Werbung:"Abzocke bleibt Abzocke"

Trotz aufwändiger Markenkampagnen: Das Image der Stromunternehmen ist so schlecht wie nie. Aus der aktuellen W&V

Martin Jahrfeld

Der Riese gibt sich selbstbewusst. Als die spanische Regierung gegen die Übernahme des Energiekonzerns Endesa durch e.on ihren Widerstand ankündigte, zeigte sich das Management in Düsseldorf wenig beeindruckt: "Wir sind fest entschlossen, diese Übernahme zu realisieren", so Vorstandschef Wulf Bernotat auf der Bilanzkonferenz des Strom-Giganten.

Image-werbung

"Kein erkennbarer Nutzen:" Beispiel für Image-Werbung eines Energiekonzerns.

Am nötigen Kleingeld dürfte der Deal nicht scheitern. e.on hatte zuletzt prächtig verdient. Im zurückliegenden Geschäftsjahr stieg der Umsatz um 21 Prozent auf 56 Milliarden Euro - für Bernotat Anlass, von einem "wirtschaftlich kerngesunden" Unternehmen mit "langem Atem" zu sprechen.

Privaten und gewerblichen Stromkunden, denen 2005 eine weitere Tariferhöhung ins Haus flatterte, dürfte der Atem allerdings eher stocken. Die Expansionsgelüste des Stromkonzerns passen allzu genau in ein Branchen-Image, das auch ohne solche Meldungen bereits mies genug ist.

Denn Deutschlands Strom-Oligopol aus e.on, RWE, Vattenfall und EnBW produziert Negativschlagzeilen inzwischen nahezu im Wochentakt.

Angesichts einer komfortablen Position im deutschen Strommarkt, drastischen Preiserhöhungen bei gleichzeitigen Rekordgewinnen, Begünstigungen für Politiker (RWE-Aufsichtsratsposten für Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement) oder miserablem Krisenmanagement (Versorgungskrise Ende 2005 im Münsterland) sehen viele Bürger in den Konzernen nur noch eins: mächtige Abzocker.

Laut einer Befragung der Nürnberger Markenberatung Brand Trust sind rund 73 Prozent der Verbraucher davon überzeugt, dass die Stromanbieter die Preise bewusst in die Höhe treiben.

Die negative Reputation der Branche steht in krassem Widerspruch zu ihren hohen Werbeinvestitionen. Die Einführung des Namens e.on und der EnBW-Marke Yello oder auch die RWE-Kampagne "Imagine" erreichte die Werbebranche einst als Geldregen, an den sich Anzeigenleiter und Agenturchefs mit nostalgischer Verzückung erinnern.

Nach Schätzungen soll etwa e.on seit 1998, also der Liberalisierung des Strommarkts, zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro Werbegelder investiert haben. Nach Angaben von Nielsen Media Research, Hamburg, investierte EnBW zwischen 2001 und 2005 rund 35 Millionen Euro, RWE etwa 52 Millionen und Vattenfall 47 Millionen in klassische Kommunikation.

Kein erkennbarer Nutzen für Verbraucher

Aus heutiger Perspektive erscheinen solche Engagements jedoch als fragwürdige Materialschlachten. Bei den Adressaten hinterlassen sie in der Regel nur noch verbrannte Erde. Die Gleichzeitigkeit von hohen Bilanzgewinnen und starker Markenpräsenz erzeugt bei den Verbrauchern das Gefühl, sie bezahlten mit der nächsten Preiserhöhung auch die Kampagnen ihrer Versorger.

"Die Markenwerbung der vergangenen Jahre war absolut kontraproduktiv, weil sie für die Verbraucher keinen nachvollziehbaren Nutzen bot", glaubt Klaus-Dieter Koch, Inhaber von Brand Trust. Klaus Brandmeyer, Senior Partner der gleichnamigen Markenberatung in Hamburg, sieht das ähnlich: "Die Marken der Stromkonzerne sind inhaltlich völlig leer. Statt künstlich zu emotionalisieren, sollten die Konzerne Argumente bieten, mit denen sie ihre Redlichkeit unter Beweis stellen können."

Davon jedoch kann acht Jahre nach der Liberalisierung keine Rede sein. Yello beispielsweise setzt weiterhin auf Kampagnen, die das Negativ-Image der Branche ausblenden: Die Commercials mit dem Yello-Team, einer von Franz Beckenbauer trainierten Hobby-Kicker-Truppe, sollen laut Yello-Chef Martin Vesper "die pure Freude am Kicken verkörpern und beim Zuschauer die Vorfreude auf die WM wecken".

Warum auch über Energiepolitik sprechen, wenn man sich Kaiser Franz als Testimonial leisten kann? Auch mit den jüngsten Preiserhöhungen zeigt die Branche, dass sie keine Gelegenheit auslässt, ihr schlechtes Image zu zementieren: "Wenn ein Unternehmen wie e.on auf seiner Bilanz-Pressekonferenz Rekordgewinne meldet und am nächsten Tag die Preise erhöht, kann man das eigentlich nur als Kommunikations-GAU bezeichnen", wundert sich Holger Krawinkel, Fachbereichsleiter beim Bundesverband Verbraucherschutz.

