Weltwirtschaft:So gefährlich ist Chinas Börsensturz

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Ein Geschäftsmann verfolgt den aktuellen Kurs von Tokios Börse. (Foto: dpa)

Der Boom endet mit einem Knall. Das ist ein Fluch etwa für deutsche Exportfirmen - und ein Risiko für Europa: Wir sind für die nächste Krise schlecht gerüstet.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Ein paar Jahre lang musste man sich um die Weltwirtschaft keine Sorgen machen, denn es gab ja die Schwellenländer. Ganz gleich, welche Stürme im industrialisierten Westen tobten, auf eines konnte er sich verlassen: auf den Boom in China, Brasilien, Indien und den anderen aufstrebenden Volkswirtschaften. Diese Staaten hatten Bedarf an Made in Germany, obwohl die Welt im Jahr 2008 in die schlimmste Wirtschaftskrise seit den 30er-Jahren gestürzt war. Und das blieb auch so, als Europa, gebeutelt von der Schuldenkrise, wenige Jahre später erneut in der Rezession versank. Immer pflasterten die Aufsteigernationen aus Asien und Südamerika die Wunden des Westens.

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Nun aber endet der Boom der Schwellenländer mit einem Knall - und das bedroht auch den Westen. Vor allem China produziert inzwischen Hiobsbotschaften zuhauf. Der Wirtschaft der Volksrepublik geht es schlechter als das Regime behauptet. Deshalb wird am Ende des Jahres die drängendste Frage auch nicht sein, ob das Wachstumsziel von sieben Prozent offiziell erreicht wird, sondern um wie viel Prozent das gelogen ist. Weil Chinas Fabriken weniger Nachschub brauchen und weniger Rohstoffe aus anderen Schwellenländern, schrumpfen Volkswirtschaften wie Brasilien. Der Westen erlebt keine Schwäche einzelner Länder, sondern eine Schwäche der Schwellenstaaten insgesamt. Das ist ein Fluch für Export-Firmen wie Audi, die jedes dritte Auto in China verkaufen.

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Wer deshalb bereits die nächste Weltwirtschaftskrise heraufziehen sieht, dem lässt sich trotzdem einiges entgegenhalten. Denn die USA, immer noch stärkste Ökonomie der Erde, stehen gut da. Auch die Lage in der Euro-Zone verbessert sich so eindeutig, dass Griechenland wie eine Randnotiz wirkt. Die Industriestaaten profitieren davon, dass ihre Bürger nach wie vor kräftig konsumieren. Und Chinas Ökonomie schrumpft ja nicht, sie wächst nur langsamer. Daher glauben Konjunkturforscher, dass die deutsche Wirtschaft 2015 stärker wächst als in beiden Jahren zuvor.

Stecken sich die Aktienmärkte in den Industriestaaten an?

Es existiert allerdings neben den Exportrisiken ein weiteres Risiko: Die Finanzmärkte zeigen sich zunehmend nervös. Es überrascht kaum, dass die Börsen in den Schwellenländern kränkeln. Die entscheidende Frage wird sein, ob sich auch die Aktienmärkte in den Industriestaaten richtig anstecken. Sie sind anfällig, weil die Börsenwerte durch das billige Geld aufgeblasen wurden, mit dem die Zentralbanken der USA und Europas ihre Volkswirtschaften seit Jahren hochpäppeln.

Kollabieren die Börsen, muss daraus nicht zwingend ein ökonomisches Drama werden; die Anleger haben ja jahrelang Kursgewinne kassiert. Theoretisch bestünde die Gefahr eines Vertrauensschocks, der Unternehmen, Banken und Konsumenten lähmt - so wie 2008, als aus der Finanzkrise eine globale Rezession wurde. Aber so was zeichnet sich noch nicht ab. Denn anders als damals gibt es keine Flut von Schrottpapieren auf den Finanzmärkten.

Ein gravierendes Problem darf man jedoch nicht übersehen: Käme es erneut zu einer schweren Finanzkrise, dann wäre der Westen schlechter gerüstet als vor sieben Jahren. Damals bremsten Europa und die USA den Absturz, indem sie die Staatsausgaben kräftig erhöhten und die Zinsen kräftig senkten; hätten sie das nicht getan, wäre die Rezession noch deutlich schlimmer ausgefallen. Heute sind die Kassen der Regierungen leer, sie haben sich mit den damaligen Rettungsaktionen hoch verschuldet. Und die Zinsen liegen nahe null, die Notenbanken können sie sich gar nicht weiter senken.

Eine neue Finanzkrise würde, wenn sie denn käme, den Westen also zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt treffen. Denn er hat die Folgen der letzten großen Krise immer noch nicht überwunden.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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