WestLB-Chef Heinz Hilgert:"Wir wollen kein Rosinenpicken"

WestLB-Chef Heinz Hilgert über die Managementfehler der Vergangenheit, steigende Zinsen in der Zukunft - und das Ende der WestLB.

C. Dohmen

Die Chefs der WestLB hatten immer hochtrabende Ziele für das Institut. Mit Heinz Hilgert ist nun eine neue Zeitrechnung bei der Düsseldorfer Landesbank angebrochen: Der 54-Jährige will die Bank zweiteilen und die beiden Teile in andere Landesbanken einbringen. Dies wäre das Ende der WestLB.

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Bank-Chef Heinz Hilgert will die WestLB zweiteilen und die beiden Teile in andere Landesbanken einbringen.

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SZ: Wofür braucht man die WestLB überhaupt?

Heinz Hilgert: Die Frage stellen einige, weil in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht worden sind. Sei es im Kreditgeschäft, sei es bei der Durchführung komplizierter Unternehmens-Transaktionen ohne angemessene Kreditkontrolle - siehe den Fall Boxclever. Sicher, solche Vorgänge muss man nüchtern bei der Bewertung der WestLB berücksichtigen. Außerdem wäre es gut gewesen, früher konsequent die Kosten zu senken - leider haben wir deutlich höhere Produktionskosten als vergleichbare Landesbanken.

Trotz allem, die WestLB hat einige Felder, auf denen sie unbestritten Qualitäten hat. So zählt sie im Kapitalmarktgeschäft zu den führenden Adressen. Oder denken Sie daran: 40 Prozent aller EC-Kartenumsätze laufen über die WestLB. Und nicht zuletzt: Wir bieten den Zugang zur siebtgrößten Volkswirtschaft in Europa: Nordrhein-Westfalen.

SZ: Sprechen Sie noch mit dem zentralen Fondsanbieter der Sparkassen Deka über den Plan, dort das Kapitalmarktgeschäft der WestLB anzudocken?

Hilgert: Ja, die gemeinsamen Ausgangsvoraussetzungen für unsere Gespräche gelten weiter. Deka und WestLB können sich sinnvoll ergänzen. Eine solche Bank würde über eine bestechende Wertschöpfungskette verfügen: Einkauf, Management, Verkauf von Aktiva aller Anlageklassen wie Geld, Renten, Aktien bis zu Immobilien - alles aus einer Hand. Dies macht auch Sinn, weil die Fondsindustrie und das Investmentbanking immer mehr verschmelzen.

SZ: Starke Worte. Gegen die Idee gibt es gleichwohl gehörigen Widerstand im Eigentümerkreis der Deka, die zur Hälfte verschiedenen Landesbanken gehört.

Hilgert: Wenn wir noch nicht weiter sind, dann liegt dies sicher auch an denjenigen, die eine Kombination von Deka mit Teilen der WestLB als Konkurrenten fürchten. Schließlich würde die Deka auf einen Schlag eine umfassende Palette für alle 440 Sparkassen anbieten. Daher respektiere ich die von einigen vorgetragenen Sorgen und Vorbehalte. Ich würde mir allerdings auch ein nachhaltigeres Werben der Anhänger dieser Idee wünschen. Den mit diesem Ansatz verbundenen Einstieg in die Landesbankenkonsolidierung halte ich für unverzichtbar.

SZ: Warum?

Hilgert: Wenn es noch eines Beweises bedürfte, das einige Geschäftsansätze der Landesbanken unhaltbar sind, haben dies die vergangenen Monate gezeigt.

SZ: Deswegen wollen Sie die Bank auflösen, oder haben Sie sich das anders überlegt?

Hilgert: Ich gehe tabulos an die Themen heran. Wenn die EU-Wettbewerbskommissarin, Frau Kroes, die WestLB verstümmeln will, dann halte ich die Zweiteilung der Bank für sinnvoller, damit zwei lebensfähige und lebenswerte Teile der WestLB in anderen Händen Wert stiften können. Und dies gerade auch, um unseren Mitarbeitern Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Nach der Verschmelzung der beiden Teile mit anderen Landesbanken wird es die WestLB in der heutigen Form nicht mehr geben. Mit unserem radikalen Vorschlag stehen wir in der Sparkassenorganisation auf weiter Flur alleine da.

SZ: Aus volkswirtschaftlicher Sicht war die WestLB in den vergangenen Jahren für die Bürger ein Verlustgeschäft.

Hilgert: Da bin ich bei Ihnen - gerade auch wegen der vielfältigen strategischen Fehlleistungen und Managementfehler der Vergangenheit. Deswegen sind wir so radikal in der Lösung.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wann mit einer Entscheidung für die WestLB zu rechnen ist und wieso die Bank die Hilfe des Bundes in Anspruch nehmen will.

