen sowie den Verband Norddeutscher Baustoffhändler und den früheren Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, er heißt heute Baustoff-Fachhandel Landsberg.

Grund für die Geldbußen ist eine seit 2006 erhobene Aufstellgebühr für Trockenmörtel-Silos, teilte das Kartellamt mit. Dafür habe es verbotene Absprachen gegeben. Mörtel-Abnehmer wie Mauerer oder Stuckateure wurden geschädigt. Mit den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen habe sich bundesweit und praktisch flächendeckend der Preis für Mörtel deutlich erhöht, sagte eine Sprecherin in Bonn.

Bereits im Juli 2009 hatte das Bundeskartellamt wegen derselben verbotenen Verabredungen gegen neun Mörtelhersteller Geldbußen von fast 40 Millionen Euro verhängt. Nach den Herstellern wird nun der Handel mit Bußgeldern belegt, weil er diese Praxis unterstützte und selbst von ihr profitierte.

Lufthansa fliegt Minus ein

Schrumpfende Passagier- und Frachtzahlen haben bei der Lufthansa im vergangenen Jahr für einen Verlust gesorgt. Das Minus betrug 112 Millionen Euro, teilte die Lufthansa mit. 2008 hatte sie noch ein Plus von 542 Millionen Euro erzielt. Der Vorstand werde daher vorschlagen, für 2009 keine Dividende an die Aktionäre auszuschütten. Zuletzt hatte die Lufthansa 2003 einen Verlust ausweisen müssen.

Die Lufthansa hatte bereits Mitte Januar Zahlen zu Passagier- und Frachtaufkommen im vergangenen Jahr vorgelegt. Danach flogen im vergangenen Jahr rund 55,6 Millionen Gäste mit der Lufthansa - 2,6 Prozent weniger als 2008. Die Frachttochter Lufthansa Cargo transportierte demnach 2009 rund 1,5 Millionen Tonnen Fracht und Post und damit 10,5 Prozent weniger als im Vorjahr.

Arbeitsministerin und Gewerkschaft gehen auf Schmusekurs

Beim Einstieg in die umstrittene Rente mit 67 will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auch auf die Gewerkschaften hören. Es gehe darum, "die Rente mit 67 so mit Leben (zu) füllen, dass wir eines Tages sagen können, es ist tatsächlich möglich, Arbeit bis 67 sinnvoll zu ermöglichen", sagte von der Leyen nach einem ersten Gespräch mit dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. DGB-Chef Michael Sommer sagte, es habe an "ein paar Stellen Sichtweisen" gegeben, "wo man sich annähert".

Zwischen 2012 und 2029 wird das abschlagsfreie Rentenalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Die Gewerkschaften sehen darin vor allem ein Rentenkürzungsprogramm und fordern flexible Übergänge und Verbesserungen für erwerbsgeminderte Frührentner. In diesem Jahr muss die Regierung wegen des bevorstehenden Einstiegs in die Rente mit 67 die Beschäftigung Älterer überprüfen.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/jcb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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