Werber Economides zur Marke des Landes:"Griechenland ist mehr als Sonne und Souvlaki"

Vom Geburtsort der Demokratie zum Pleitestaat: Der griechische Werber Peter Economides über die Imageprobleme seiner Landsleute, Konsumgier und die dunkle Seite von Alexis Sorbas.

Jannis Brühl

Staaten sind Produkte, die man nur ordentlich vermarkten muss - sagen zumindest die Vertreter des Nation Branding. Und wenn ein Staat derzeit Imagepflege nötig hat, ist es Griechenland. Das überschuldete Land beschäftigt ganz Europa, seine Bürger gehen gegen den Sparkurs auf die Straße - und müssen sich von ausländischen Boulevardmedien dafür verhöhnen lassen. Peter Economides lebte als Kind griechischer Auswanderer in Südafrika, Hongkong und Mexiko. Er arbeitete für Pepsi sowie die großen Werbeagenturen McCann Erickson und TBWA. Anfang der neunziger Jahre entwickelte er die griechische Tourismuskampagne "Chosen by the gods". Heute betreibt der 58-Jährige seine eigene Agentur in Athen.

QUINN KEDROVA

"Vielleicht ein kleiner Betrüger": Anthony Quinn als Alexis Sorbas in dem gleichnamigen Film von 1964, mit Lilja Kedrowa als Madame Hortense. Beide waren für Oscars nominiert, Kedrowa gewann einen - im Gegensatz zu Quinn.

(Foto: AP)

sueddeutsche.de: Herr Economides, Griechenland war einst Sehnsuchtsort der Deutschen. Mittlerweile gilt es als Pleitestaat. Aus der Sicht des Werbers: Wie steht es um Griechenlands Image?

Economides: Jedes Land hat eine Marke - bewusst oder unbewusst. Griechenlands Marke ist derzeit die dunkle Seite von Alexis Sorbas, der Filmfigur, die Anthony Quinn 1964 verkörperte. Der freigeistige Charakter wusste, wie man lebt, wie man liebt. Aber er hat sich als etwas faul herausgestellt, vielleicht als kleiner Betrüger. Das wird verstärkt durch Erfahrungen, die viele Deutsche und andere Europäer schon einmal auf den griechischen Inseln gemacht haben: Jeder hat seinen Sorbas, der ihm vielleicht etwas zu viel Geld für dies und das berechnet hat. Das war immer lustig, Teil des joie de vivre dieses Landes, aber heute nimmt dieser Sorbas zu viel Platz in der Marke Griechenland ein.

sueddeutsche.de: Wann hat die Marke Griechenland Schaden genommen?

Economides: In den Köpfen der Menschen hängt das Bild eines Landes daran, wie sich eine Gesellschaft verhält. In den frühen achtziger Jahren hat Premierminister Andreas Papandreou das Verhalten der griechischen Gesellschaft geprägt: das Sorbas-Syndrom, der aufgeblasene griechische Staatssektor, das wilde Konsumverhalten. Die Ironie: Jetzt bezahlt sein Sohn Giorgos Papandreou als Premier für die Sünden des Vaters.

sueddeutsche.de: Was tut die griechische Regierung, um das Image zu verbessern?

Economides: Es wird zumindest viel darüber geredet, ich selbst habe das Tourismusministerium gedrängt, zu handeln. Seit etwa einem Jahr gibt es eine Social-Media-Imagekampagne, zum Beispiel auf Youtube. Von der bekommt man aber nichts mit.

sueddeutsche.de: Welche Rolle spielen ausländische Medien für das Image Griechenlands?

Economides: Sie reflektieren immer die Stimmung in einer Gesellschaft. Leider haben ausländische Medien viele negative Vorstellungen von Griechenland verstärkt. Ich erinnere mich noch an das Focus-Cover: die Statue mit dem ausgestreckten Mittelfinger. Als Person bin ich explodiert vor Lachen, als Grieche habe ich mich ein bisschen geschämt.

sueddeutsche.de: Wie muss sich die Marke Griechenland verändern?

Economides: Jede Marke hat ihre DNS. Unser Land hat eine unglaublich reichhaltige DNS: Es geht nicht nur um Strände, Meer und Souvlaki. Es geht um Mythologie, um den Geburtsort der Demokratie. Aber das heißt nicht, dass wir uns nur mit der Vergangenheit beschäftigen sollen. Wir müssen diese DNS in die Zukunft projizieren. Das beste Beispiel dafür war die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Athen 2004. Sie spielte mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf eine Art, die nicht nur für Griechen, sondern die ganze Welt attraktiv war.

suddeutsche.de: Geht es etwas konkreter?

Economides: Erneuerbare Energien sollten ausgebaut werden, eigentlich normal für ein Land am Meer mit so viel Sonne. Die jungen Unternehmer des Landes sollten mehr Chancen bekommen, der Staat ihren Träumen entgegenkommen. Mit der geopolitischen Position und dem kulturellen Respekt, der Griechenland entgegengebracht wird, könnte die Regierung eine wichtigere Rolle in der Region spielen.

sueddeutsche.de: Was ist nach den Olympischen Spielen schief gelaufen?

Economides: Das beste Beispiel: Für die Spiele haben wir eines der besten Fernseh-Übertragungszentren der Welt gebaut. Nach den Spielen haben wir es zu einem Einkaufszentrum umgebaut. Die Euphorie der Spiele verwandelte sich in eine Euphorie des Konsums, des "Ich will alles und das sofort". Wir haben die Spiele komplett vergessen.

sueddeutsche.de: Was wäre ein Beispiel für erfolgreiches Nation Branding?

Economides: Indien. Brilliant. Die haben gastronomische Diplomatie, Design-Diplomatie - ein Image ihres Landes, die alle Aspekte moderner Kultur berührt. Die "Incredible India"-Werbung ist auch toll. Ein anderes Beispiel ist Spanien. Seine Stärke ist Konsequenz. Das Land macht seit den Achtzigern Werbung mit einer Zeichnung von Miro. Im Vergleich dazu wurde das griechische Tourismus-Logo in den vergangenen 16 Jahren 15-mal geändert. Da ging es auch darum, neue Aufträge an Agenturen zu vergeben. Da ist eine Menge Geld geflossen.

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