Weniger Förderung:Das Ende der Ich-AG

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Die Ladungen von Sattelzugmaschinen, die in Dorfen abgestellt waren, waren das Ziel des Angeklagten und seiner Mittäter. (Foto: Nestor Bachmann/dpa)

Die Zahl der Selbständigen schrumpft in Deutschland rapide. Viele Gründungen lohnen sich kaum, weil die Förderung zurückgeht.

Von Alexander Hagelüken, München

Manche Forscher sprachen schon von einer neuen "unternehmerischen Kultur". Sie sahen in der Zunahme der Selbständigen seit Mitte der Neunzigerjahre einen grundlegenden Wandel, der den Arbeitsmarkt dauerhaft verändern könnte. Etwa weil immer mehr Firmen Tätigkeiten an selbständig Werkelnde auslagern. Oder immer mehr Deutsche lieber ihr eigener Chef sein wollen. Nun aber ist dieser Trend vorläufig gestoppt: Wie eine neue Untersuchung zeigt, schrumpft die Anzahl der Selbständigen rapide.

Damit endet eine Entwicklung, die lange zu beobachten war. Von Mitte der Neunzigerjahre an hatten vor allem viele Ostdeutsche Betriebe gegründet. Seit der Jahrtausendwende stagnierte dann die Wirtschaft, die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechterte sich dramatisch - und der Staat förderte Gründungen mit viel Geld. Etwa mit den Ic-AGs der Hartz-Reformen, die Schwarzarbeit verringern und das Angebot an günstigen einfachen Dienstleistungen erhöhen sollten. Von 2000 bis 2007 nahm die Zahl der Selbständigen von vier auf fast 4,6 Millionen zu und blieb dann jahrelang so hoch. Seit 2011 aber ist die Zahl auf etwa 4,3 Millionen gesunken, so die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Der Trend hin zur Selbständigkeit, der als wichtiges Element eines Strukturwandels auf dem Arbeitsmarkt angesehen wurde, scheint gebrochen zu sein", konstatiert DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke.

Warum schrumpft die Zahl auf einmal? Ein wichtiger Grund ist, dass in den vergangenen Jahren weniger neue Betriebe gegründet wurden. Es kommen also weniger Selbständige nach, während wegen Alters jedes Jahr Menschen aufhören. Der Rückgang der Selbständigen lässt sich in den meisten Altersgruppen beobachten. Und auch in den meisten Wirtschaftsbranchen. Besonders stark fällt die Abnahme in der Wohnungsbranche (Makler, Hausverwalter), bei Transport (Lkw-Fahrer), Handel und Industrie aus. Im Finanzgewerbe und wegen des Häuserbooms auch am Bau dagegen nimmt die Zahl zu.

Immer mehr Deutsche wollen lieber eine Festanstellung - auch wegen der Bezahlung

Wer genauer auf die Gründe schaut, sieht die starke Abnahme der Fördermittel: Mitte der Nullerjahre wurden 300 000 Existenzgründer gefördert, inzwischen sind es weniger als 50 000. Dabei handelte es sich meist um Betriebe, in denen nur der Gründer selbst arbeitete - Imbissbuden und Grafikbüros genauso wie Kurierdienste oder Nagelstudios. Die Zahl dieser sogenannten Solo-Selbständigen nahm besonders stark zu, während die Menge der Selbständigen mit Mitarbeitern stagnierte. Nun nehmen auch die Solos besonders stark ab. Gründe? Sie werden kaum noch staatlich gefördert. Und seit der Arbeitsmarkt boomt, finden Firmen auch schwerer Willige, an die sie Tätigkeiten billig auslagern können. Mehr Deutsche suchen sich eine Festanstellung. Dieser Drang erklärt sich aus dem mitunter mageren Ertrag der Solo-Selbständigen: In den Hochzeiten verdiente jeder dritte von ihnen weniger als 8,50 Euro die Stunde, den seit 2015 geltenden Mindestlohn für Angestellte. Auch jetzt erzielt jeder vierte weniger als den Mindestlohn, der für Selbständige nicht gilt. "Die staatlichen Subventionen regten wohl nicht selten zu einer Selbständigkeit an, bei der es nicht viel zu verdienen gab", sagt Forscher Brenke.

Auf ein knappes Viertel verdoppelt hat sich der Anteil der Solo-Selbständigen, die mit 25 Euro brutto die Stunde ganz gut verdienen. Brenke will das nicht überbewerten: Tatsächlich seien die realen Bruttoeinkommen der Selbständigen insgesamt niedriger als vor der Finanzkrise und weit niedriger als Mitte der Neunzigerjahre.

Selbständigkeit wird noch in anderer Hinsicht diskutiert: Ob Deutschland genug Hightech-Gründer hat oder hinter Staaten wie die USA zurückfällt. Diese Frage lässt sich aus den allgemeinen Daten nicht beantworten. Klar ist nur: Eine hohe Selbständigenquote bedeutet nicht, dass es einem Land besser geht, es deutet nur auf kleinteilige Strukturen hin, so Brenke: "Das beste Beispiel dafür ist Griechenland".

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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