Weihnachtsgeschäft der Discounter:Gewinner in Zeiten der Krise

Etliche Einzelhändler bangen angesichts einer lahmenden Konjunktur um das Weihnachtsgeschäft, doch es gibt auch Gewinner - die Discounter. Weil Geiz wieder geil ist.

Lena Deutsch

Kurzarbeit, Stellenabbau und Produktionsstopps hinterlassen ihre Spuren bei den Verbrauchern. Selbst die Konsumenten, die nicht direkt von der sich abkühlenden Konjunktur betroffen sind, halten aus Angst vor schlechten Zeiten ihr Geld zusammen.

Weihnachtsgeschäft der Discounter: Hauptsache billig: Während der klassische Einzelhandel um das Weihnachtsgeschäft bangt, stürmen die Kunden die Läden der Discounter.

Hauptsache billig: Während der klassische Einzelhandel um das Weihnachtsgeschäft bangt, stürmen die Kunden die Läden der Discounter.

(Foto: Foto: Reuters)

Entsprechend groß sind die Befürchtungen der Einzelhändler vor einem miserablen Weihachtsgeschäft. "Es wird eines der schwierigsten Weihnachtsgeschäfte seit Jahren", prognostiziert Mirko Warschun, Handelsexperte der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Doch nicht jedem bereitet das Weihnachtsgeschäft schlaflose Nächte, denn es gibt auch Profiteure - die Billigläden. "Die Discounter gehen als Gewinner aus der Krise hervor", sagte Warschun zu sueddeutsche.de.

Gestützt wird seine These von einer aktuellen Studie des Handelsforschungsinstituts TradeDimensions: Demnach hat der Marktanteil der Niedrig-Preis-Spezialisten in den vergangenen 15 Jahren von 25,8 auf 41,3 Prozent zugelegt. Besonders rasant wächst der Bereich Lebensmitteldiscount: Allein im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Lebensmitteldiscounter dem Handelsforschungsinstitut EHI Retail Institute zufolge von 14.806 auf 15.219 Filialen bundesweit.

Verbraucher haben immer weniger in der Tasche

"Auch im Textilwarenbereich haben die Discounter kräftig an Boden gewonnen", berichtet Claudia Gaspar von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Nach Angaben der GfK kommen die Discounter, zusammen mit den Textilangeboten in den Lebensmittelmärkten, auf einen Marktanteil von 17 Prozent am Textileinzelhandel. Der erst 2004 gegründete Euroshop zählt mittlerweile 100 Filialen in ganz Deutschland. Der Mode-Discounter Takko verkauft seine Billigwaren an mehr als 900 Standorten und will in den kommenden Jahren jährlich 150 neue Geschäfte öffnen. Auch Kik hat mit 2500 Filialen in Deutschland und Österreich eine stolze Bilanz vorzuweisen. Selbst in den Möbel-, Haushaltswaren- und Elektronikmärkten bekommt das Niedrigpreissegment der GfK zufolge zunehmend mehr Gewicht.

Die Sparsamkeit der Verbraucher ist jedoch nicht nur eine direkte Folge der weltweiten Finanzkrise. Der Boom der Billiganbieter liege auch daran, weil "der Teil der Gesellschaft, der stark aufs Geld achten muss, immer größer wird", sagte der Geschäftsführer des Textileinzelhandelsverbandes, Siegfried Jacobs, zu sueddeutsche.de.

Während Kosten für Mobilität und Miete immer weiter steigen, wachsen die Einkommen und Transferzahlungen nicht in dem Maße mit. "Der Anteil, den ein Verbraucher von seinem verfügbaren Einkommen letztlich übrig hat, ist von 40 auf 29 Prozent gesunken", sagt Martin Schüller, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Hessen-Nord.

Und die Entwicklung wird immer dramatischer. Der GfK zufolge hatte im Jahr 2007 mehr als ein Viertel der Deutschen das Gefühl, sich nichts mehr leisten zu können. Sechs Jahre zuvor waren es noch 19 Prozent. Kein Wunder also, dass so viele Verbraucher auf Discount-Produkte zurückgreifen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sehr sich das Image der Discounter verändert hat.

Gewinner in Zeiten der Krise

Doch der Erfolg der Billigläden ist für Konsumforscherin Gaspar nicht nur im "Geiz ist geil"-Konzept zu sehen. Für Discounter spreche, dass sie durch die Konzentration auf wenige, aber dafür billige Waren den Einkauf erheblich einfacher und schneller gestalten. "Schließlich will man nicht immer vor 25 Joghurts stehen und sich entscheiden müssen."

Hinzu kommt, dass fast jeder Haushalt drei verschiedene Discounter in 19 Minuten Fahrnähe erreiche - Verbraucher also fast buchstäblich über sie stolpern. Dadurch wird es jedem leichtgemacht, nach der Arbeit mal schnell noch in den Discounter zu hüpfen.

Besonders wichtig sei außerdem, dass die Discounter ihr "Schmuddelimage" verloren hätten. "Galten Discounter früher noch als Einkaufsmöglichkeit für die Unterschicht, so kaufen heute 98 Prozent der Haushalte ab und an in Discountern", weiß die GfK-Forscherin.

Kleine Läden verschwinden

Zwar ist die Akzeptanz im Textildiscountbereich noch nicht ganz so verbreitet, doch auch hier gilt: Billig einzukaufen ist schon lange keine Schande mehr. Wichtig sei im Textilsegment jedoch, dass den Kleidungsstücken ihre Herkunft nicht anzusehen sei, so Jacobs: "Der Preis ist für Kunden nicht alles, sondern andere Faktoren wie Farbe und Passform müssen ebenfalls stimmen." Deshalb könnten sich nur die Läden dauerhaft etablieren, die ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis anböten.

Die Kunden, die bei Billigeinkäufen ein Schnäppchen schlagen wollen, müssten allerdings bedenken, dass gerade "kleine Fachgeschäfte ohne eine klare Positionierung im Segment, dem Druck der Discounter häufig nicht standhalten können und deshalb verdrängt werden", erläutert Gaspar. Die Folge: Die Einkaufswelt wird deutlich langweiliger, weil immer mehr kleine Läden verschwinden.

Das zeigt sich an dem Gesamtumsatz des Einzelhandels. Dieser stagniert bereits seit mehreren Jahren. "Demnach hat lediglich eine Umverteilung hin zu den Discountern stattgefunden", weiß Martin Schüller.

Außerdem verlegen die Discounter ihre Produktionsstätten oft ins Ausland, um billig produzieren zu können. Dadurch fallen in Deutschland Arbeitsplätze weg. Zwar entstehen durch den Vormarsch der Billiganbieter wiederum viele neue Stellen, doch dies sind zumeist Niedriglohnjobs, die zu Lasten von sozialversicherungspflichtigen Voll- und Teilzeitstellen gehen.

Somit hat billige Ware letztlich auch ihren Preis.

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