Weltraumforschung:Europa verliert bei der Raumfahrt den Anschluss

A SpaceX Falcon Heavy rocket lifts off from the Kennedy Space Center in Cape Canaveral

So hob die "Falcon Heavy" in Cape Canaveral zu ihrem Jungfernflug ab.

(Foto: Reuters)

Wenn die europäische Branche mit Firmen wie Space-X mithalten will, muss sie dringend flexibler werden. Es stehen Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Kommentar von Dieter Sürig

Elon Musk hat mit dem Start seiner Trägerrakete Falcon Heavy etwas geschafft, was Raumfahrtagenturen wie die Nasa oder ihr europäisches Pendant Esa zuletzt nur leidlich vermocht haben: Bei den Menschen ganz allgemein und der Wirtschaft im Besonderen wieder Begeisterung für die Raumfahrt, für Visionen zu wecken. Und er macht die Raketen auch noch billiger. Daraus sollten die Europäer lernen - auch um Tausende Arbeitsplätze in der Branche zu sichern.

Der Enthusiasmus war schon während der Mondflüge der Siebzigerjahre abgeflaut. Nur Imageträger wie der Astronaut Alexander Gerst auf der Raumstation ISS oder Bilder des Mars-Rover und der Kometenmission Rosetta konnten noch vereinzelt Begeisterung entfachen. Das gab auch Kritikern Auftrieb, die Raumfahrt zu teuer finden: Es gebe genug Probleme auf der Erde, wofür das Geld fehle. Kein gutes Klima, um bei Investoren Begeisterung fürs Weltall zu wecken. Gewinne ließen sich allenfalls mit Aufträgen von Nasa, Esa oder Militär erwirtschaften.

Doch Raumfahrt ist wichtig für die Grundlagenforschung, auch in der Industrie ist der Bedarf vorhanden - wenn die Missionen bezahlbar sind. Es war also höchste Zeit, dass sich etwas ändert.

Egal, ob es die Falcon Heavy nun zum Mars schafft - die symbolträchtigen Fotos, auf denen Musks "Starman" am Steuer seines Tesla-Sportwagens um die Erde kreist, könnten dereinst den Beginn einer neuen Ära der Raumfahrt bezeugen. Der Weltraum ist nicht länger reichen Nationen vorbehalten, er ist demokratischer geworden - zumindest ein bisschen.

Space-X könnte bald einen Marktanteil von 80 bis 90 Prozent haben

Dazu beigetragen haben raumfahrtbegeisterte Unternehmer wie Elon Musk und Amazon-Gründer Jeff Bezos, die mit den Mondflügen aufgewachsen sind und endlich andere Bilder aus dem All sehen wollen als immer nur Astronauten, die durch die ISS schweben. Solche Entrepreneure machen die Raumfahrt billiger und flexibler - und damit vielleicht auch irgendwann rentabler. Musk hat Millionen aus seinem Privatvermögen in seine Firma Space-X gesteckt und kann nun mit der Falcon 9 fast 23 Tonnen Nutzlast in den Orbit schicken - zum Kampfpreis von 62 Millionen Dollar. Der Start der europäischen Trägerrakete Ariane 5 kostet bei ähnlicher Kapazität das Dreifache.

Während Musk trotz seiner Tesla-Probleme schon an seiner nächsten Rakete bastelt, der Big Falcon Rocket, die das Sechsfache ins All befördern und billiger sein soll als alle anderen Trägerraketen, plant Arianespace die Ariane 6 . Sie soll erstmals 2020 starten, eine ähnliche Kapazität haben wie ihr Vorgängermodell, flexibler einsetzbar sein und etwa 40 Prozent billiger werden. Flüge mit ihr werden allerdings auch dann bei Weitem nicht so günstig sein wie mit der Falcon. Europäische Branchenkenner warnen, dass Space-X bald einen Marktanteil von 80 bis 90 Prozent haben könnte.

Massenproduktion und Wiederverwendbarkeit schließen sich nicht aus

Noch bedient Ariane etwa die Hälfte des Marktes. Wenn die Europäer diese Position zumindest halten wollen, sollten sie bei der Ariane 6 nachbessern und beweisen, dass Esa und Arianespace genauso flexibel agieren können wie Space-X. Dazu gehört auch die Überlegung, ob es wirklich nötig ist - überspitzt gesagt -, jede Schraube neu zu entwickeln.

Musk und andere New-Space-Firmen, die den Markt aufrollen wollen, nutzen zum Beispiel Bauteile, die sich in anderen Branchen bewährt haben. Die müssen natürlich auch auf Weltraumtauglichkeit geprüft werden, können aber Kosten senken. Auch wiederverwendbare Raketenstufen können billiger sein. Arianespace argumentiert zwar, dass dann mehr Treibstoff für die Landung nötig sei, was die Nutzlast reduziere, fürchtet aber auch, dann weniger Aufträge für neue Raketen zu bekommen. Space-X macht vor, dass sich Massenproduktion und Wiederverwendbarkeit nicht ausschließen.

Die Kalifornier haben ihre Falcon 9 im vorigen Jahr 18 mal erfolgreich gestartet, Arianespace hatte elf Starts, darunter sechs mit der Ariane, ähnlich soll es 2018 werden. Space-X plant dagegen etwa 30 Starts, einen übrigens für die Bundeswehr. Die Europäer sind dabei, den Anschluss zu verlieren - und damit womöglich auch viele Arbeitsplätze.

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