Wahl in Hamburg:Das Bürgermeister-Prinzip

Lesezeit: 3 min

Wirtschaftliche Theorien sind von Beust bei seinen Entscheidungen egal - er macht, was seiner Ansicht nach Hamburg nützt. "Aus Sorge um die Arbeitsplätze" beteiligt sich die Stadt nun an der Norddeutschen Affinierie.

Jens Schneider

So eine Aktion muss Misstrauen wecken. Gut drei Wochen sind es noch bis zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am 24. Februar. Ole von Beust muss sich sorgen. Alle Umfragen der vergangenen Monate zeigen, dass der Christdemokrat wenig Hoffnung hegen darf, seine absolute Mehrheit zu verteidigen. Er muss sogar fürchten, sein Amt als Erster Bürgermeister zu verlieren, was nach seinem Verständnis das Ende seiner politischen Karriere wäre.

Ole von Beust tritt nach Auffassung von Oppositionspolitikern nur in Erscheinung, wenn es gute Nachrichten gibt. (Foto: Foto: dpa)

In diese unsichere Zeit hinein platziert Beust ein verblüffendes Geschäft mit großer Symbolwirkung. Es ist eine Entscheidung, wie sie für den Wirtschaftspolitiker Ole von Beust typisch sei, sagen Oppositionspolitiker wie die Grüne Christa Goetsch: Er trete nur in Erscheinung, wenn es gute Nachrichten gebe.

Diesmal gibt er kurz vor der Wahl den Retter: "Aus Sorge um die Arbeitsplätze" beteilige sich die Stadt durch einen Kauf von fünf Prozent plus einer Aktie an der Norddeutschen Affinierie. Die größte europäische Kupferhütte ist mit 2100 Beschäftigten einer der wichtigsten Industriebetriebe der Stadt. Mit dem Aktienkauf setzt Beust ein Signal, das seinem Selbstverständnis als oberster Stadtpolitiker entspricht.

Keine visionären Reden zur Wirtschaftspolitik

Der 52-Jährige Jurist ist kein Mann mit einem ausgefeilten wirtschaftspolitischen Konzept und will auch nicht so wirken. Er kann auch so gelassen auf den Boom der Stadt verweisen. Hamburg ist Globalisierungsgewinner, der Hafen erzielt hohe Zuwachsraten, die Stadt wirkt auf Touristen so anziehend wie nie. Das Image als Boom-Town mit architektonischen Leuchttürmen wie der im Bau befindlichen Elbphilharmonie verkauft Beust mit Leichtigkeit. Zu dieser Nonchalance gehört eine Grundhaltung, wonach in Hamburg für die Wirtschaft eigentlich die Handelskammer zuständig ist, die nicht weit vom Rathaus residiert.

Von ihm gibt es keine großen, visionären Reden zur Wirtschaftspolitik. Wenn der CDU-Politiker über Wirtschaft spricht , argumentiert er gerade nicht entlang von Grundsätzen und hehren Prinzipien, wie sie die Wirtschaftspolitiker der CDU gern hochhalten wollen. Sie wären wohl irritiert über einen eigenartigen Satz, wie er von Beust jetzt im Zusammenhang mit dem aktuellen Geschäft gefallen ist: Der Staat sei ein Teil des Marktes, wird er zitiert. Er könne nicht tatenlos zusehen, wenn wichtige Firmen möglicherweise in falsche Hände gerieten.

Vom Präses der Handelskammer, Karl-Joachim Dreyer, erhält der Bürgermeister erst einmal eine dezente grundsätzliche Belehrung. "Eine staatliche Beteiligung an privaten Unternehmen ist zwar ordnungspolitisch stets bedenklich", sagt er, ergänzt aber: In diesem Fall sei die Entscheidung jedoch standortpolitisch durchaus vertretbar, weil die Norddeutsche Affinerie zum industriepolitischen Kern Hamburgs gehöre.

Gescheitert an der Bahn

Genau da findet der Bürgermeister die Begründung für sein Handeln. Wenn es einen wirtschaftspolitischen Grundsatz bei Ole von Beust gibt, dann ist es das Bürgermeister-Prinzip: Eine Entscheidung muss der Stadt zugute kommen. Da ist die grundsätzliche Frage nicht mehr so wichtig, ob der Staat sich nicht aus der Wirtschaft heraushalten sollte. Die Norddeutsche Affinerie ist nicht das erste Beispiel. Als vor vier Jahren der Allianz-Konzern seine Mehrheit an Beiersdorf verkaufen wollte, erwarb die Stadt Anteile. Die Aktien wurden inzwischen verkauft, mit Gewinn, wie die Finanzbehörde betont.

Zum Bürgermeister-Prinzip gehört, dass man sich Wünschen der Wirtschaft nicht in den Weg und niemals ein Projekt in Frage stellt, das dem Hafen - dem Herz der Hamburger Wirtschaft - schaden könnte. So nahm Beust zu Jahresbeginn den Image-Schaden in Kauf, als sein Senat sich gegen die Auszeichnung des Wattenmeers als Weltnaturerbe aussprach. Er könne nicht riskieren, dass die Vertiefung der Elbe für die neue Generation von Super-Containerschiffen gefährdet werde, begründete der Bürgermeister sein Veto.

Mit so einer Haltung wähnt er die Mehrheit der Hamburger hinter sich. In der Stadt freilich erinnert man sich auch an ein Debakel, das der größte wirtschaftspolitische Coup des Bürgermeisters werden sollte. Vor zwei Jahren verhandelte Ole von Beust mit dem Vorstand der Bahn. Er hoffte, Bahnchef Hartmut Mehdorn zum Umzug der Konzern-Zentrale von Berlin nach Hamburg überreden zu können. Im Gegenzug sollte die Bahn sich unter anderem am Hafenumschlagsbetrieb HHLA beteiligen können. Das hätte schön in das Bild von der Hansestadt gepasst, die der Hauptstadt den Rang abläuft. Das Geschäft platzte aber und der Bürgermeister räumte öffentlich seinen Misserfolg ein. Das für sein Bürgermeister-Prinzip typische Eingeständnis eines Fehlers hat sein hohes Ansehen in der Stadt am Ende eher noch gemehrt.

© SZ vom 07.02.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: