Wer ist schuld?:"Eine kleine Gruppe"

Inside Robert Bosch GmbH's New Engineering Research And Development Centre

Dies ist eine Teststrecke, der VW-Bus ist nur eine Attrappe. Der Abgas-Skandal hingegen ist echt.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Angeblich sind nur ein paar Ingenieure verantwortlich. Das hatte man bei Siemens auch gedacht, ehe schließlich ein kriminelles System enthüllt wurde.

Von Max Hägler, Klaus Ott und Alexander Mühlauer

Sieben Stunden lang, bis nach Mitternacht, haben von Mittwoch auf Donnerstag die fünf Herren getagt, die das Aufsichtsratspräsidium von Volkswagen bilden. Es war die jüngste Krisensitzung wegen der Abgas-Affäre. Am Ende gab es in der Konzernzentrale in Wolfsburg Einigkeit in einer Schlüsselpersonalie: VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch, er gehört seit mehr als einem Jahrzehnt der Konzernspitze an, soll Aufsichtsratschef werden, so zügig wie möglich. Und den kommissarischen Ober-Kontrolleur Berthold Huber von der IG Metall ablösen. Nachfolger von Pötsch als VW-Finanzchef wird Frank Witter, bisher Chef der Leasing- und Banktochter VW Financial Services des Wolfsburger Konzerns.

Die Affäre ist für den Autokonzern die größte Krise der Firmengeschichte

Eine eigentlich für den November geplante VW-Hauptversammlung wird es nicht geben. Das würde zu viele Kräfte binden; außerdem werde bis dahin nicht all zu viel Erhellendes über die Manipulation vorliegen, teilte das Präsidium mit. Durch diese Absage vermeiden es Vorstand und Aufsichtsrat allerdings auch, sich dem Unmut vieler Anteilseigner über die Affäre auszusetzen. Klarheit in die Sache soll ein Ausschuss bringen, der von Berthold Huber geleitet wird und dem außerdem Vertreter des Landes Niedersachsen, der Belegschaft und der Familie Porsche angehören. Mit Hilfe der Anwaltskanzlei Jones Day soll der Ausschuss Licht ins Dunkel bringen. Dem Vernehmen nach hat die Kanzlei bereits die Mitverantwortung von Pötsch in einem Gutachten geprüft: Im Moment liege nichts gegen ihn vor, auch habe er als Finanzchef nicht zu spät vor dem Skandal gewarnt, heißt es. In einem weiteren Revisionsbericht sind zahlreiche Verantwortliche, auch Topmanager, aufgelistet, die zwischen 2005 und 2015 rein formal mit diesem Thema zu tun gehabt haben könnten. Die Liste, offenbar eine rein formale Zusammenstellung, besagt aber noch gar nichts über Schuld, Mitschuld oder Unschuld.

In Konzernkreisen heißt es, derzeit zeichne sich ab, dass eine kleinere Gruppe von Ingenieuren die Schummelei ausgeheckt habe. Diese Gruppe habe eine Vision von einem sauberen Diesel gehabt, der auch in den USA funktioniere, zu einem Preis, bei dem sich der Autoverkauf noch lohnt. Als sich gezeigt habe, dass eigentlich nur eine teure Abgasreinigung den strengen US-Standards genüge, hätte sich die Gruppe für die Manipulation entschieden. Bei VW sei das nicht aufgefallen, weil in Wolfsburg "ein System der Angst" geherrscht habe, sagt ein Aufsichtsrat. Misserfolge hätte niemand zugegeben wollen.

Eine kleine Gruppe?

Das erinnert an den Schmiergeldfall Siemens. Der Münchner Industriekonzern hatte zu Beginn den Eindruck erweckt, eine kleine Bande krimineller Beschäftigter habe Geld beiseite geschafft, um sich zu bereichern. Dann stellte sich heraus: Über Jahrzehnte hinweg waren weltweit Regierungen und Geschäftspartner bestochen worden, um lukrative Aufträge zu bekommen. Keine kleine Bande. Und bei VW? Abwarten, sagt einer, der die Vorgänge aus nächster Nähe beobachtet. Dass die verbliebene Konzernspitze völlig heil herauskomme, "das glaubt doch keiner".

Unterdessen drängt die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten dazu, Abgastests unter realen Fahrbedingungen einzuführen. Geht es nach der Brüsseler Behörde, soll ein entsprechender Gesetzesvorschlag für sogenannte "Real Driving Emission"-Tests (RDE) bereits 2016 in Kraft treten. Nach einer Beobachtungsphase sollen die RDE-Tests dann ab Herbst 2017 EU-weit verpflichtend werden. Außerdem will die Kommission die nationalen Zulassungssysteme und die Regeln für Rückrufaktionen überprüfen. Bislang können sich Autohersteller aussuchen, in welchem Land der EU sie ihre neue Modelle genehmigen lassen, um die Zulassung für die gesamte Union zu erhalten.

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