Welthandelsorganisation WTO: Indien lässt globales Handelsabkommen scheitern

Von einem "historischen Durchbruch" war die Rede, als sich die WTO im Dezember auf ein globales Handelsabkommen einigte. Doch Indien will die Abmachung nicht mittragen - weil es sonst Millionen Arme nicht mehr unterstützen dürfte.

  • Das von der Welthandelsorganisation (WTO) angestrebte Abkommen über weltweite Handelserleichterungen kommt vorerst nicht. In Verhandlungen gelang es nicht, die blockierende indische Regierung umzustimmen.
  • Indien will das Abkommen nur dann mittragen, wenn es weiter Grundnahrungsmittel für die arme Bevölkerung subventionieren darf.
  • Die WTO fürchtet, dass vor allem Entwicklungsländer unter dem Scheitern leiden werden.

160 Länder an einem Tisch

Die Welthandelsorganisation (WTO) ist mit dem Versuch gescheitert, das erste globale Abkommen über Handelserleichterungen in ihrer etwa 20-jährigen Geschichte zu vereinbaren. Die fristgerechte Unterzeichnung eines Protokolls, mit dem entsprechende Abmachungen der Welthandelskonferenz auf Bali im vergangenen Dezember besiegelt werden sollten, scheiterte in der Nacht zum Freitag am Widerstand Indiens.

"Wir waren nicht in der Lage, eine Lösung zu finden, mit der wir den Graben hätten überbrücken können", erklärte WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo bei einer Sitzung der Vertreter der 160 WTO-Mitgliedsstaaten in Genf. Zuvor hatten US-Außenminister John Kerry und Handelsministerin Penny Pritzker versucht, die Regierung in Neu-Delhi umzustimmen.

Unterstützung für Indiens Ärmste

Indiens neue Führung will - entgegen der Zusagen ihrer Vorgänger - das Protokoll zum Abkommen von Bali über Handelserleichterungen nur noch dann unterzeichnen, wenn dem Land dauerhaft eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird: für die Subventionierung von Grundnahrungsmitteln für Millionen von Armen im Land.

Auf Bali hatte sich Indien noch mit einem Übergangszeitraum bis 2017 einverstanden erklärt. In dieser Zeit sollte eine dauerhafte Regelung für staatliche Agrarsubventionen erarbeitet werden. Die verlangte Neu-Delhi nun schon jetzt. Die große Mehrheit der WTO-Staaten lehnte ab.

Hoffnungen der WTO

Mit dem sogenannten Bali-Paket waren große Hoffnungen verbunden: Die Handelserleichterungen sowie mehrere weitere Vereinbarungen sollen nach Schätzungen der Internationalen Handelskammer (ICC) Wachstumsimpulse im Umfang von bis zu einer Billion Dollar ermöglichen. Dadurch könnten laut ICC weltweit 21 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die meisten in Entwicklungsländern. Allerdings sind solche Prognosen über die positiven Effekte von Freihandel umstritten, wie die derzeitige Debatte über das Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA zeigt.

Suche nach Kompromiss im Herbst

Nun droht die WTO nach Einschätzung von Diplomaten, erneut in eine Sackgasse zu geraten. Die Organisation laufe Gefahr, in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten, sollte sie sich weiterhin als unfähig erweisen, den Welthandel durch Abkommen zum Abbau von Zollschranken und anderen Hemmnissen für den Warenaustausch anzukurbeln, hieß es in Genf. Darunter würden allerdings weniger die großen Volkswirtschaften leiden, sagte Azevêdo. Sie hätten andere Optionen, um ihre Handelsbeziehungen voranzubringen.

Leidtragende des endgültigen Scheiterns der Bemühungen um ein globales Abkommen wären in erster Linie Entwicklungsländer. "Ich fürchte, dass es die kleineren und verletzlichen Volkswirtschaften sind, die leiden werden." Der WTO-Chef rief alle Delegationen auf, nicht alles verloren zu geben, auch wenn die auf Bali gesetzte Frist für die Protokollunterzeichnung verstrichen sei. Die Sommerpause der WTO solle für "Reflexionen" genutzt werden, um im September die Suche nach einer Kompromisslösung erneut aufzunehmen.

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