Weltwirtschaft:Dollar unter Druck

An den Finanzmärkten wächst wegen des gigantischen Handelsdefizits der Amerikaner die Nervosität. Wertet der Dollar weiter ab, kommt die deutsche Exportwirtschaft unter Druck.

Nikolaus Piper

Wer dem Aufschwung misstraut, findet in diesen Tagen gute Argumente. Zum Beispiel bei den Konjunkturforschern: Der Stimmungsindikator des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist in diesem Monat überraschend eingebrochen.

Weltwirtschaft: Der Euro hat seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar um neun Prozent aufgewertet.

Der Euro hat seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar um neun Prozent aufgewertet.

(Foto: Foto: AP)

Oder an der Börse: Am Montag hat der Deutsche Aktienindex ein Prozent seines Wertes verloren; das ist nicht schlimm, aber die Börsen-Euphorie der vergangenen Monate ist eindeutig verflogen. Das Öl bleibt teuer, der Dollar verliert an Wert, was die deutschen Exporte aus dem Euroland heraus verteuert. Und auf der ganzen Welt wächst die Nervosität an den Finanzmärkten.

An Börsen wird nicht mit Fakten gehandelt, sondern mit Meinungen über Fakten. Natürlich versuchen die Börsianer, den Unterschied zwischen beidem möglichst klein zu halten, aber inwieweit dies gelingt, ist immer offen, sonst wäre das Spiel an den Märkten ja auch nicht so spannend.

Meinungsumschwung

Wenn sich Kurse wenden, dann steht dahinter stets ein Meinungsumschwung, Chancen werden geringer, Risiken höher bewertet. Vor allem ein Risiko ist es, das in diesen Tagen neu gewichtet wird: die Lage der Wirtschaft in den Vereinigten Staaten.

Die Tatsache, dass die Amerikaner sieben Prozent mehr Waren verbrauchen, als sie produzieren, beunruhigt Ökonomen schon lange. Das Ausmaß des Handelsdefizits ist nach internationalen und historischen Maßstäben gigantisch.

Kein Problem, hatten Börsenhändler und Politiker in Washington bis vor kurzem gesagt: Die Ausländer tragen ja ausreichend Geld nach Amerika, um das Defizit zu finanzieren.

Was passiert bei einer Meinungsänderung?

Das stimmte auch. Bisher. Aber was, wenn die Ausländer ihre Meinung ändern? Wenn sie mit sinkenden Renditen und höheren Währungsrisiken rechnen und ihre Dollars verkaufen? Seit Jahresbeginn hat der Euro gegenüber der amerikanischen Währung schon knapp neun Prozent an Wert gewonnen.

Dollar unter Druck

Bisher haben vor allem asiatische Notenbanken, darunter die der Volksrepublik China, den Dollar gestützt, indem sie riesige Mengen amerikanischer Staatspapiere kauften. Außerdem wurde der Kurs durch die Aussicht auf steigende Zinsen in den Vereinigten Staaten gestärkt.

Jetzt scheint es, als gehe die Zinserhöhungswelle in der größten Volkswirtschaft der Welt zu Ende, während sie in Europa gerade erst beginnt. Damit wird die Lage schwer kalkulierbar.

1,50 Dollar pro Euro nicht unrealistisch

Große Unternehmen können Währungsschwankungen mit modernen Finanzinstrumenten durchaus meistern. Wenn der Euro aber von heute 1,28 auf 1,50 Dollar oder mehr steigen sollte - und das ist durchaus nicht unrealistisch -, dann gerät auch die deutsche Exportwirtschaft in Schwierigkeiten.

Währungsrisiken gibt es im Übrigen auch in Asien. Der chinesische Yuan wurde in den vergangenen Tagen deutlich teurer - eigentlich gut, denn die chinesische Währung ist krass unterbewertet; das Missverhältnis heizt den Ausfuhrboom des Landes künstlich an.

Fragiles Finanzsystem Chinas

Niemand aber weiß, wie viel Aufwertung das fragile Finanzsystem Chinas aushält. Dazu kommen die politischen Risiken in wichtigen Öl- und Gasförderländer - insgesamt genug, um sich auf rauere Zeiten einzustellen.

Die wachsende internationale Unsicherheit entzieht sich weitgehend dem Einfluss der europäischen oder gar der deutschen Politik. Zwei Schlussfolgerungen allerdings sind zu ziehen: Für die Europäische Zentralbank gibt es heute keinen Grund, eine Reihe von Zinserhöhungen einzuleiten.

Äußere Bedingungen noch gut

Für Juni ist ein Zinsschritt schon angekündigt, aber darüber hinaus sollte die EZB ihre Geldpolitik locker lassen. Und die Deutschen sollten sich vor Augen halten, dass die äußeren Bedingungen für die heimische Wirtschaft derzeit eigentlich noch sehr gut sind, dass es also nichts hilft, beim Haushalt oder in der Arbeitsmarktpolitik auf bessere Zeiten zu hoffen. Was heute nicht geschafft wird, wird morgen kaum leichter fallen.

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