Winterkorn-Auftritt nach VW-Eklat:Lässiges Plaudern mit der Kanzlerin

Winterkorn-Auftritt nach VW-Eklat: VW-Vorstandschef Martin Winterkorn und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Hannover Messe

VW-Vorstandschef Martin Winterkorn und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Hannover Messe

(Foto: AP)

Nach dem Misstrauensvotum seines Aufsichtsratschefs tritt VW-Boss Martin Winterkorn auf der Hannover Messe erstmals öffentlich auf. Er streichelt ein Auto, spricht mit indischen Auszubildenden und Kanzlerin Merkel. Zur Krise sagt er: nichts.

Reportage von Elisabeth Dostert, Hannover

Martin Winterkorn ist früh dran. 15 Minuten bevor Kanzlerin Angela Merkel auf ihrem traditionellen Rundgang auf der Hannover Messe bei Volkswagen haltmacht, betritt Konzernchef Winterkorn die Bühne. 15 Minuten sind viel Zeit im Terminplan eines Managers. Noch auf dem Weg zur Bühne hat er an diesem Montagvormittag seinen Text studiert. Einen Text, den er längst auswendig wissen dürfte, so lange wie er Volkswagen geführt hat. Jedes Wort soll richtig sitzen.

Winterkorn steuert auf die beiden jungen Männer in hellgrauen Arbeitsanzügen zu, die neben dem weißen Wagen vom Modell VW Vento stehen. Er fragt nach ihren Namen. Es sind Rajeev Mishra und Suraj Shinde, zwei indische Auszubildende. Winterkorn ist Perfektionist, er will wie immer gut vorbereitet sein. Er plaudert, er lacht. Er dreht sich lange nicht um.

Hinter seinem Rücken lauern Journalisten. Winterkorn hält Abstand, mehr als nötig. Er bewegt sich außerhalb jeder Ruf- und Hörweite. Alle warten auf ein Wort des VW-Chefs. Sagt er etwas, sagt er nichts zur neuen "Distanz", die zwischen ihm und Firmenpatriarch Ferdinand Piëch seit neuestem herrscht.

Winterkorn läuft um den Vento herum, streichelt fast liebevoll über das Dach. Er öffnet die Vordertür und schaut hinein. Er schließt sie und öffnet sie wieder, um sie noch einmal ins Schloss fallen zu lassen. Er öffnet die Hintertür, schließt sie, als könne er am Geräusch die Qualität der Verarbeitung erkennen. Er lacht. Autos und Technik machen dem Ingenieur Freude. Er muss sich beschäftigen.

Nun, da seine Lernkarten weg sind, weiß er nicht mehr wohin mit seinen Händen. Er verschränkt die Arme vor der Brust und der Zweireiher spannt noch etwas mehr über dem Rücken. Er vergräbt mal eine, mal beide Hände in den Hosentaschen.

Einfache Themen in schwierigen Zeiten

15 Minuten sind eine Ewigkeit, wenn man wartet. Dann endlich kommen die Kanzlerin und der indische Premier Narendra Modi. Man begrüßt sich freundlich. Es sei ihm eine große Ehre, sagt Winterkorn. Dann redet er über Volkswagen und Indien. Mit fünf Marken und fünf Werken ist der Autokonzern dort präsent: VW, Škoda, Audi, MAN und Scania. Fünf Marken reichen für einen Riesenmarkt wie Indien. Der Konzern Volkswagen hat viel mehr Marken, vielleicht zu viele. Winterkorn stellt der Kanzlerin Rajeev Mishra und Suraj Shinde vor, die beiden Auszubildenden. "Gestern Abend haben wir lange über die duale Ausbildung gesprochen", sagt Winterkorn. Es gibt auch in solchen für ihn schwierigen Zeiten einfache Themen.

Sonntagabend, nach der offiziellen Eröffnung der Hannover Messe, waren Modi, Merkel und die Konzernchefs gemeinsam beim Abendessen. Auch das hat Tradition. Vermutlich haben sie auch über die Führungskrise bei Volkswagen geredet. Doch über die Personalie Winterkorn dringt am Tag danach nichts nach außen. Über duale Ausbildung haben sie also auf jeden Fall gesprochen. Da gibt es keinen Dissens, sie ist ein Exporterfolg.

Die Kanzlerin plaudert über das Auto. Der Vento sei doch ein Mittelklasse-Wagen in Indien, sagt sie. Und dass das Stufenheck etwas hermacht. In Deutschland hat sich das Modell unter dem Namen Derby versucht, aber es kam bei den deutschen Kunden nicht an. In Indien, sagt einer aus dem VW-Tross, wird der Vento auch gerne als Chauffeur-Limousine gekauft. Das Modell hat die gleiche Plattform wie der Polo, der verkauft sich in beiden Ländern gut. Über Autos redet Winterkorn wirklich gerne.

Er geht zum Kofferraum, will ihn öffnen. Aber es gelingt nicht. Einer der Lehrlinge, Rajeev Mishra, eilt zur Hilfe und zieht einen Hebel im Fahrzeuginneren. Winterkorn und Merkel bewundern den Kofferraum, als sei er der Gipfel der Innovation.

Fünf Minuten, dann sind die Kanzlerin und Premier Modi wieder weg. Winterkorn bleibt noch eine Weile. Er redet mit Mitarbeitern. Er benetzt sich die Lippen mit der Zunge. Noch immer hält er Abstand zu den Journalisten. Sagen will er nichts. Nach ein paar Minuten verlässt er die Bühne über den Seitenausgang. Neue Erkenntnisse zur Führungskrise beim Autogiganten Volkswagen - auf der Hannover Messe gibt es sie nicht.

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