Wiederverwertung:Ärger im Land der Mülltrenner

Lesezeit: 3 min

In Deutschland ist klar geregelt, wann was in welchen Müllbehälter gehört. Und wie zu Paketen gepresster Kunststoff abermals genutzt werden kann. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Von überall pilgern Delegationen nach Deutschland, um den Umgang mit Abfällen zu studieren. Sie ahnen nicht, wie viel Streit das Thema birgt - etwa über die Frage, wem eigentlich die Wertstoffe gehören.

Von Michael Bauchmüller

So eine Revolution will gut vorbereitet sein, und also steht Israels Umweltminister Amir Peretz jetzt in Berlin unter dem Potsdamer Platz. Wenn die Deutschen die Weltmeister im Mülltrennen sind, dann ist hier gewissermaßen die Profimannschaft am Werk. Täglich acht Tonnen Müll aus Läden, Büros und Appartements des Platzes werden hier vom Berliner Entsorger Alba sortiert und abtransportiert - im dritten Tiefgeschoss und für die Außenwelt unsichtbar. Allein in einem Raum wird hier täglich 2,5 Tonnen Bioabfällen die Flüssigkeit entzogen, und so riecht es auch. 2,5 Tonnen an einem Tag - Peretz mag es kaum glauben.

Peretz will lernen. Bis vor Kurzem wurde in Israel so gut wie kein Müll getrennt, meist wird er kurzerhand vergraben. Neuerdings gibt es aber zumindest in jedem siebten Haushalt zwei Mülltonnen, eine für Wertstoffe und eine für den Rest. Bis 2020 soll die Hälfte allen Mülls recycelt werden. "Für unser Land ist das eine wahre Revolution", sagt Peretz. So habe man lernen müssen, dass eine Verpflichtung zur Mülltrennung nicht reicht. "Die Bürger müssen die Sicherheit haben, dass am Ende nicht alles wieder zusammengeworfen wird." Wer aber eine Sortieranlage baue, müsse darauf vertrauen können, dass es auch etwas zu sortieren gibt. "Ein Henne-Ei-Problem", sagt Peretz. In Deutschland sei das ja schon gelöst.

Und wie. Die Eier sind hierzulande längst gelegt; es fehlte nicht viel, und Mülltrennung würde ein eigenes Schulfach. Hennen gibt es auch - aber nicht eine, sondern gleich mehrere. Das Ergebnis ist Streit. Etwa Streit untereinander, wie zuletzt innerhalb der sogenannten dualen Systeme: Sie holen den Verpackungsmüll ab und bekommen dafür aus einem gemeinsamen Topf Geld von jenen Firmen, die Tetrapaks, Pappkartons und Joghurtbecher in die Welt setzen. Doch zuletzt stritten die Firmen darüber, wer welche Mengen entsorgt und somit Anspruch auf welchen Anteil aus dem Topf hat. Vorige Woche erst legten sie den Streit mit Mühe bei. Und dann gibt es noch den Streit zwischen kommunalen und privaten Entsorgern, über die Wertstoffe im Müll. Müsste man ihn Herrn Peretz erklären, dann ginge das am besten mit dem roten, platten Wilson-Football, der am Montagmittag auf einem Fließband vor der Nase des Ministers vorbeifährt. Es ist die zweite Station auf der Mülltour der Israelis, diesmal eine riesenhafte Sortieranlage für Verpackungsmüll vor den Toren Berlins. Acht Kilometer Förderband, 140 000 Tonnen Wertstoffe im Jahr - was die Berliner in die gelbe Tonne werfen, kommt hier irgendwann vorbei.

Hendricks' Vorgänger ist am "Wertstoffgesetz" gescheitert

Nur ist ein Football keine Verpackung. Keiner hat je für ihn eine Abgabe entrichtet. Andererseits lässt sich das Material wiederverwerten, und brennen würde es auch gut, etwa in einer kommunalen Müllverbrennungsanlage. Weshalb nicht nur private Entsorger wie Alba, sondern auch städtische Müllabfuhren Interesse an den Wertstoffen haben - sieben Kilo pro Kopf und Jahr. Schon fordert der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) eine neue Struktur der Wertstoffentsorgung samt unabhängiger Aufsicht. "Die spezifischen Vorteile kämen am besten zur Geltung, wenn die Verantwortung für die Sammlung kommunal ist, während die Verwertung und Sortierung auch privat sein kann", sagt VKU-Chef Hans-Joachim Reck. Private Entsorger wie Alba dagegen wollen auch weiter Teile der Abfälle einsammeln. In Berlin übrigens haben beide Seiten vereinbart, sich die Sache zu teilen. Beispielhaft sei das, findet Alba-Chef Eric Schweitzer.

In der Sortieranlage wird Peretz begleitet von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), und der Minister ahnt nicht, welche Nuss seine Kollegin zu knacken hat. Im Sommer soll der Entwurf für ein "Wertstoffgesetz" stehen, das auch das Eigentum an den Wertstoffen eines platten Footballs juristisch sauber klären soll. Ihr Vorgänger Peter Altmaier war daran gescheitert, aber Hendricks ist zuversichtlich. "Unser Interesse ist, dass die Recycling-Quote weiter steigt. Wir sind schließlich das Umweltministerium." Und für das Henne-Ei-Problem ihres Kollegen hat sie auch noch tröstende Worte parat: "Wenn man die Gerätschaften einmal hat", so sagt sie, "ist es gar nicht mehr so schwierig."

© SZ vom 20.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: