Werkverträge:Entfremdete Belegschaft

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Ob im Hotelgewerbe, in Kliniken oder anderen Branchen: Unternehmen vergeben verstärkt Arbeiten über Werkverträge, um Kosten zu senken. (Foto: imago)

Die Gewerkschaften beklagen den Missbrauch von Werkverträgen, doch die Reform von Arbeitsministerin Nahles kommt nicht vorwärts.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Patienten, die heute in ein Krankenhaus müssen, merken oft nicht, dass sie sich in die Obhut verschiedenster Firmen und Honorarkräfte begeben. Für den Empfang kann eine eigene GmbH zuständig sein, genauso wie fürs Reinigen des Operationsbestecks, die Versorgung mit Essen oder Hin- und Herbringen von Patienten zum Röntgen oder zur OP. "Private Klinikkonzerne zerstückeln die Krankenhausbelegschaften zur Gewinnmaximierung", beklagte kürzlich die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf ihrer Krankenhaustagung in Leipzig.

Bereits heute seien im Durchschnitt 20 Prozent der Belegschaft ausgelagert, oft zu deutlich schlechteren Konditionen als das Stammpersonal. Häufig handele es sich dabei um Beschäftigte mit Werkverträgen, die in den Krankenhausablauf nicht eingebunden sein dürfen. Die Folgen spürten auch die Patienten. "Bei der Essensverteilung wird ein sich verschlechternder Gesundheitszustand eines Patienten von der externen Kraft nicht bemerkt. Sie darf sich gar nicht um den Patienten kümmern", heißt es etwa in einer Resolution von Verdi-Vertretern aus Krankenhäusern.

Nun gibt es Werkverträge, bei denen Selbständige oder Werkvertragsarbeitnehmer ein "Werk" bei einem Auftraggeber abliefern, schon seit weit mehr als 100 Jahren. Der Maler, der zum Wände streichen kommt, der IT-Spezialist, der die Computer-Anlagen für andere Firmen wartet, Wachmänner von Fremdfirmen, die fürs Aufpassen engagiert werden, sind ganz normal im Wirtschaftsleben. Dagegen haben die Gewerkschaften auch nichts. Was DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach aber umtreibt, ist der Missbrauch, um Lohnkosten drücken, Betriebsräte loswerden oder Stammarbeitskräfte ersetzen zu können. Dies gebe es nicht nur im Gesundheitssektor, sondern auch bei anderen Dienstleistungen wie bei Zimmermädchen in Luxushotels, in der Nahrungsmittelindustrie oder in der Metallbranche.

Amtliche Zahlen gibt es darüber nicht. Befragungen von Betriebsräten der IG Metall und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie deuten aber darauf hin, dass Unternehmen verstärkt Arbeiten über Werkverträge fremdvergeben und diese für Kostensenkungen missbrauchen. Dass es dies gibt, wird von den Arbeitgeberverbänden gar nicht bestritten. Sie sprechen hier aber von "Einzelfällen" und "schwarzen Schafen".

So wehrt sich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nach wie vor strikt gegen die geplante Regulierung von Werkverträgen und der Leiharbeit. In dem neuen Gesetz soll es unter anderem einen Katalog von acht Kriterien geben, um ordentliche Werkverträge von Scheinselbständigkeit oder Leiharbeit abzugrenzen. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will damit Rechtssicherheit schaffen und den Missbrauch bekämpfen. Für Kramer bewirkt dies das Gegenteil. Damit komme zum Beispiel das Handwerk "in den Geruch, keine seriösen Werkvertragsunternehmen mehr zu sein". Er ist deshalb fest davon überzeugt, dass das Gesetz so nicht in Kraft treten wird.

"Dies führt schon jetzt zu einer Entsolidarisierung."

Sicher ist: Nach dem Proteststurm der Wirtschaft, der Kritik in der Union und vor allem in der CSU ist die Umsetzung ins Stocken geraten. Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Entwurf anders als ursprünglich angedacht in diesem Monat ins Kabinett kommt. Geplant ist nun ein weiteres Spitzentreffen mit den Sozialpartnern. Außerdem wird Nahles versuchen, an der einen oder anderen Stelle mögliche Unklarheiten zu beseitigen und den Arbeitgebern so entgegen zu kommen. Dabei wird sie von der Kanzlerin unterstützt, die das Gesetzeswerk noch in der ersten Jahreshälfte auf den Weg bringen will. Einen Bundestagswahlkampf, in dem ihr wieder fragwürdige Werkverträge vorgehalten werden, will Angela Merkel auf jeden Fall vermeiden.

Kramer hält einen Minimalkonsens für möglich. Damit könne die Wirtschaft dann leben, sagt er. Die Gewerkschaften hätten sich so oder so viel mehr gewünscht. Sie fordern zum Beispiel bei den Werkverträgen mehr Mitbestimmungsrechte und eine Beweislastumkehr. Dann müssten die Arbeitgeber bei Verdacht auf Missbrauch nachweisen, dass bei ihren Verträgen alles in Ordnung ist. Im Entwurf ist aber nur vorgesehen, dass die Betriebsräte über die Zahl der Werkvertragsarbeitnehmer zu informieren sind. An den getrennten Belegschaften werde sich so nichts ändern, sagt ein Betriebsratschef eines Krankenhauskonzerns. "Dies führt schon jetzt zu einer Entsolidarisierung der Belegschaft."

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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