Wer zahlt die Schulden?:Viele Ideen, die man sich sparen kann

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Theorie und Praxis: Viele Vorschläge zur Sanierung des Haushalts klingen gut - durchsetzbar sind die meisten aber nicht.

Claus Hulverscheidt

Es gibt nicht viel, was Peer Steinbrück mit Hans Eichel verbindet - so zumindest sieht es der amtierende Bundesfinanzminister. Hier der erfolgreiche Krisenmanager Steinbrück, dort der biedere Buchhalter Eichel.

Welcher Vorschlag bringt wie viel Geld? Eine Übersicht. Auf die Grafik klicken, um zu vergrößern. (Foto: Grafik: SZ)

In dieser Woche aber verspürte Steinbrück für einen kurzen Moment so etwas wie Mitgefühl mit seinem Amtsvorgänger, als er schilderte, wie im Bundestagswahlkampf 2005 eine Liste mit Sparvorschlägen aus dem Hause Eichel an die Öffentlichkeit gelangt war. Wochenlang, sagte Steinbrück, habe sich der "arme Mann" damals mühen müssen, die ausufernde Debatte über Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen zu beenden.

Damit Steinbrück nicht dasselbe passiert, haben seine Mitarbeiter die Arbeit an allen "Giftlisten" vorsichtshalber komplett eingestellt. Die öffentliche Diskussion verhindern konnte Steinbrück dennoch nicht. Seit klar ist, dass der Bund aufgrund der Wirtschaftskrise im nächsten Jahr die Rekordsumme von 86 Milliarden Euro an neuen Krediten wird aufnehmen müssen, überbieten sich die Ökonomen des Landes mit immer neuen Ideen für Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen.

Mehrausgaben für Soziales

Einig sind sich die meisten Experten darin, dass der Staat alle Steuerausfälle sowie sämtliche Mehrausgaben für die sozialen Sicherungssysteme, die allein der Rezession geschuldet sind, hinnehmen sollte. Wer dagegen anspare, riskiere eine weitere Verschärfung der Krise.

Ein Gegensteuern ist auch deshalb unnötig, weil sich die entsprechenden Haushaltsposten in einem wirtschaftlichen Aufschwung automatisch ins Gegenteil verkehren. Die Jahre 2006 bis 2008 mit teils gigantischen Steuermehreinnahmen und Rekordüberschüssen der Bundesanstalt für Arbeit haben das deutlich bewiesen.

Zieht man für das Jahr 2010 die rein konjunkturbedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben von der Nettokreditaufnahme in Höhe von 86 Milliarden Euro ab, bleibt eine Summe von knapp 40 Milliarden Euro. Man spricht vom "strukturellen Defizit", das gemäß der gerade erst im Grundgesetz verankerten neuen Schuldenbremse im Jahr 2016 nur noch bei etwa zehn Milliarden Euro liegen darf.

Steuern erhöhen, Ausgaben kürzen

Prinzipiell gibt es nun drei Möglichkeiten, auf die man setzen kann, um das Loch zu schließen: Steuererhöhungen, Kürzung der Ausgaben oder Wirtschaftswachstum. Letzteres hilft allerdings nur, wenn die Konjunktur wirklich über Jahre rund läuft und die Mehreinnahmen konsequent für die Rückführung des Defizits verwendet werden. Wie es nicht geht, haben die Jahre 2006 bis 2008 ebenfalls gezeigt: Statt alle Kraft darauf zu verwenden, das Haushaltsloch zu schließen, wurde eine Vielzahl neuer und vor allem dauerhafter Ausgaben beschlossen.

Renommierte Ökonomen empfehlen deshalb einen Mix aus allen drei Optionen: "Ohne mehr Wachstum wird sich das Problem nicht lösen lassen", sagt zum Beispiel Clemens Fuest, Wirtschaftsprofessor an der Universität Oxford und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium. "Mittel- und langfristig wird man angesichts der alternden Gesellschaft aber auch nicht umhin kommen, die Sozialausgaben den veränderten Einnahmebedingungen anzupassen."

Soll heißen: Einen Zuschuss zur Rentenversicherung, der Jahr für Jahr ein Viertel der Bundesausgaben bindet, kann sich der Staat auf Dauer nicht leisten. 2010 wird dieser Zuschuss gut 80 Milliarden Euro betragen.

Sollte die derzeitige Rezession statt in einen Aufschwung in eine jahrelange Stagnation münden, hält Fuest auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für unumgänglich. Eine Anhebung von 19 auf 25 Prozent, wie sie manche derzeit fordern, würde dem Bund dauerhaft Mehreinnahmen von etwa 25 Milliarden Euro bringen. Sowohl Steinbrück als auch Kanzlerin Angela Merkel haben einen solchen Schritt nach den schlechten Erfahrungen bei der Wahl 2005 allerdings ausgeschlossen.

Noch unrealistischer ist eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von derzeit sieben Prozent, wie er angeblich in der Unionsfraktion diskutiert wird. Zwar brächte eine Angleichung an den allgemeinen Steuersatz dem Bund 14 Milliarden Euro - die Regierung würde aber alle Verbraucher und auch die Zeitungsverleger gegen sich aufbringen, denn Lebensmittel, Presse-Erzeugnisse und Bücher würden teurer. Und selbst die Hundebesitzer hätte sie gegen sich, denn Tierfutter kostete dann auch mehr.

Unpopuläre Maßnahmen

Ähnlich unpopulär wären auch eine Erhöhung der Mineralölsteuer, die pro Cent 600 Millionen Euro in die Kasse des Bundes bringen würde, eine Kürzung des Rentenzuschusses um zehn Prozent (acht Milliarden Euro) oder ein Wegfall der staatlichen Überweisungen an die Gesetzliche Krankenversicherung (rund sechs Milliarden Euro).

In letzteren Fällen müssten entweder die Leistungen gekürzt oder aber die Beiträge angehoben werden. Selbst die vermeintlich so aufgeblähte Bundesagentur für Arbeit bietet - wie selbst FDP-Politiker unter der Hand einräumen - ein Einsparpotential von nicht mehr als drei Milliarden Euro. Wie wenig ergiebig das Sparen ist, zeigt im übrigen auch das "Liberale Sparbuch" der Freidemokraten: Es kommt mit 400 Kürzungsvorschlägen auf Einsparungen von gerade einmal elf Milliarden Euro.

Angesichts der sich abzeichnenden Widerstände an allen Fonten spukt deshalb seit einiger Zeit ein neuer Begriff in den Hinterköpfen vieler Finanzpolitiker herum: Inflation. Tatsächlich wären jahrelange, kräftige Preissteigerungen ein probates Mittel, um das Schuldenproblem zu lösen.

Die Schäden wären aber noch viel größer als bei allen anderen Vorschlägen zur Etatsanierung: geschockte Sparer, immense Lohnforderungen der Gewerkschaften, ein Dauerkonflikt zwischen Bundesregierung und Europäischer Zentralbank.

© SZ vom 26.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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