Weltwirtschaftsforum:Bergtour eines Protektionisten

U.S. President Donald Trump boards Air Force One to depart for Georgia from Nashville International Airport in Nashville

Trump reist mit seiner Lieblingsbotschaft nach Davos: „America First“. Programmatisch steht das Treffen für ganz andere Dinge.

(Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

US-Präsident Donald Trump will überraschend zum WEF nach Davos kommen, bei dem es um Freihandel und Klimaschutz gehen soll.

Von Thomas Fromm und Charlotte Theile, Zürich/München

Nur noch knapp zwei Wochen, dann werden im schweizerischen Bergdorf Davos wieder die Reichen und Mächtigen dieser Welt eintreffen. Es schien so, als sei alles vorbereitet für das jährlich stattfindende Weltwirtschaftsforum (WEF).

Doch dann kam der Dienstagabend, und damit eine Nachricht, die kurz vor dem Treffen fast alles ändert. US-Präsident Donald Trump wird nach Davos fliegen, teilte das Weiße Haus mit. Was genau er dort bereden will, darüber informierte seine Sprecherin zugleich: Der Präsident wolle seine "America-First-Agenda" mit den Politikern aus aller Welt erörtern. "Der Präsident freut sich darauf, beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum für seine Politik zu werben, Amerikas Wirtschaft, seine Industrie und seine Arbeiter zu stärken." Trump kommt, und er bringt ein großes Thema mit: sich selbst.

Die Veranstalter haben das diesjährige Forum unter das Motto "Für eine gemeinsame Zukunft in einer zersplitterten Welt" ("Creating a Shared Future in a Fractured World") gestellt; ein offenes Plädoyer für freien Welthandel und gemeinsamen Umweltschutz. Programmatisch steht das diesjährige Treffen also für all das, für das Trump nicht steht.

Den Veranstaltern bleibt nicht mehr viel Zeit. Sie hatten erst kurz vorher davon erfahren

Was das nun für die Woche vom 23. bis 26. Januar bedeutet? So genau weiß man es noch nicht, aber: Es dürfte äußerst spannend werden, wenn Trump versucht, Politikern wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Indiens Ministerpräsident Narendra Modi und Wirtschaftsbossen aus aller Welt seine "America-First"-Philosophie nahezubringen.

Den Veranstaltern bleibt nicht viel Zeit; sie hatten erst kurz vor der offiziellen Ankündigung vom hohen Besuch erfahren. "Eine sehr starke US-Delegation war seit Wochen schon angekündigt", sagt ein Sprecher. Nur: dass auch Trump dabei sein würde, wusste man da noch nicht.

Zurzeit werden Details ausgearbeitet, es wird koordiniert, verschoben - und damit gerechnet, dass der eine oder andere jetzt erst noch seinen Besuch bucht. Allerdings: Schon jetzt, heißt es beim WEF, sei man ziemlich voll. Aber irgendwas geht immer noch, besonders dann, wenn Donald Trump seinen Besuch ankündigt. Wann er genau kommt, wie lange er bleiben wird - auch das ist noch unbekannt. Man rechne mit ein bis zwei Tagen Aufenthalt, heißt es.

In der Schweiz ist die Aufregung bereits groß, die Nachrichten überschlagen sich geradezu. So erklärt die Boulevard-Zeitung Blick ihren Lesern sehr ausführlich, wie viele Helikopter, Limousinen und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte "die Amis" bei solchen Besuchen üblicherweise mitbringen. "So marschiert das Weiße Haus in Davos ein", titelt das Blatt. Alain Berset, seit einigen Tagen Bundespräsident der Schweiz, gibt sich dagegen demonstrativ entspannt. Er würde den US-Präsidenten gerne zum "Austausch" treffen, ließ er ausrichten. Sein Sprecher lobte zudem die Beziehungen zu den USA.

Im Ort gehen die Meinungen auseinander. Die Veranstalter, die im vorigen Jahr Chinas Staatschef Xi Jinping, immerhin den zweitmächtigsten Mann der Welt, in Davos zu Gast hatten, freuen sich über die unerwartete Aufwertung der zum 48. Mal stattfindenden Zusammenkunft in den Bündner Bergen. Ein Hotelier, der einst Bill Clinton zu Gast hatte, warnt dagegen vor dem logistischen Aufwand, der nun auf den Ort zukommt: "Trumps Besuch wird Davos ganz dramatisch berühren", sagte er. Schließlich reist der Präsident mit einer riesigen Entourage an - gut möglich, dass er ein gesamtes Fünf-Sterne-Hotel belege. Von einer Neubeurteilung der Sicherheitsmaßnahmen ganz zu schweigen.

2017 fand das Treffen noch wenige Tage vor Trumps Amtsantritt statt. Die meisten Besucher waren sich aber einig: Der Populist aus Washington, der sich gegen viele internationale Verträge ausgesprochen hatte und weder für Freihandel noch für koordinierten Klimaschutz etwas übrig zu haben schien, sei ein Problem. Trumps früherer Chefstratege Stephen Bannon hatte Davos als "Hort der feigen globalen Elite" geschmäht; die Arbeiterschicht habe "genug vom Diktat der sogenannten Davoser Party". In der Ihr-da-oben-wir-da-unten-Welt Trumps und Bannons schien Davos ganz oben zu sein. Und damit der Feind.

Jetzt will der Präsident, genannt "The Donald", selbst mit am Tisch des Establishments sitzen. Immerhin, von solchen Überraschungseffekten lebt das Forum auch.

Im vergangenen Jahr hatte Trump noch einen seiner Berater nach Davos geschickt

Barack Obama hatte es während seiner acht Jahre als Präsident nie nach Davos geschafft. 2016 traf zumindest, mit gewaltigem Sicherheitsaufwand, sein Vize Joe Biden in den Bergen ein. Die Trump-Administration schickte im vergangenen Jahr Anthony Scaramucci, der im Sommer für einige Tage Pressesprecher des Weißen Hauses wurde. Seine Botschaft von damals ähnelt dem, was auch Trump auf Twitter in diesen Tagen über sich selbst schreibt. Der Präsident sei ein "Genie", behauptete Scaramucci in Davos, und die Welt könne froh sein, ihn zu haben. Statt Scaramucci kommt nun das Genie persönlich.

In Zürich und Bern werden bereits große Proteste erwartet. "Niemand sonst hat das Potenzial, in Davos oder anderswo in der Schweiz derart für Gegenveranstaltungen und Proteste zu mobilisieren", teilte die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation Public Eye mit. Die Juso-Präsidentin Tamara Funiciello meinte, es sei "eine Katastrophe, dass dieser Typ" anreise. Die Zeitung Blick formulierte es wiederum im Tonfall des Präsidenten: Trump mache Davos "wieder groß. Riesig groß".

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