Handelskrieg:Trumps Strafzölle könnten das weltweite Handelssystem zerstören

FILE PHOTO: Trump announces intellectual property tariffs on goods from China, at the White House in Washington

Da ist das Ding: Trump präsentiert das Dekret über Strafzölle gegen China

(Foto: REUTERS)

Was treibt den US-Präsidenten? Experten sehen ein klares Ziel: eine Wirtschaftsordnung nach amerikanischen Regeln.

Von Ulrich Schäfer

Im US-Bundesstaat New Hampshire, im Städtchen Bretton Woods, wurden vor mehr als sieben Jahrzehnten die Grundlagen für die freie Weltwirtschaft gelegt. Die Vereinigten Staaten waren seither der Garant für dieses System, auf das sich im Juli 1944, noch während des Zweiten Weltkriegs, 44 Staaten verständigten. Und nun könnte es ausgerechnet ein amerikanischer Präsident sein, der dieses System zum Einsturz bringt.

Denn Donald Trump hat in dieser Woche Strafzölle in einem Ausmaß angekündigt und zum Teil schon in Kraft gesetzt wie noch kein US-Präsident - und damit Politiker rund um den Globus ebenso verschreckt wie die Anleger an den Börsen. Spätestens in 60 Tagen will Trump chinesische Importe mit Zöllen im Wert von 60 Milliarden Dollar belegen. Schon seit diesem Freitag erheben die USA Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus aller Welt. Trump geht dabei trickreich vor. So hat er in letzter Minute die 28 EU-Staaten von den Zöllen auf Stahl und Aluminium ausgenommen, ebenso Kanada, Mexiko, Australien, Argentinien und Südkorea. Doch die Ausnahme ist befristet bis zum 1. Mai, und der Präsident will sie nur dann verlängern, wenn die Europäer ihm anderswo entgegenkommen und zum Beispiel ihrerseits Zölle gegen China erheben.

Den einen drohen, den anderen entgegenkommen: Gabriel Felbermayr, Außenhandelsexperte des Münchner Ifo-Instituts, sieht dahinter eine ausgeklügelte Strategie. "Wir sollten uns von der Idee verabschieden, dass Trump einfach wild um sich schlägt und sich mit seinen Zöllen am Ende selber ins Knie schießt", meint der Ökonom. Vielmehr gehe es dem US-Präsidenten offenkundig darum, gezielt Keile zwischen Wirtschaftsblöcke und Nationen zu treiben und so den Zusammenhalt innerhalb der Welthandelsorganisation WTO zu zerstören. "Die WTO beschränkt Trump dabei, wirtschaftliche Macht auszuüben, und deshalb will er die WTO wegkriegen", meint Felbermayr.

In der Welthandelsorganisation haben sich insgesamt 164 Staaten zusammengeschlossen und ein gemeinsames Regelwerk vereinbart. Es legt fest, welche Zölle in welchem Land für welche Waren erhoben werden. Es regelt zum Beispiel, dass Autos, die aus den USA nach Europa exportiert werden, mit zehn Prozent belastet werden, während auf Autos, die von europäischen Herstellern wie VW oder BMW in die USA importiert werden, lediglich ein Zoll von 2,5 Prozent erhoben wird.

Ausgehandelt wurde dieses System von immer niedrigeren Zöllen in etlichen, oft langwierigen Welthandelsrunden. Die erste wurde im Jahr 1947 in Genf abgeschlossen, die letzte im Jahr 2001 in Doha gestartet, der Hauptstadt von Katar. Zu einem erfolgreichen Ende geführt wurde sie bisher jedoch noch nicht.

Vor allem die USA waren dabei lange eine treibende Kraft: Denn sie hatten ein großes Interesse daran, ihre Idee von einer möglichst freien Wirtschaft in die ganze Welt zu tragen und so ihren politischen und ökonomischen Einfluss zu sichern. Und so wurden im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Handelshürden reduziert, es entstand ein komplexes, fein austariertes Regelwerk, das Zehntausende Produkte umfasste. Schiedsgerichte sollen darüber wachen, dass die gemeinsamen Regeln auch von allen eingehalten werden.

"Die Europäer haben die WTO verraten"

Gabriel Felbermayr befürchtet, dass Trump dieses multilaterale System nun gezielt zerstören könnte: "Für ihn ist es natürlich viel bequemer, mit jedem Land oder jedem Wirtschaftsblock einzeln zu verhandeln, weil die USA dann in einer sehr viel stärkeren Position sind." Der Münchner Ökonom hält es deshalb auch für einen schweren Fehler, dass die Europäische Union sich - nachdem Trump mit Zöllen auf Aluminium und Stahl gedroht hatte - auf direkte Verhandlungen mit den USA eingelassen hat, anstatt dies gemeinsam mit allen anderen Ländern unter dem Dach der Welthandelsorganisation zu tun. "Die Europäer haben mit ihrem Kotau die WTO verraten", meint er.

Das Szenario für die nächsten Wochen sieht deshalb so aus: Die Europäer kungeln bis Ende April weiter mit den USA. Offenbar wolle Trump mit der EU verhandeln, "indem er einen Revolver an unsere Schläfe setzt", meinte am Freitag der belgische Ministerpräsident Charles Michel. Das Problem: Die Europäer können kaum Zugeständnisse machen, etwa niedrigere Zölle auf Autos versprechen - denn das widerspräche den Regeln der WTO.

Auch China will direkt mit den USA verhandeln und so offenbar eine Eskalation des Konflikts vermeiden. Dafür spricht, dass die Volksrepublik nur mit Gegenmaßnahmen von gerade mal drei Milliarden Dollar drohte, während Trumps Paket gegen China 60 Milliarden Dollar umfasst. "Am Ende teilen die großen Blöcke dann die Weltwirtschaft unter sich auf, und all jene in der WTO, die keine Verhandlungsmacht haben, etwa die 60 Länder Afrikas, fallen hinten runter", warnt Felbermayr.

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