Welttoilettentag:Der Klomann aus Nairobi

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"Man kann keine Demokratie aufbauen, wenn man nicht seine eigene Scheiße im Griff hat": David Kuria errichtet mitten in afrikanischen Slums saubere Toiletten, bekommt Unterstützung von Miss Kenia - und stößt auf unerwartete Schwierigkeiten.

Hannah Beitzer

David Kuria aus Kenia ist Architekt von Beruf. Häuser wollte er als junger Student bauen, prächtige Häuser, Paläste. Doch dann erkannte der heute 38-Jährige: "Man kann keine Häuser bauen in Städten, die nicht einmal über eine grundlegende Infrastruktur verfügen."

David Kuria, kenianischer Unternehmer und Gründer von Ecotact. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Also befasste er sich mit dem Wesentlichen und beschloss: Öffentliche Toiletten braucht das Land. Mit seinem Unternehmen Ecotact hat er inzwischen in seinem Heimatland Kenia rund 50 öffentliche "Ikotoilets" errichtet. Kurias Familie und seine Kollegen hielten ihn anfangs für verrückt. Ein Architekt, der sich auf den Bau von Toiletten spezialisiert? Seine Bekannten fanden das lächerlich. Doch David Kuria blieb dabei: "Ich hatte einen Traum", sagt er und lacht.

Er weiß, dass das pathetisch klingt. Doch sein Traum berührt eines der größten Probleme der Entwicklungsländer. 2,5 Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sanitären Anlagen, 1,6 Millionen Menschen sterben jährlich auf Grund mangelhafter Hygiene. Daran soll der Welttoilettentag am 19. November erinnern. Dieses Jahr findet er schon zum zehnten Mal statt.

Auch in Kurias Heimat Kenia hat ein Großteil der Bevölkerung keine Toiletten. 60 Prozent der städtischen Bevölkerung leben in Slums. Ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Meistens hocken sich die Menschen für ihr Geschäft einfach hinter die nächste Bretterbude. Kein Wunder, dass sich Krankheiten rasend schnell verbreiten.

Die Cholera etwa, mit der sich in Kenias Hauptstadt Nairobi pro Monat 3000 Menschen infizieren. Für David Kuria sind saubere Toiletten aber auch eine Frage der Menschenwürde. "Man kann keine Demokratie aufbauen, wenn man nicht seine eigene Scheiße im Griff hat", sagt er energisch. Das klingt ein bisschen nach Wahlkampfslogan, wie ein "Yes, we can" für Toiletten.

Kuria überzeugte die örtlichen Behörden, entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen, und lieh sich Geld für sein Projekt. Etwa 25.000 Dollar kostet ein Toilettenhaus, das aus mehreren Einheiten besteht. Doch mit dem Bau der ersten Ikotoilet war es nicht getan. Der Unternehmer musste auch einige soziokulturelle Barrieren überwinden.

In Kenia gibt es nämlich schon öffentliche Toiletten, doch die haben in der Bevölkerung nicht den besten Ruf. "Sie sind Umschlagsplatz für Drogen, da treiben sich nur Kriminelle rum", erzählt er. Die Einwohner der Städte davon zu überzeugen, dass die Ikotoilets anders sind, war keine leichte Aufgabe.

"Toiletten sind in Kenia ein Tabu", erklärt Kuria. "Man spricht einfach nicht darüber." Er hatte sogar Probleme, Angestellte für die Klohäuschen zu finden, obwohl in den Slums von Nairobi viele Menschen verzweifelt nach Arbeit suchen. Kuria engagierte deswegen die Miss Kenia Emah Madegwa für eine Werbekampagne. "Ich wollte eine Verbindung herstellen zwischen Schönheit und Hygiene", sagt der Unternehmer. Die Medien liebten das Bild von der Schönen und dem Klo, die Kampagne wurde im Fernsehen übertragen und von vielen Menschen im Internet hochgeladen.

Die Ikotoilets haben fließendes, sauberes Wasser, eine Dusche, Handtücher und Seife. Auch an die Optik hat der Architekt David Kuria besondere Ansprüche: "Die Ikotoilets sollen die Landschaft verändern, vor allem in den Slums". Stolz zeigt er Fotos von backsteinfarbenen, elegant geschwungenen Gebäudekomplexen.

Nach Miss Kenia kamen die Politiker. Sogar der Vizepräsident wusch sich in einer Ikotoilet im Blitzlichtgewitter der Fotografen die Hände. Zunächst allerdings nicht in den Slums, die erste Ikotoilet baute David Kuria im Stadtzentrum von Nairobi. "Ich wollte, dass erst die reichen Leute die Toilette akzeptieren", sagt er. Der Erfolg überraschte auch ihn selbst. Seine gesamte Familie arbeitet inzwischen in dem Unternehmen, seinen Traum von der öffentlichen Toilette findet sie gar nicht mehr albern. Fünf Schillinge kostet ein Toilettenbesuch im Stadtzentrum, umgerechnet etwa fünf Cent.

Erst danach ging Kuria in den größten Slum der Stadt und sagte: "Ihr könnt denselben Komfort haben, nur zahlt ihr statt fünf Schilling pro Besuch hundert Schilling pro Monat und Familie." Zwischen den provisorischen Unterkünften errichtete er eine Ikotoilet, ähnlich schön geschwungen und backsteinfarben steht sie nun wie ein Fremdkörper zwischen den Wellblechhütten und Bretterbuden des Slums. Kuria konnte auch hier Miss Kenia zu einem Besuch überreden.

Auf den Fotos sieht man sie mit ihrer glitzernden Miss-Schärpe an Hütten aus Stöcken und Lumpen vorbeistaksen. Und was bleibt für David Kuria? "Die Ikotoilets sollen so schnell wie möglich rentabel werden", erklärt er. Die Benutzungsgebühr reicht dafür nicht aus. "Deswegen hatte ich die Idee, aus den Häuschen eine Toiletten-Mall zu machen, also ein Zentrum mit Kiosken, Schuhputzern und Geldwechsel." Die Mieteinkünfte aus den Verkaufsflächen sollten den Betrieb der Toiletten subventionieren, dachte er, "und die Toiletten-Malls werden gleichzeitig zu einem Treffpunkt".

Das Konzept überzeugte. Immer mehr Ikotoilets entstanden, David Kuria wurde zum "African Enterpreneur of 2009", er traf den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan, er wird nun auch von internationalen Organisationen gefördert - etwa von Ashoka, einer Organisation, die auf der ganzen Welt Sozialunternehmer fördert, oder der deutschen Siemens-Stiftung. Kuria denkt längst in weiteren Dimensionen.

Er arbeitet an einem Konzept, wie man aus den menschlichen Abfällen Biogas gewinnen kann. Bei zwölf Toiletten funktioniert das bereits. Wenn er die Energiegewinnung ausbauen kann, will er irgendwann auf die Benutzungsgebühr verzichten. "Schließlich tun wir dann den Leuten keinen Gefallen mehr, sondern sie geben uns etwas Wertvolles", findet Kuria - den Rohstoff für die Energie.

© SZ vom 19.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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