"Wir drehen den Bayern gern die Nase":Die Zukunft fährt nach NRW

Münchner Ingenieure haben ein 1,5-Liter-Auto entwickelt - weil es dafür vom Freistaat keine Zuschüsse gibt, wandert die Firma ab.

Manfred Hummel

Nach Nürnberg fährt er für drei Euro, die 2238 Kilometer nach Moskau kosten 37 Euro und nach Rom schafft es der Viersitzer, ohne dass man den 20-Liter-Tank nachfüllen muss. Dabei ist der ,,Loremo'' keineswegs ein Verkehrshindernis.

"Wir drehen den Bayern gern die Nase": Simple, clever, fun: Die Entwickler des Loremo wünschen sich ein Volk von Kleinwagenfahrern.

Simple, clever, fun: Die Entwickler des Loremo wünschen sich ein Volk von Kleinwagenfahrern.

(Foto: Foto: AP)

Obwohl sein Zweizylinder-Turbodieselmotor nur 1,5 Liter Sprit auf 100 Kilometer schluckt, schafft er Tempo 160, in der GT-Version sogar 220 Stundenkilometer Spitze.

Preise zwischen 11.00 und 15.00 Euro machen den Loremo für umweltbewusste Käufer interessant. Auf diversen Autosalons hat der Kleinwagen aus Bayern bereits großen Zuspruch gefunden.

In Serie - aber nicht in Bayern

Ab 2009 soll er in Serie gehen - aber nicht in Bayern. Denn die Staatsregierung, die zumindest in ihrer Selbsteinschätzung seit Jahren an der Spitze einer jeden Hightech-Offensive steht, lässt sich die Chance durch die Lappen gehen.

Direkt vor der Nase der Staatsregierung hat eine Münchner ,,Denkwerkstatt'' mit 13 Mann das 1,5-Liter-Auto entwickelt, sozusagen als passende Antwort auf die aktuelle Diskussion über PS-starke Benzinschlucker und deren Belastung für das Klima.

Doch die Loremo AG ist im Begriff, gen Nordrhein-Westfalen zu ziehen. Mehrere Gründe sprechen laut ihrem Vorstandsvorsitzenden Gerhard Heilmaier für den Schritt.

Das Angebot an Arbeitskräften sei wegen der höheren Arbeitslosigkeit deutlich größer. ,,Wir kriegen die Leute, die wir brauchen.'' 150 Mitarbeiter sollen den Loremo in Serie fertigen.

Nahe am Markt

Zweitens sei man mit der Produktion nahe am Markt, erläutert der 45-jährige Diplom-Kaufmann. In einem Umkreis von 50 Kilometern lebten 15 Millionen Menschen. ,,Wir haben dort ,Kümmerer' gefunden, die wir nicht schieben müssen, sondern die uns ziehen.''

Unter Kümmerern versteht Heilmaier Menschen, für die Klimaschutz kein Lippenbekenntnis ist. ,,Die tun was.'' Den Ausschlag für den Umzug dürften aber 2,3 Millionen Euro gegeben haben.

Das ist die Summe, die das Land für das zukunftsträchtige Vehikel aus Bayern ausgeben will. Die Hälfte stammt aus EU-Fördermitteln. Nordrhein-Westfalen verfügt im nördlichen Ruhrgebiet über sogenannte Ziel-II-Fördergebiete, um den Strukturwandel von Altindustrien zu neuen Produktionsformen besser zu meistern. Bayern kann mit solchen Gebieten nur entlang der Grenze nach Osten aufwarten.

,,Wir hätten nach Hof gehen können'', berichtet Heilmaier, ,,aber die Förderung hätte dort Darlehenscharakter mit einem deutlich geringeren Betrag gehabt.'' Als gebürtiger Bayer gehe er nicht gerade lachend.

Die Zukunft fährt nach NRW

,,Wir drehen den Bayern gern die Nase, nicht nur im Karneval'', sagt Joachim Neuser, Sprecher des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums, aber in diesem Fall müsse man fair sein.

Von der Förderung her sei der Freistaat einfach im Nachteil. Doch auch die niedrigere Förderung ,,war für uns nicht so zugänglich'', deutet Heilmaier Hürden an.

Die Zweifel des bayerischen Wirtschaftsministeriums

Denn sein Loremo hatte vor den gestrengen Prüfern des bayerischen Wirtschaftsministeriums keinen Bestand. Sie zogen wirtschaftliche Erfolgsaussichten, Finanzierbarkeit, konkrete Umsetzung und Arbeitsplatzeffekte in Zweifel.

Dass man Rücksicht auf die eigenen Autobauer nehmen wollte, wird bestritten. Auch die Nordrhein-Westfalen waren zunächst vorsichtig und gaben bei Henning Wallentowitz von der Technischen Hochschule Aachen, einem der führenden deutschen Kraftfahrzeug-Konstrukteure, ein Gutachten in Auftrag.

Mit Risiken behaftet

Das Projekt sei durchaus mit Risiken behaftet, urteilte der Professor, doch es berge auch große Chancen. ,,Im positiven Fall fördert sich der Wagen durch die Verkaufserfolge selbst'', sagt Ministeriumssprecher Neuser.

In der Tat stellt der Loremo ein Novum dar: Im Stadtverkehr braucht er so wenig Sprit, weil er mit 450 Kilogramm ein Leichtgewicht ist. Das Konstruktions-Team hat Ballast eingespart, wo es nur ging.

So macht ein in die Kopfstützen integrierter Überrollbügel schwere Träger und Stützen an der Kunststoffkarosserie überflüssig. Die Kernzelle besteht aus einer 95 Kilogramm schweren Wanne aus Stahl, die mangels Aussparungen für Türen als sehr unfallstabil gilt.

Ausschließlich von vorn und hinten

Den Loremo besteigt man nämlich ausschließlich von vorn und von hinten. Was passiert aber, wenn man den Wagen an einen Baum setzt? Beim Serienmodell werde die aus Kühlerhaube und Windschutzscheibe bestehende Tür hinter der Stoßstange und den Lichtern angeordnet, erklärt Uli Sommer, der geistige Vater des Loremo.

,,Ebenso wie die Heckklappe muss sie keinerlei Crashkräfte übernehmen.'' Im Falle eines Falles könne man dann über Vorder- und Hecktüre nach außen gelangen, so der Konstrukteur.

Ab Tempo 70 zeigen schließlich der rekordverdächtig niedrige CW-Wert und die Aerodynamik Wirkung. Durch Modul-Extras lässt sich der Lorema nach dem Prinzip ,,simple, clever, fun'' zum Cabrio oder Pickup verwandeln. ,,Wir wünschen uns'', sagt Heilmaier in Anspielung auf ein Zitat des bayerischen Wirtschaftsministers Erwin Huber ,,ein Volk von Kleinwagenfahrern''.

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