Werften:Macrons Seeschlacht

Werften: Frankreich und Italien streiten gerade um die Werft von STX an der französischen Westküste.

Frankreich und Italien streiten gerade um die Werft von STX an der französischen Westküste.

(Foto: AFP)

Um den Kauf durch einen italienischen Investor zu verhindern, verstaatlicht Frankreichs Präsident kurzerhand eine Werft am Atlantik.

Von Leo Klimm, Paris

Für die Franzosen ist die Werft ein "industrielles Prunkstück". Berühmte Schiffe wie die Queen Mary 2 oder die Harmony of the Seas, der weltweit größte Kreuzfahrtdampfer, wurden bei STX France in der Atlantikstadt Saint-Nazaire gebaut. Das Geschäft läuft, das Auftragsbuch ist für die nächsten zehn Jahre voll.

Für solch ein französisches Prunkstück ist Emmanuel Macron schon mal bereit, ein ziemliches Drama aufzuführen - und einen wichtigen europäischen Partner zu brüskieren: Der Staatspräsident stoppt im letzten Moment die unter seinem Vorgänger François Hollande vereinbarte Übernahme von STX France durch den italienischen Konkurrenten Fincantieri. Am Donnerstag ließ Macron seinen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire die Verstaatlichung von STX France verkünden. "Wir haben entschieden, das Vorkaufrecht des Staates auszuüben", so Le Maire.

Seit Tagen tobt die "Seeschlacht" um STX France, wie französische Medien es nennen, und sie belastet die Beziehungen zu Rom deutlich. Italiens Regierung sieht "keinerlei Grund", warum das staatlich kontrollierte Unternehmen Fincantieri plötzlich von dem Plan abrücken sollte, die Mehrheit an STX France zu erwerben. Zumal, wie in Rom mit Bitterkeit angemerkt wird, Konzerne aus Frankreich seit Jahren offensiv - teils feindlich - italienische Firmen aufkaufen, die in französischer Diktion als Prunkstücke gälten. Darunter Bulgari, Gucci, Parmalat oder Telecom Italia.

Die Tragweite von Macrons erster wichtiger industriepolitischer Entscheidung reicht aber noch über den Affront gegen Italien hinaus. Der neue Staatschef offenbart auch einen erheblichen Pragmatismus in seiner wirtschaftspolitischen Linie: Der vermeintlich liberale Macron mag einerseits gerade über den Verkauf französischer Firmenbeteiligungen nachdenken, um den Staatshaushalt aufzubessern. Andererseits schreckt er jetzt nicht vor der Verstaatlichung der Atlantikwerft zurück. Sieht er strategische Interessen seines Landes gefährdet, steht der junge Präsident ganz in der alten, protektionistischen Tradition Frankreichs, die in den vergangenen Jahren in Paris eigentlich nur mehr von linken und rechten Souveränisten vertreten wurde.

Dabei sprechen sich bei STX France sogar die Gewerkschaften mehrheitlich gegen die Verstaatlichung aus - und für den Einstieg des industriellen Investors aus Italien. Nur ein Teil der Arbeitnehmervertreter argwöhnt, dass Teile der Aufträge von STX France nach Triest zu Fincantieri abgezogen werden könnten. So befürchtet die Gewerkschaft Force Ouvrière, dass unter Regie von Fincantieri spätestens in der nächsten Werftenkrise Know-how und zumindest ein Teil der 7600 Arbeitsplätze nach Italien verlagert würden. Das Fincantieri-Management bestreitet solche Hintergedanken natürlich.

Dafür pochen die Italiener darauf, die Kontrolle über das Kapital und die Führung der Großwerft in Westfrankreich zu übernehmen. Schließlich gehörte die Mehrheit daran bisher schon Ausländern: Nur, weil der südkoreanische STX-Mutterkonzern pleiteging und sein französisches Prunkstück verkaufen musste, sollten die Italiener überhaupt zum Zug kommen. Warum ihnen nun weniger vertraut wird als den Asiaten, verstehen sie nicht. "Wir können nicht hinnehmen, schlechter behandelt zu werden als die Koreaner", sagt der Fincantieri-Chef.

In Macrons Umfeld und im Pariser Wirtschaftsministerium werden - jenseits des Erhalts von Arbeitsplätzen - militärische Interessen zur Begründung für das Veto angeführt. Denn bei STX werden nicht nur Kreuzfahrtschiffe gebaut. Die Werft ist auch die einzige in Frankreich, die für Flugzeugträger geeignet ist. Wirtschaftsminister Le Maire hatte der italienischen Regierung diese Woche daher das seines Erachtens "ehrliche Angebot" unterbreitet, dass sich ein von Fincantieri angeführtes Konsortium auf 50 Prozent der STX-Anteile beschränken solle. Die andere Hälfte der Anteile sollten von Frankreich kontrollierte Aktionäre halten. Dazu bot Le Maire eine verstärkte bilaterale Kooperation im militärischen Schiffsbau an. Die Italiener lehnten das Angebot ab.

Also ziehen Macron und Le Maire nun - einen Tag vor Ablauf der entscheidenden Frist - ihr Vorkaufrecht bei STX. Der Staat, der schon ein Drittel der Anteile an der Werft besitzt, stockt auf 100 Prozent auf.

Le Maire versichert, die Verstaatlichung solle nur vorübergehend sein. Es gehe eigentlich darum, Zeit zu gewinnen, um weiterzuverhandeln. Schon nächste Woche will der Minister in Macrons Auftrag nach Rom reisen, um auszuloten, ob noch eine Einigung mit den "italienischen Freunden" möglich ist. Zu französischen Bedingungen, versteht sich. Das bedeutet: Keine Mehrheit für die Italiener. Ob die sich darauf doch einlassen, werden Le Maire und Macron schnell wissen. Und auch, ob sie noch ihre Freunde sind.

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