"Wir wollen kein Rosinenpicken"

SZ: Würden Sie die Bank auch in noch mehr Teile zerlegen?

Hilgert: Wir wollen eine Zweiteilung, keine Atomisierung, kein Rosinenpicken.

SZ: Das Kapitalmarktgeschäft zur Deka, der Rest zur Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)?

Hilgert: Sie werden verstehen, dass ich zu möglichen Gesprächen nichts sage.

SZ: Was halten Sie von einer Verbindung von LBBW mit BayernLB?

Hilgert: Ich habe da keine anderen Erkenntnisse als die, die Sie auch aus der Presse haben. Da scheint es, als dass beide Seiten wegen der Refinanzierungsprobleme einer solchen Verbindung die Transaktion offensichtlich nicht mehr ganz so intensiv verfolgen.

SZ: Können Sie sich vorstellen, dass die BayernLB im Zuge der Marktbereinigung unter den Landesbanken ebenfalls aufgelöst wird?

Hilgert: Das kann ich nicht beurteilen.

SZ: Wann könnte Bewegung in die Marktbereinigung kommen?

Hilgert: Warten wir doch einmal ab, bis die Bilanzen aller Banken im Februar auf dem Tisch liegen.

SZ: Also fällt keine Entscheidung für die WestLB bis zum Jahresende?

Hilgert: Angesichts der Finanzkrise mit ihren schweren Folgen für alle Banken kann ich mir vorstellen, dass die EU-Kommission bei den Zeitvorgaben für die WestLB elastischer vorgehen wird. Unserer Fünf-Milliarden-Euro-Hilfe aus dem Frühjahr stehen heute Hilfen von mehr als 2500 Milliarden Euro für Banken in ganz Europa gegenüber, da darf man berechtigte Hoffnung auf mehr Zeit für die Lösung der Probleme haben.

SZ: Warum will die WestLB die Eigenkapitalhilfen der Bundesregierung in Anspruch nehmen?

Hilgert: Ich will nicht pessimistisch erscheinen, aber viele machen sich meiner Meinung nach noch Illusionen über die realwirtschaftlichen Folgen dieser Finanzkrise. Daher halte ich es für unternehmerisch verantwortungsvoll, alle Möglichkeiten der Dämpfung von Risiken zu prüfen.

SZ: Einige Experten sagen, Mitte kommenden Jahres sei das Schlimmste überstanden.

Hilgert: Mitte 2009 ist ein langer Prognosezeitraum. Und leider haben sich bisher alle Prognosen, die ein Ende der Krise voraussagten, als falsch dargestellt. Daher bleibe ich skeptisch.

SZ: Was erwarten Sie?

Hilgert: Ausgehend von den Vereinigten Staaten werden wir deutliche rezessive Entwicklungen bekommen, damit ändert sich der Kreditzyklus. Folglich müssen die Banken wegen höherer Ausfallwahrscheinlichkeiten ihre bestehenden Kredite mit mehr Eigenkapital unterlegen. Dies führt zu einem deutlich höheren Eigenkapitalbedarf der Institute. Für diesen Sturm wollen wir die Bank rüsten. Deswegen prüfe ich die Inanspruchnahme der Eigenkapitalhilfen des Bundes.

SZ: Werden die Kredite teurer?

Hilgert: Man kann den Bankern zu Recht zwei Vorwürfe machen: ihre phantastische Ratinggläubigkeit und die unzureichenden Preise für Kredite. Das ist jetzt vorbei. Die Kreditpreise werden steigen.

SZ: Haben Banken mit Garantien des Bundes einen Wettbewerbsvorteil?

Hilgert: Wir werden einen differenzierten Markt für Bankschuldverschreibungen bekommen. Wer nicht unter den Schirm geht, wird weiterhin kaum Bankschuldverschreibungen ausgeben können. Diejenigen, die unter den Schirm gehen, werden es einfacher haben. Das ist der Kickstart, den wir in Europa brauchen. Den werden nur die Banken nutzen können, die unter den Schirm gehen. Die anderen Banken sind hoffentlich so gut durchfinanziert, dass sie es nicht brauchen, da kenne ich wenige. Oder sie hoffen, dass sich die Banken schon möglichst bald wieder im normalen Umfang Geld leihen werden

SZ: Sie selbst oder die anderen Vorstände der WestLB hätten kein Problem mit den vorgeschriebenen Gehaltskürzungen, falls die Bank die Eigenkapitalhilfen des Bundes in Anspruch nehmen würde?

Hilgert: Jeder wird zu seiner Verantwortung stehen müssen.

SZ: Ändern Sie die Bonusregelung ihrer Investmentbanker?

Hilgert: Wir werden die Regeln überarbeiten und dabei für mehr Transparenz, Risikoangemessenheit und Nachhaltigkeit in den Bonusmodellen sorgen. Auch dies ist Aufgabe eines sorgfältigen Kaufmanns.

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