Welthandelsorganisation:Brasilianer Azevêdo wird neuer WTO-Chef

Roberto Azevêdo, neuer WTO-Chef

Roberto Azevêdo: neuer WTO-Chef

(Foto: Reuters)

Es war ein langes Ringen, doch am Ende konnte Roberto Azevêdo eine klare Mehrheit hinter sich bringen. Der Brasilianer hat sich gegen seinen mexikanischen Gegenkandidaten durchgesetzt - dieser wäre der Wunschkandidat von EU und USA gewesen.

Nach langem Ringen hat sich der Brasilianer Roberto Azevêdo im Rennen um den prominenten Chefposten bei der Welthandelsorganisation (WTO) durchgesetzt. Der US-kritische Diplomat konnte eine klare Mehrheit der 159 WTO-Mitgliedstaaten hinter sich bringen und die Abstimmung gegen seinen mexikanischen Mitbewerber Herminio Blanco entscheiden. Zuvor waren sieben weitere Kandidaten nach und nach ausgeschieden. Die Entscheidung für Azevêdo solle am Mittwoch offiziell bekannt gegeben werden, hieß es am WTO-Sitz in Genf. Die Bestätigung durch die Mitgliedstaaten folge in den Tagen danach.

Doch das Resultat wurde in Brasília und in Mexiko-Stadt schon als offiziell kommentiert. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff nahm die Nachricht mit "Genugtuung" auf, betonte aber: "Das ist kein Sieg für Brasilien, auch nicht für eine Gruppe von Ländern, aber für die Welthandelsorganisation." Es liege in den nächsten Jahren bei der WTO, einen neuen und ausgewogenen Impuls für den Welthandel zu geben, damit die Weltwirtschaft in eine neue Phase des Wachstums und der sozialen Gerechtigkeit eintrete. Brasiliens Außenminister Antonio Patriota lobte die Fähigkeiten des künftigen WTO-Generaldirektors und sprach unverhohlen von "einem Sieg für Brasilien und für Azevêdo", der über eine große Dialogfähigkeit verfüge.

Auch Mexiko erkannte die Entscheidung für den bisherigen WTO-Botschafter Brasiliens an. "Der brasilianische Anwärter war der bevorzugte Kandidat der WTO-Mitglieder. Die mexikanische Regierung beglückwünscht Botschafter Roberto Azevêdo zu seiner Wahl", hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. In Brasiliens Medien wurde die anstehende Welthandelskonferenz in Bali im Dezember als "Feuerprobe" für den designierten WTO-Chef bezeichnet. Die Amtsübernahme vom Franzosen Pascal Lamy erfolgt nach Ende dessen vierjähriger Amtszeit zum September.31. August.

BRICS-Staaten unterstützten Azevêdo, EU und USA den Gegenkandidaten

Die US-Handelskammer sicherte Azevêdo ihre Unterstützung zu. "Wir brauchen die WTO dringender denn je. Die Organisation steht an einem Scheideweg", betonte Kammerpräsident Thomas J. Donohue. Die Konferenz in Bali müsse etwas Vorzeigbares bringen, insbesondere eine Vereinbarung über Handelserleichterungen.

Bei der amtlichen brasilianische Nachrichtenagentur Agência Brasil hieß es, Azevêdo sei unter anderem von den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und den portugiesischsprachigen Ländern unterstützt worden. Auch Staaten in Lateinamerika, Asien und Afrika hätten sich für ihn eingesetzt. Sein Gegenkandidat, der mexikanische Ex-Handelsminister Blanco (62), war von den USA und der EU unterstützt worden.

Azevêdo hatte sich bei der WTO unter anderem gegen Agrarsubventionen in westlichen Staaten ausgesprochen, er kämpfte gegen US-Subventionen für Baumwolle ebenso wie gegen EU-Subventionen für Zucker. Als Kandidat für den höchsten Posten der internationalen Handelsdiplomatie betonte er jedoch, er wolle in diesem Amt strikt neutral und unparteiisch wirken.

Eine der Hauptaufgaben in der vierjährigen Amtszeit wird es sein, die sogenannte Doha-Runde zu den Verhandlungen über den Abbau internationaler Handelsschranken wiederzubeleben. Die 2001 in der Hauptstadt Katars gestarteten Gespräche hatten das Ziel, durch eine Liberalisierung des Welthandels die Entwicklung in ärmeren Staaten voranzubringen. Die Verhandlungen verliefen jedoch im Sande.

Die Welthandelsorganisation stellt internationale Handelsregeln auf und wacht über deren Einhaltung. Sie wurde 1995 in Genf gegründet und hat inzwischen 159 Mitgliedstaaten. Zum Stab des Generaldirektors gehören 640 Mitarbeiter.

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