Wartung inklusive:Siemens will der Bahn Konkurrenz machen

ICE Siemens, Deutsche Bahn

Zughersteller Siemens: Der Mehrsystemzug Velaro D kann sich flexibel auf unterschiedliche Spannungen einstellen.

(Foto: Siemens AG)

Siemens will nicht mehr nur Züge bauen, sondern diese auch warten. "Niemand kennt unsere Züge besser als wir", so die selbstbewusste Ansage. In Großbritannien ist es auf diese Weise gelungen, den miserablen Ruf des Bahnverkehrs aufzupolieren. Jetzt würde Siemens gern bei der S-Bahn-Berlin einsteigen.

Von Daniela Kuhr, London

Wie angenehm Bahnfahren in England sein kann, merken die Journalisten, noch bevor sie überhaupt in den Zug gestiegen sind. Am Londoner Bahnhof Euston können sie ganz entspannt in der Bahnhofshalle warten oder bummeln gehen. Nähert sich ihr Zug, werden sie rechtzeitig per Lautsprecher informiert und gebeten, sich jetzt zum jeweiligen Gleis zu begeben. In Deutschland dagegen hätten sie selbst herausfinden müssen, von welchem Gleis ihr Zug fährt. Und oft genug erfahren sie erst auf dem kalten, zugigen Bahnsteig, dass er nun doch zehn Minuten später kommt.

Ja, die Zeiten, als Englands Bahnverkehr einen katastrophalen Ruf hatte, sind vorbei. Geht es nach dem Zughersteller Siemens, könnte Deutschland sogar einiges lernen von Großbritannien. Und deshalb hat das Unternehmen 15 Medienvertreter nach London eingeladen, um ihnen ein Modell zu zeigen, das in Großbritannien inzwischen sehr erfolgreich ist - für Deutschland aber ein Novum wäre: Siemens will nicht länger Züge nur herstellen, sondern sie für die Dauer ihrer Lebenszeit zugleich instand halten und warten. "Niemand kennt unsere Züge besser als wir", sagt Johannes Emmelheinz, der bei Siemens den Bereich Bahntechnik-Service leitet. Daher könne sie auch niemand so effizient und kostengünstig warten wie Siemens selbst.

Bislang läuft es in Deutschland noch anders: Wenn Siemens einen Zug fertig gebaut hat, übergibt ihn der Konzern an das jeweilige Bahnunternehmen, also meist an die Deutsche Bahn. Diese setzt ihn ein und übernimmt auch die Instandhaltung. In Großbritannien und einigen anderen Ländern dagegen läuft es anders: Da übernimmt Siemens zusätzlich zur Lieferung auch gleich die Instandhaltung der Züge. Insgesamt 350 Regionalzüge des Typs Desiro UK hat Siemens mittlerweile nach Großbritannien verkauft, und alle davon wartet das Unternehmen selbst. Sechs Depots stehen dafür bereit.

Die S-Bahn-Berlin ist der Grund, warum Siemens für das britische Modell wirbt

Weltweit hat der Konzern mittlerweile 50 solcher Verträge abgeschlossen. Es gibt Stimmen, die sagen: Hätte es dieses Modell in Deutschland schon gegeben, wäre den Berlinern das S-Bahn-Chaos erspart geblieben. Denn angeblich hätten die Züge, die damals der Zughersteller Bombardier geliefert hatte, zunächst einwandfrei funktioniert, bis die Deutsche-Bahn-Tochter S-Bahn plötzlich damit anfing, massiv bei der Wartung zu sparen. Die Bahn sieht das natürlich anders. Wer letztlich recht hat, werden die Gerichte klären müssen.

Ebendiese S-Bahn-Berlin ist aber auch der Grund dafür, warum Siemens so stark für das britische Modell wirbt. Denn in diesen Tagen läuft die Ausschreibung für einen Teil des Berliner S-Bahn-Netzes. Natürlich hat sich die Deutsche Bahn wieder beworben wie auch einige andere Bahnunternehmen. Doch Siemens hofft ebenfalls auf einen Teil des Kuchens. Das Unternehmen möchte gemeinsam mit dem Berliner Zughersteller Stadler die neuen Züge liefern, die für das Teilnetz benötigt werden. Die beiden wollen sie aber nicht nur liefern, sondern auch instand halten. Bei Siemens ist man davon überzeugt, dass sich mit solchen Dienstleistungen in den kommenden Jahren viel Geld verdienen lässt.

Der Deutschen Bahn dagegen wäre es gar nicht recht, wenn sich das Modell durchsetzte. Zum einen, weil ihr ein Teil des Geschäfts wegbräche. Zum anderen, weil sie befürchtet, dass die Abläufe komplizierter werden, wenn sie Züge nicht mehr selbst reparieren kann, sondern reparieren lassen muss.

Doch die Sorge hält Emmelheinz für unbegründet. Großbritannien sei der beste Beweis dafür. 99 Prozent der Siemens-Züge dort seien weniger als drei Minuten verspätet. Zum Vergleich: Die Regionalzüge, die die Bahn in Deutschland betreibt und wartet, erreichen im Schnitt nur eine Pünktlichkeit von 95 Prozent. Und das, obwohl die Bahn Verspätungen erst dann misst, wenn sie mindestens sechs Minuten betragen.

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