Wendelin Wiedeking:Im Dickicht der Optionen

Warum es schwer ist, dem Ex-Porsche-Chef Wiedeking - trotz Durchsuchungen in der Zentrale und im Privathaus - Kursmanipulation nachzuweisen.

Markus Zydra

Hat der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking zusammen mit seinem damaligen Finanzvorstand Holger Härter die Preise der VW-Aktie manipuliert? Weil dieser Anfangsverdacht vorliegt, ließ die Staatsanwaltschaft Stuttgart in der letzten Woche sowohl die Porsche-Zentrale als auch die Privathäuser der beiden Manager durchsuchen. Die Beamten sammelten viele Dokumente ein, die nun in den nächsten Wochen und Monaten gesichtet werden.

Wiedeking, dpa

Die Staatsanwaltschaft wirft Wiedeking und Härter vor, sie hätten eine Bank beauftragt, VW-Aktien zu handeln, um den Kurs zu stabilisieren.

(Foto: Foto: dpa)

Doch Kursmanipulation lässt sich nur schwer nachweisen, wie ein Beispiel zeigt: Stellen wir uns vor, eine freundliche Bank gäbe uns 10. 0000 Euro für Aktiengeschäfte. Wir würden mit dem Geld VW-Aktien kaufen, und selbst wenn unser beauftragter Börsenhändler die Käufe zeitlich geschickt streuen würde, am Schluss würde unsere Nachfrage den Kurs der VW-Aktie nach oben treiben. Börsen sind Seismographen von Angebot und Nachfrage. Natürlich kann man Börsenkurse durch Käufe und Verkäufe beeinflussen, ja, sagen wir ruhig manipulieren, aber dafür bezahlt man immer auch den Marktpreis. Wo beginnt die kriminelle Facette der Kursmanipulation?

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wirft Wiedeking und Härter vor, sie hätten eine Bank beauftragt, VW-Aktien zu kaufen und zu verkaufen. Die VW-Notierungen sollten so stabilisiert werden. Geschehen sei dies in diesem Frühjahr. Damals hat Porsche erklärt, man selbst handle keine VW-Aktien. Aber womöglich haben die Zuffenhausener damit einen Spezialisten beauftragt.

Optionsgeschäfte von Porsche

Hintergrund sind die Optionsgeschäfte von Porsche. Seit Frühjahr 2008 hat der Autohersteller über Banken Call-Optionen gekauft, die Porsche das Recht einräumten, zu einem bestimmten Preis und Zeitpunkt VW-Stammaktien zu kaufen. Es ging um rund 20 Prozent der VW-Stammaktien, 50 Prozent besaß Porsche schon länger.

Den Kauf dieser Optionen finanzierte Porsche über den Verkauf von Put-Optionen, die dem Käufer das Recht einräumten, zu einem bestimmten Zeitpunkt und Preis VW-Aktien von Porsche zu kaufen. Welche Preise und welche Fristen diesen Optionen zugrunde lagen, ist bis heute nicht bekannt. Fest steht aber, dass Porsche die Übernahme von VW nicht mehr finanzieren konnte und aufgrund der Optionsgeschäfte am Rande des Ruins stand.

Optionen als Unruhestifter in der Bilanz

Denn Optionen haben die gefährliche Eigenschaft, dass ihr Wert extrem schwanken kann. Fällt die VW-Aktie um zehn Prozent, fällt die VW-Call-Option womöglich um 50 Prozent. Optionen sind somit Unruhestifter in der Bilanz, weil Wertverluste abgeschrieben werden müssen. Hohe Abschreibungen hätten die Solvenz von Porsche gefährdet. Deshalb erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass Porsche versucht hat, den Aktienkurs von VW zu stabilisieren.

Medienberichten zufolge hat der Sportwagenhersteller die Maple Bank damit beauftragt, den VW-Kurs entsprechend zu steuern. Das kleine Institut, dessen Internetseite gerade überholt wird, hat sich auf Wertpapieranleihen spezialisiert, wie es in Finanzkreisen heißt. Im Zuge der Porsche-Ermittlungen wurden am Donnerstag auch die Geschäftsräume dieser Bank durchsucht. Das Frankfurter Institut wollte sich nicht äußern.

Die Kurspflege - eine Gratwanderung

Nun stellt sich jedoch die Frage, wann die Kurspflege einer Aktie zu einer verbotenen Kursmanipulation wird. "Solange man es sich leisten kann, die Aktiengeschäfte zu finanzieren, sehe ich da kein Problem", sagt Oliver Roth, Frankfurter Börsenhändler bei Close Brothers Seydler. In der Tat verfolgen beispielsweise Investmentfonds am Jahresende dieselbe Strategie, wenn sie durch geschickte Aktienkäufe versuchen, die Performance ihres Fonds zum Stichtag zu verbessern.

Es erscheint damit unwahrscheinlich, dass sich die Staatsanwaltschaft ausschließlich auf die Ereignisse von diesem Frühjahr konzentriert. Damals schwankte der VW-Aktienkurs zwischen 200 und 270 Euro, aber das ist nichts im Vergleich zu den Ereignissen vom Oktober 2008, als die VW-Aktie auf 1000 Euro angestiegen war. Damals hatte Porsche überraschend vermeldet, dass man sich über Optionen weitere 20 Prozent an VW gesichert habe. Diese Meldung traf die Börsen völlig unvorbereitet, auch weil Porsche zuvor signalisiert hatte, man wollte an VW keine Mehrheit übernehmen. Die Kurskapriolen der VW-Aktie verzerrten den Leitindex Dax völlig, was vielen Fonds hohe Verluste einbrachte.

Die Staatsanwaltschaft widersprach gegenüber der SZ Medienberichten, die Ereignisse von 2008 spielten bei den Ermittlungen keine Rolle. Zudem wisse man noch gar nicht, was die sichergestellten Dokumente bringen.

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