Wal-Mart: Auf nach New York:Tante Emma ihr klein Lädchen in Gefahr

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New York hat bislang die großen Einzelhandelsketten ausgesperrt. Jetzt will der mächtige Wal-Mart-Konzern die Stadt erobern. Schon zwei Mal sind solche Versuche allerdings missglückt.

Moritz Koch, New York

Den Großkonzernen der Finanzbranche bietet New York seit Jahrzehnten ein Zuhause. Auch Musikhallen, Museen und Musicals können der Stadt nicht groß genug sein. Doch die Lust am Riesenhaften hat ihre Grenzen, selbst hier, wo Grenzüberschreitungen zum Selbstverständnis gehören. Einzelhandelsketten sind in der Stadt nicht willkommen. Der größte urbane Markt der USA sperrt die Branchenführer aus, die den Rest des Landes beherrschen. Traditionell pflegt die Stadt im Schatten ihrer Hochhausschluchten stadtplanerische Zurückhaltung und hat sich so zu einem Refugium für kleine Fachgeschäfte und Tante-Emma-Läden entwickelt.

Traditionell pflegt New York im Schatten ihrer Hochhausschluchten stadtplanerische Zurückhaltung und hat sich so zu einem Refugium für kleine Fachgeschäfte und Tante-Emma-Läden entwickelt. (Foto: Bloomberg)

Erst seit ein paar Jahren bröckelt der Widerstand. Handelsketten wie Target, Home Depot, Ikea und Trader Joe's haben in New York Fuß gefasst. Nun hat die Wirtschaftskrise die Abwehrkräfte der eigenwilligen Metropole derart geschwächt, dass auch das Undenkbare möglich erscheint. Wal-Mart, der weltgrößte Einzelhändler und unbestrittene Herrscher über die grünen Wiesen Amerikas, bläst zum Sturm auf New York. Zweimal schon scheiterte der Konzern aus dem Provinznest Bentonville in Arkansas dabei, die Großstadt zu erobern.

Bewährte List

Nun aber könnte die Expansion gelingen - auch weil sich Wal-Mart einer bewährten List bedient, um seine ärgsten Widersacher, die Gewerkschaften, aus dem Weg zu räumen: teile und herrsche. Der Konzern befindet sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit der New Yorker Baugewerkschaft. Das Management habe zugesichert, für den Bau neuer Filialen Gewerkschafter einzustellen, berichtet das Wall Street Journal. Erst wenn die Zweckbauten fertiggestellt sind, sollen sich die Türen für Gewerkschafter schließen. Der Plan soll die gemeinsame Abwehrfront von organisierten Bauarbeitern und Verkäufern brechen, die Wal-Mart bisher den Zugang zum New Yorker Markt verwehrt hat.

Begleitet werden die Verhandlungen von einer massiven Lobby-Offensive, für die der Konzern unter anderem den früheren Wahlkampfstrategen von Bürgermeister Michael Bloomberg rekrutiert hat. Noch aber ist die Schlacht um New York nicht geschlagen. Die Kleinunternehmer stemmen sich mit aller Kraft gegen den übermächtigen Konkurrenten.

Sie wissen, dass sie dessen Niedrigpreisen und dem Riesensortiment nichts entgegenzusetzen hätten. Und sie haben einflussreiche Verbündete im Stadtparlament, das sich im Januar mit der Causa Wal-Mart befassen will. New Yorks Lokalpolitiker brachten den Großkonzern schon vor fünf Jahren zu Fall, als der sich den Stadtbezirk Staten Island einverleiben wollte.

Doch die Dynamik hat sich verändert. Die Argumente von Wal-Mart finden diesmal wesentlich mehr Gehör, etwa das steigender Steuereinnahmen. Die Stadt braucht Geld, und umsatzstarke Läden vom Kaliber Supercenter, dem Flagschiff von Wal-Mart, könnten der Stadtkasse Millionen Dollar bringen. Zudem haben die Erfolge von Target, Ikea und Co. den Lokalpolitikern gezeigt, dass sich viele krisengeplagte Bürger nach günstigen Einkaufsmöglichkeiten sehnen.

Die Vielzahl kleiner Läden mag der Stadt Charakter und Charme verleihen, Schnäppchen bieten sie selten. Und so scheint es, als würde Wal-Mart bald Gelegenheit haben, einen alten Rivalen auf neuem Boden herauszufordern: Der deutsche Discounter Aldi, der Wal-Mart aus Deutschland vertrieben hat, will die Rezession nutzen, um den New Yorker Markt zu erschließen.

© SZ vom 07.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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