Geldwäschebekämpfung:Niemand fühlte sich für Wirecard zuständig

A woman enters the headquarters of Wirecard AG in Aschheim

"Die Wirecard AG als Ganzes fiel unten durch": Hauptsitz des Zahlungsdienstleisters in Aschheim bei München.

(Foto: Andreas Gebert/Reuters)

Der tiefe Fall des Dax-Konzerns zeigt, wie schlecht die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern in der Bekämpfung von Geldwäsche funktioniert. Offenbar profitierte das Unternehmen von einer Gesetzeslücke.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Man bekommt ein gutes Gefühl für die Arbeit der Aufsichtsbehörden im Fall Wirecard, wenn man einen Zwist der letzten Woche rekapituliert. Es ging um die Frage, wer zuständig gewesen wäre, den Wirecard-Konzern auf die Umsetzung der Regeln zur Geldwäscheprävention hin zu kontrollieren. Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin schob der Bezirksregierung Niederbayern die Verantwortung zu, die diese zurückwies. Das bekannte Ergebnis: Niemand hat je kontrolliert.

War das Schlamperei, oder liegt der Fehler im Gesetz? "Es gibt eine Gesetzeslücke", sagt der Jurist Lars Haffke, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München im Bereich Corporate Governance. Die Bafin sei nur für die Aufsicht der Wirecard Bank AG zuständig. "Die Wirecard AG als Ganzes fiel unten durch, weil die Aufsichtsbehörden der Länder, in diesem Fall die Bezirksregierung Niederbayern, nur für die Geldwäschekontrolle des sogenannten Nichtfinanzsektors zuständig sind, also zum Beispiel für Immobilienmakler oder Auto- und Schmuckhändler", sagt Haffke. "Reine Dienstleister wie die Wirecard AG, die nicht anderweitig dem Geldwäschegesetz unterliegen, konnten ohne Aufsicht agieren."

Der Fall Wirecard unterstreicht, dass die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern in der Geldwäscheprävention nicht gut funktioniert. "Im Finanzsektor sträubt sich die Bafin vor ihrer Verantwortung und im Nichtfinanzsektor sind Länder und zuständige Behörden häufig überfordert", sagt die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus von Bündnis 90/Die Grünen. Um diesen Flickenteppich in den Griff zu bekommen, brauche es eine Zuständigkeit des Bundes. "Es ist schockierend, dass es möglich ist, dass es in Deutschland ein Dax-Unternehmen mit 125 Milliarden an Transaktionen gibt und keiner fühlt sich für die Geldwäscheaufsicht zuständig", sagt Paus.

"Statt gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen, wäre es die Aufgabe der Finanzaufsicht und der Bezirksregierung Niederbayern gewesen, gemeinsam eine Lösung zu finden."

Jurist Haffke fordert eine Änderung der geldwäscherechtlichen Vorschriften. "Dazu muss man klären, welche Dienstleister als Verpflichtete für Geldwäscheprävention gelten sollen. Jeder Friseur, jedes Café vielleicht nicht, aber auf jeden Fall muss sichergestellt werden, dass ein großer Dienstleister wie Wirecard künftig als Ganzes kontrolliert wird, egal wie verschachtelt die Konzernstruktur auch ist", sagt Haffke. Die Aufseher bräuchten eine Gesamtschau auf die Unternehmen.

Im Kampf gegen Geldwäsche sind die Behörden auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Bestimmte Berufsgruppen außerhalb des Finanzsektors, darunter Immobilienmakler, Notare, Glücksspielanbieter, Edelmetall- und Kunsthändler, sind gesetzlich verpflichtet bei der zuständigen Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) Meldung zu machen, wenn ihnen ein Kunde und dessen Zahlungsverhalten verdächtig vorkommt. Aber auch Whistleblower, denen verdächtige Dinge bei ihren Arbeitgebern auffallen, werden seit 2017 gesetzlich ermuntert, potenzielle oder tatsächliche Verstöße gegen das Geldwäschegesetz anonym zu melden. Doch an der Umsetzung gibt es nun Kritik.

Für Whistleblower gibt es keine zentrale Anlaufstelle. So geht wichtiges Insiderwissen verloren

"Der Wirecard-Skandal verdeutlicht, wie wichtig Hinweisgeber für Aufsichtsbehörden sind. Es gibt weder ein übergreifendes Meldesystem noch eine unabhängige Anlaufstelle für Whistleblower, die etwaige Rechtsverstöße von Unternehmen prüft", sagt Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion nach Auswertung der Antworten der Bundesregierung auf seine Kleine Anfrage zur Geldwäscheprävention im Nichtfinanzsektor. Dem Bundesfinanzministerium lägen keine belastbaren Daten vor, und die deutschen Aufsichtsbehörden würden auf wertvolles Insiderwissen verzichten. "Die Koordination zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden auf Landes- und Bundesebene ist katastrophal."

Die Überwachung des Nichtfinanzsektors auf Geldwäscheprävention ist seit Jahren ein Problem. Die Bundesländer sind zuständig, was dazu führt, dass die Kontrollen je Bundesland unterschiedlich scharf ausfallen. Oft haben die Behörden kein geschultes Personal für diese Aufgabe, etwa viele Gewerbeaufsichtsämter und Bezirksregierungen, manchmal ist sogar der fachfremde Katastrophen- und Brandschutz zuständig. Die Aufseher müssten eigentlich regelmäßig bei Immobilienmaklern oder Juwelieren überprüfen, ob diese Betriebe gut gerüstet sind, um Geldwäschegeschäfte zu verhindern. Dazu gehören auch Kontrollen, ob die Personalausweise von Kunden bei hohen Bargeldgeschäften tatsächlich kopiert wurden.

Schon lange fordern Experten eine Zentralisierung dieser Aufgaben bei einer Bundesbehörde. "Insbesondere gibt es faktisch keine Aufsicht gegenüber Notaren, die eigentlich von den Landgerichten überwacht werden sollten", sagt De Masi. So werde beispielsweise bei Immobilienkäufen, eine der häufigsten Arten von Geldwäsche, nicht kontrolliert, ob der Notar oder die Notarin die Legalität der Transaktion hinreichend geprüft habe. "Deutschland bleibt daher ein Paradies für Geldwäsche", urteilt De Masi.

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