Gleichwohl spricht einiges dafür, dass die Stromkonzerne mit anderen Markenstrategien ihr Image verbessern könnten. "Die Aufregung über die Preiserhöhungen wäre nur halb so groß, wenn die Stromversorger in ihrer Werbung nicht so cool und abgehoben wären, sondern in ihrer Kommunikation überzeugend auf die Sorgen der Verbraucher eingehen würden", glaubt Georg Stark, Markenpsychologe und Leiter des Kölner Steinweg-Instituts. Unmöglich scheint das nicht.

Dass es beim Thema Energiewerbung auch anders geht, demonstriert die Mineralölindustrie mit wachsendem Erfolg. Unternehmen wie Shell oder BP, die in den neunziger Jahren aufgrund von Umweltvergehen ebenfalls in der Kritik standen, haben ihr Image seitdem stetig verbessert. Die aktuelle BP-Kampagne, die Investitionen in doppelwandige Tanker thematisiert, deutet die Richtung an.

Die Stromindustrie scheint von solchen Ambitionen weit entfernt. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall, der im Jahr 2005 die Berliner Bewag und die Hamburger Elektrizitätswerke (HEW) übernahm, kommunizierte seinen Markteintritt mit einer aufwändigen Kampagne (Lead-Agentur DDB, Berlin), die primär die Umbenennung der Firmennamen thematisierte, inhaltlichen Positionen aber kaum Raum bot.

Mit Claims wie "Berlin bleibt Berlin. Nur Bewag heißt jetzt Vattenfall" sollte Kontinuität signalisiert werden - eine Botschaft, die spätestens mit einer Anfang 2006 verkündeten Preiserhöhung wieder ad absurdum geführt wurde.

In Berlin ist der Claim seitdem Gegenstand parodistischer Graffitis ("Abzocke bleibt Abzocke") und hämischer Pressekommentare ("Preiserhöhung heißt jetzt Vattenfall").

Vattenfall-Sprecher Steffen Herrmann sieht sein Unternehmen hingegen auf bestem Wege. "Unser Ziel war es, den Markenwechsel zu kommunizieren. Das ist gelungen." Den Vorwurf, die Kampagne sei nichtssagend, hält er für ungerechtfertigt. Vielmehr habe man auf diese Weise wichtige Anliegen wie Versorgungssicherheit und gesellschaftliches Engagement kommuniziert.

Beim Thema Preispolitik sieht Herrmann ebenfalls wenig Anlass zur Kurskorrektur: Die Markterfordernisse hätten das Unternehmen zu Preiserhöhungen gezwungen.

Hinweise auf "Markterfordernisse", "komplexe Preisbildungsprozesse" oder "gestiegene Beschaffungskosten" sind beliebte Nebelkerzen, mit denen die Konzerne Preiserhöhungen plausibel zu machen versuchen.

Auch beim Verweis auf die Wettbewerbsstrukturen des Markts bedienen sich die Konzerne gern suggestiver Argumente: "Yello hat 2005 mit zwei großen Kampagnen wieder ein Stück Aufklärung rund um das Thema Wettbewerb im liberalisierten Strommarkt beigetragen - dass es nämlich beim Strom für die Verbraucher ein Wahlrecht gibt", beteuert Geschäftsführer Vesper.

Tatsächlich kann kaum eine Branche in Deutschland ihre Preise so frei bestimmen wie die Stromwirtschaft. Weil die Konzerne gleichzeitig Erzeuger und Netzbetreiber sind, herrscht auf dem Markt kaum Konkurrenz. Die Tarife liegen folglich europaweit in der Spitzengruppe.

Eine gewisse Besorgnis um das Bild in der Öffentlichkeit offenbart immerhin eine aktuelle e.on-Kampagne. Anzeigen nehmen Bezug auf Themen wie Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit. Hinsichtlich vergangener Kampagnen werden gar Selbstzweifel laut.

Die Emotionalisierung der Marke sei von den Verbrauchern nicht immer verstanden worden, so ein Sprecher, der nicht namentlich zitiert werden will. Weil es bei e.on künftig weniger um Gefühle als um "Markeninhalte" gehen soll, will sich der Konzern aus allzu plakativen Engagements zurückziehen.

Beim Sportsponsoring präsentierte er sich deshalb künftig nicht mehr bei Borussia Dortmund, sondern in kleinerem Rahmen während der Olympischen Winterspiele.

Verbraucherschützer Krawinkel erwartet von solchen Korrekturen nicht viel. Glaubwürdiges Marketing sei erst bei realem Wettbewerb möglich. "Unter den jetzigen Bedingungen sind die Unternehmen nicht sehr auf Kommunikation angewiesen", meint Krawinkel. Was sich aber ändern kann. Und dann könnte die bisherige Kommunikation ein folgenschwerer Fehler sein.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: