Wasserexperte Mauser im Interview:"Wir haben noch 25 Jahre"

Der Münchner Geograph Wolfram Mauser über einen drohenden Wasser-Kollaps, die Verantwortung der Landwirtschaft - und warum deutsche Verbraucher ihre Badewanne bedenkenlos füllen können.

Tobias Dorfer

Wolfram Mauser ist Geograph und Physiker an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er ist Vorsitzender des Nationalen Komitees für Global Change Forschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und arbeitet zudem als Gutachter für die DFG, das Bundesforschungsministerium und die EU.

Wasserexperte Mauser im Interview: Geograph Wolfram Mauser befürchtet, dass Wasser schneller knapp wird, als Öl und Gas.

Geograph Wolfram Mauser befürchtet, dass Wasser schneller knapp wird, als Öl und Gas.

(Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Herr Mauser, die Welt stöhnt derzeit über Rekordpreise für Öl und Gas. Viele Rohstoffe werden langsam knapp. Droht uns ein solcher Kollaps auch beim Wasser?

Wolfram Mauser: Wassermangel ist weltweit in der Tat ein Problem. Bereits heute ist etwa ein Drittel der Weltbevölkerung direkt oder indirekt davon betroffen. Schon in einem Vierteljahrhundert werden es zwei Drittel sein. Wasser wird schneller knapp werden als Öl und Gas.

sueddeutsche.de: Das müssen Sie genauer erklären.

Mauser: 70 Prozent des Wassers, das uns zur Verfügung steht, wird für die Landwirtschaft genutzt. Wenn bis zum Jahr 2050 weltweit 9,2 Milliarden Menschen auf der Erde leben, dann droht uns ein Wasser-Kollaps: Immer mehr Menschen benötigen immer mehr Lebensmittel. Und in jedem Nahrungsmittel steckt Wasser. Der Druck wird zunehmen.

sueddeutsche.de: Aber der Klimawandel arbeitet doch für uns. Durch die steigenden Temperaturen schmelzen die Pole und die Gletscher in den Hochgebirgen. So werden Tonnen von Süßwasser freigesetzt. Und Sie beklagen einen globalen Wassermangel?

Mauser: Es ist richtig, dass das ewige Eis zu schmelzen beginnt. Doch das Schmelzwasser wird größtenteils in den Ozeanen gelöst und dort finden wir eben Salzwasser, das ungenießbar ist und zur Herstellung von Lebensmitteln völlig ungeeignet. Wir sitzen auf einem großen Wasserfass - aber wir können nur vier Prozent davon nutzen.

sueddeutsche.de: Der dänische Wissenschaftler Bjørn Lomborg sieht darin kein Problem. Er schrieb in seinem Buch "The Skeptical Environmentalist", der Wassermangel sei bald schon kein Problem mehr. Die Menschheit sei in der Lage, Wasser kostengünstig zu entsalzen.

Mauser: Das sehe ich nicht so. Ich sehe keinen Weg, wie man große Wassermengen rentabel entsalzen kann. Die Physik sagt uns, dass man dazu viel Energie brauchen wird und wir merken ja gerade, wie stark die Preise für Energie steigen.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie sich die globale Wasserkrise auf Europa auswirken wird und mit welchen Problemen Deutschland rechnen muss.

"Wir haben noch 25 Jahre"

sueddeutsche.de: Bislang nahmen wir Wasserknappheit vor allem als afrikanisches Problem wahr. Im Mai musste Barcelona über Schiffe mit Trinkwasser versorgt werden. Erreicht die Wasserkrise nun auch Europa?

Wasserexperte Mauser im Interview: Ein ausgetrocknetes Getreidefeld in Brandenburg im Juni 2008: Erreicht der globale Wassermangel bald Deutschland?

Ein ausgetrocknetes Getreidefeld in Brandenburg im Juni 2008: Erreicht der globale Wassermangel bald Deutschland?

(Foto: Foto: dpa)

Mauser: Das ist wahrscheinlich. Denn Afrika wird sich, klimatisch gesehen, nach Europa ausbreiten. Im Mittelmeerraum müssen wir zunehmend mit längeren Trockenperioden rechnen. Barcelona wird kein Einzelfall bleiben.

sueddeutsche.de: Wird auch Deutschland betroffen sein?

Mauser: In Süddeutschland wird sich der mediterrane Einfluss erhöhen. Dort werden die Niederschläge bald schon nicht mehr für eine Landwirtschaft ohne Bewässerung ausreichen.

sueddeutsche.de: Uns blühen also subtropische Verhältnisse?

Mauser: Wir rechnen damit, dass sich in Süddeutschland die Niederschlagsmenge in den nächsten 50 Jahren um etwa 15 Prozent reduziert. Doch das kann ausgeglichen werden. Wir werden hier keine Sahara-Zustände bekommen. Aber wir werden ähnliche Zustände wie in der Po-Ebene bekommen. Trinkwasser wird es aber weiterhin genug geben.

sueddeutsche.de: Probleme für die Landwirtschaft, Entwarnung beim Trinkwasser - wie passt das zusammen?

Mauser: Das ist kein Widerspruch, da Trinkwasser aus dem Grundwasser gewonnen wird. Pflanzen leben dagegen von Regenwasser oder von Wasser, das in den oberen Bodenschichten gespeichert wird. Die Menge, die wir davon benötigen, liegt um ein Zwanzigfaches höher als die Menge an Trinkwasser, die wir benötigen.

sueddeutsche.de: Wie können wir verhindern, dass die globale Landwirtschaft einen Wasser-Kollaps erlebt?

Mauser: Wir müssen mit dem Wasser effizienter umgehen. Noch immer verschwendet die Landwirtschaft viel Wasser. Kofi Annan hat deshalb gefordert: Mehr Korn pro Tropfen Wasser. Diesen Wandel müssen wir schaffen.

sueddeutsche.de: Die Landwirtschaft muss umdenken?

Mauser: Genau. Das Problem sind im Fall des Wassers nicht die großen Plantagenbetreiber, sondern die vielen Kleinbauern in Afrika, China und Indien. Sie nutzen weltweit den größten Teil der Agrarfläche und verschwenden Wasser - wegen mangelnder Bildung und weil sie das Geld nicht haben, um mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten. Sie können das Potential, das im Wasser steckt, zu wenig ausnutzen.

Lesen Sie im dritten Teil, wie sich die globale Landwirtschaft ändern muss - und warum die deutschen Verbraucher trotz der drohenden Wasserknappheit ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen ihre Badewanne vollmachen dürfen.

"Wir haben noch 25 Jahre"

sueddeutsche.de: Die kleinen Bauern sind also schuld am Wasser-Kollaps?

Mauser: Das ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache. Wir müssen diesen Bauern helfen und ihnen zeigen, wie sie etwa ihre Böden dichter bepflanzen. Jeder Tropfen Wasser, der durch eine Pflanze verdunstet, hilft ihr beim Wachstum. Jeder Tropfen Wasser, der aus dem Boden verdunstet, ist für die Pflanze verloren.

sueddeutsche.de: Das klingt so, als sei das Problem einfach zu lösen.

Mauser: Die Frage ist, ob wir das schnell genug schaffen. Uns läuft namlich die Zeit davon. Nur wenn wir das Problem entschlossen angehen, haben wir eine Chance.

sueddeutsche.de: Wie viel Zeit haben wir noch?

Mauser: Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Bald schon werden zwei Drittel der Weltbevölkerung massiv unter Wassermangel leiden. Wir haben noch 25 Jahre.

sueddeutsche.de: Inzwischen wird Wasser immer mehr zum Objekt von Spekulanten. Zwar gibt es noch keinen globalen Preis. Dafür gibt es Fonds, die mit Anteilen von Wasserversorgern gespeist werden. Spekulanten treiben die Preise meistens nach oben. Wird Wasser auch zum Luxusgut?

Mauser: Das ist es schon längst. Denn es gibt zwar keinen globalen Wasserhandel, aber es gibt einen globalen Nahrungsmittelhandel. In jedem Kilo Nahrungsmittel steckt indirekt jede Menge Wasser, das etwa für die Produktion benötigt wurde. Die Nationen handeln mit virtuellem Wasser - und die Preise steigen.

sueddeutsche.de: Also müssen wir sparsamer mit dem Wasser umgehen?

Mauser: Die Landwirtschaft muss effizienter arbeiten. Als einzelner Verbraucher kann man relativ wenig machen. Wir haben hier ja keinen Trinkwassermangel. Wenn ich meine Badewanne vollmache, dann ist der Verschmutzungsgrad des Wassers sehr gering. Die Shampooreste sind biologisch abbaubar, das Abwasser läuft durch die Kläranlage und im Idealfall wird dabei sogar noch Energie produziert. Ich schade also dem natürlichen Wasserkreislauf nicht. Sparappelle, wie bei Öl und Gas, sind nicht angebracht.

sueddeutsche.de: Wenn wir in Deutschland Trinkwasser im Überfluss haben, könnten wir dann nicht gewisse Mengen nach Afrika liefern?

Mauser: 900 Millionen Afrikaner mit europäischem Wasser zu versorgen, das wäre ein gigantischer Aufwand. Die Trinkwasserversorgung wird dezentral bleiben. Auch weil es selbst in den trockensten Gebieten eigentlich genug Trinkwasser für die Bevölkerung gibt. Die Kernfrage ist immer: Reicht es auch für die Landwirtschaft?

sueddeutsche.de: Wenn immer mehr Wasser benötigt wird, um den Hunger der Welt zu stillen - drohen uns bald Kriege ums Wasser?

Mauser: Die gibt es ja bereits. Die prekäre Situation zwischen Israel, Palästina und Libanon ist auch wegen des Wassers entstanden. Auch im Sudan gibt es deswegen kriegerische Auseinandersetzungen. Aber die Befürchtung, die Welt würde in einem globalen Krieg ums Wasser versinken, halte ich für unrealistisch. Denn die armen Länder, die unter Wassermangel leiden, könnten sich das nicht leisten. Und die reichen Länder müssen diese Kämpfe gar nicht führen.

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