Werner Müller:Der Strippen-Mann

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Werner Müller ist großer Fan von Borussia Dortmund. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Er war Wirtschaftsminister unter Gerhard Schröder und zuletzt Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung und Aufsichtsrat bei Evonik. Er organisierte den Kohleausstieg im Ruhrgebiet. Jetzt wurde bekannt: Werner Müller zieht sich aus allen Ämtern zurück.

Von Caspar Busse, Benedikt Müller

"Ich saß um elf Uhr zu Hause in Mülheim im Bademantel, als Schröder anrief", erzählte Werner Müller, 71, vor wenigen Monaten der Süddeutschen Zeitung. "Du musst um eins in Bonn sein", habe Gerhard Schröder ihm gesagt, und mit Nachdruck angefügt: "Du bist um eins da. Und zieh' dir einen Anzug an!" Auf der Fahrt hörte Müller dann im Radio vor dem Verkehrsfunk, dass Jost Stollmann verzichtete und Werner Müller neuer Wirtschaftsminister werde. Er machte mit: "Ich konnte kaum zulassen, dass Schröder an einem Tag gleich zwei Wirtschaftsminister verliert."

Müller ging als Parteiloser von 1998 bis 2002 ins Kabinett von Gerhard Schröder und wurde danach so etwas wie die graue Eminenz der Wirtschaft an der Ruhr. Der bisweilen knorrig wirkende Mann aus Essen, der in Niedersachsen aufwuchs, zog die Strippen und hatte besten Beziehungen. An diesem Mittwoch nun kündigte Müller überraschend an, dass er alle seine Ämter Ende Mai niederlegen werde, darunter vor allem seine Aufgabe als Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung und seine Mandate in den Aufsichtsräten der Evonik Industries AG, der RAG AG und der Deutsche Steinkohle AG. "Meine schwere Erkrankung erlaubt es mir leider nicht mehr, meinen Verpflichtungen in der Stiftung und in den Aufsichtsräten weiter nachzukommen", teilte Müller mit.

Das Kuratorium der Ruhrkohle-Stiftung will bei seiner nächsten Sitzung Anfang Mai nun Bernd Tönjes zum Nachfolger als neuer Vorstandsvorsitzender wählen. Darauf haben sich Vertreter der Bundesregierung, der Landespolitik und der Gewerkschaft IG BCE geeinigt. Tönjes ist seit zehn Jahren Chef der Ruhrkohle AG, also der operativen Gesellschaft, er stehe für "Stabilität und Kontinuität". Der Bergbau-Ingenieur hat damit beste Chancen, Müller auch als Aufsichtsratschef von Evonik nachzufolgen.

Müller, der vor seiner Zeit als Politiker lange in der Energie-Branche arbeitete, hat Großes geleistet: Er organisierte den Ausstieg aus dem Steinkohle-Bergbau im Ruhrgebiet. Als Chef der Ruhrkohle AG gliederte Müller die Industriegeschäfte der RAG in den mittlerweile börsennotierten Spezialchemie-Konzern Evonik aus, der nun zu 68 Prozent der RAG-Stiftung gehört. Mit den Dividenden dieses Unternehmens finanziert die milliardenschwere Stiftung nun die Ewigkeitslasten des Steinkohle-Bergbaus, sodass die öffentliche Hand nicht für die Folgekosten der Steinkohle-Verstromung aufkommen muss. In diesem Jahr 2018 soll die letzte Steinkohlezeche schließen.

Zudem unterstützt die RAG-Stiftung den Strukturwandel im Ruhrgebiet. Müller, auch stellvertretender Vorsitzender bei Borussia Dortmund sowie Liebhaber klassischer Musik und guten Rotweins, amtierte selbst bis 2008 als Evonik-Chef. Heute ist dort Christian Kullmann, sein damaliger Kommunikationschef, Vorstandsvorsitzender. Sein Verhältnis zu Chefaufseher Müller ist noch immer eng. "Wenn man sich gut kennt, dann kann man sich die Dinge direkt und unverblümt auf die Zwölf zusagen", sagte Kullmann mal. Künftig muss er nun mit einem neuen Aufsichtsratschef auskommen, also voraussichtlich auch Tönjes.

Im Interview hatte Müller übrigens auch sein Rezept für den Erfolg verraten: "Es gibt eine einfache Regel: Du musst am Ende mehr Freunde als Feinde haben. Und die Freunde müssen einflussreicher sein." Ein guter Tipp - für alle seine Nachfolger.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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