Wert-Papiere:Frauen, Fußball und Autos

Früher wurden Aktien auf feinem Bütten gedruckt und oft aufwendig gestaltet. Heute ist das selten geworden - vereinzelt gibt es solche Stücke aber noch.

Von Felicitas Wilke

Zwei anmutige Frauen in festlichen Gewändern bewachen das Wertpapier. Die eine blickt in ein Gesangbuch, die andere hält eine Harfe in der Hand. Daneben sind ein alter Schallplattenspieler und Schellackplatten abgebildet.

Die Aktie des französischen Grammofon-Herstellers CIP ist 111 Jahre alt und schon lange kein gültiger Anteilsschein mehr. Einen Wert hat sie trotzdem noch - für Sammler: 385 Euro kostet die Aktie im Online-Shop von Jörg Benecke. Er handelt mit historischen Wertpapieren. "Besonders beliebt sind bei den Sammlern seltene, alte und besonders dekorative Aktien", sagt er. Die Preisspanne seiner Wertpapiere reicht von einem bis 100 000 Euro. Eines haben sie meist aber gemein: Sie sind sogenannte Nonvaleurs, also keine gültigen Anteile an Unternehmen mehr.

Wenn Anleger heute Aktien von börsennotierten Firmen kaufen, hängen sie sich ihr Exemplar kaum noch über den Schreibtisch oder in die heimische Werkstatt. Gültige Aktien in Papierform, sogenannte effektive Stücke, gibt es immer seltener. Ganz verschwunden sind sie allerdings nicht. Die meisten Wertpapiere im Wortsinn lagern in den Tresorräumen von Clearstream, einem Tochterunternehmen der Deutschen Börse. "Ein paar Millionen effektive Stücke verwahren wir noch, aber die Zahl geht seit Jahren schrittweise zurück", sagt Martina Gruber, Vorstandsmitglied bei Clearstream.

Bis in die Neunzigerjahre waren Aktien in Papierform noch gängig. Wer Anteile eines Unternehmens orderte, konnte neben dem Buchwert auch die passenden effektiven Stücke einfordern. Doch schon 1994 hielt die Digitalisierung im Aktiengeschäft Einzug, und der rechtliche Anspruch, sich sein Wertpapier ins Wohnzimmer hängen zu können, verschwand. Trotzdem geben Gruber zufolge auch heute noch die meisten Dax-Unternehmen effektive Stücke heraus - es sind nur deutlich weniger als früher. In der Regel seien es Sammler, die sich noch Aktien aus Papier zulegten. Wertpapiere von Automobilherstellern wie Porsche oder von Fußballvereinen wie Borussia Dortmund sind zudem beliebte Geschenke.

Allerdings geben sich die wenigsten Unternehmen heute noch die Mühe, ihre Aktien besonders schön zu gestalten. Das liegt an der geringeren Nachfrage, aber vermutlich auch daran, dass es für die beteiligten Unternehmen aufwendig ist, effektive Stücke anzubieten. "Der Prozess ist teuer", sagt Gruber. Es geht nicht nur ins Geld, die Aktien aus Papier zu gestalten und zu drucken.

Vor allem ist es teuer, sie zu lagern. Denn die Papiere brauchen Platz, sie müssen versichert und zur Bankfiliale transportiert werden. Den Aufwand tragen die beteiligten Unternehmen, den Preis dafür zahlen am Ende die Kunden. Die Kosten liegen pro effektives Stück bei ungefähr 30 Euro, heißt es bei der Commerzbank. Transaktionsgebühren, die beim Aktienkauf ohnehin anfallen, kommen dann noch hinzu.

Aktienhändler Benecke kennt die hohen Kosten für effektive Stücke und nutzt sie für sein Geschäft. Zwar verkauft er vor allem Nonvaleurs, vereinzelt bietet er aber auch besonders beliebte gültige Wertpapiere an. Weil er sie in größeren Mengen bezieht als einzelne Sammler, zahlt er nur einmal für die Lieferung und kann sie günstiger weiterverkaufen. Unter den effektiven Stücken gibt es bei Benecke einen klaren Verkaufsschlager: Die Aktie kostet 49 Euro, ist mit einer Herzchen-Borte geschmückt und bildet drei Frauen ab. Sie haben allerdings deutlich weniger an als die Damen auf der historischen Grammofon-Aktie. Schließlich handelt es sich um den Anteilsschein von Beate Uhse.

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