VW und Porsche:Multi-Milliardär am Steuer

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Wolfgang Porsche ist verschwiegen, reich - und sitzt im Machtzentrum von Porsche und Volkswagen. Beim Griff nach VW spielt er die entscheidende Rolle.

Michael Kuntz

29 Jahre lang ist Wolfgang Porsche, 64, nicht weiter aufgefallen. Zumindest nicht im Aufsichtsrat des Sportwagenherstellers, der seinen Nachnamen trägt. Seit Januar ist das anders: Da rückte Wolfgang Porsche an die Spitze des Gremiums, das bis dahin der frühere Henkel-Chef Helmut Sihler umsichtig und diskret geleitet hatte.

Erstmals seit langem besetzten die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch die Schlüsselposition wieder mit einem der ihren. Folgerichtig übernahm Wolfgang Porsche jetzt ebenso den Vorsitz des Aufsichtsrates der neugegründeten Porsche Holding Societas Europaea. Nun führt der Doktor der Handelswissenschaft und Multi-Milliardär das Kontrollgremium eines Unternehmens, das nicht nur die Sportwagen aus Zuffenhausen bauen lässt, sondern die Rolle von Porsche als Großaktionär bei Volkswagen gestaltet.

Bislang standen vor allem die Namen des Porsche-Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking und des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch in den Schlagzeilen, wenn es um jenes Drehbuch ging, mit dem die Sportwagenfirma sowohl die Autoindustrie als auch die Aktienbörsen in Spannung hält.

Seit immerhin zweieinhalb Jahren schon geben Wiedeking und Piëch das Stück vom "David", der gerade einmal 100.000 Fahrzeuge jährlich herstellt und der sich daran macht, den "Goliath" zu übernehmen, der in diesem Jahr wohl sechs Millionen Autos schaffen wird. "Eingefallen ist dieser Coup dem Doktor Wiedeking", sagt Wolfgang Porsche.

David kauft Goliath

Allenfalls Porsche-Finanzvorstand Holger Härter fand noch Erwähnung als der kongeniale Gestalter eines Konzeptes, das über raffinierte Optionsgeschäfte aus dem Kauf zusätzlich noch ein gutes Geschäft mit Spekulationsgewinnen in Milliardenhöhe macht. David kauft Goliath, das ist schon ungewöhnlich bei einer Übernahme, aber Porsche muss unter Umständen dafür zum Schluss nicht einmal etwas bezahlen - diese Lösung ist genial. Sie trägt Härters Handschrift, der dafür mit dem Posten des Stellvertreters von Wiedeking belohnt wurde.

Von Wolfgang Porsche war dagegen bislang kaum die Rede. Ein Fehler. Denn der Cousin von Ferdinand Piëch sitzt mitten drin im Machtzentrum des gerade entstehenden Autokonzerns mit 150 Milliarden Euro Umsatz. Aus dem Dabeisitzer wurde ein Vorsitzer. Und in diese Rolle findet er sich zunehmend ein.

Vor seiner Zeit als Chef des Aufsichtsrats bewegte sich Wolfgang Porsche eher im Schatten seiner Ehefrau Sabine, einer Society-Lady, wie der Klatschreporter Michael Graeter einmal schrieb. Society-Lady - das ist ein Titel, der in München einen besseren Klang hat als außerhalb.

Die Filmproduzentin ("Sanset") erwarb ihn sich unter anderem durch ihr Engagement für die Bundesgartenschau 2005. Im Sommer verließ Susanne Porsche, 55, die Villa in Bogenhausen des - laut Abendzeitung - "reichsten Münchners" und lebt nun - laut Bunte - mit dem Regisseur Xaver Schwarzenberger, 61, zusammen.

Porsche gewinnt Souveränität

In Zukunft wird Wolfgang Porsche seinen Namen häufiger im Wirtschaftsteil der großen Zeitungen lesen, auch wenn er derzeit keine Interviews gibt. Das bringen schon die Solo-Auftritte in neuer Funktion mit sich. Bei der Hauptversammlung im Januar in Stuttgart gab der neue Porsche-Aufsichtsratschef noch ganz den freundlichen, distinguierten Herrn, der brav sein Manuskript vortrug. Wie das eben so ist, wenn jemand zum ersten Mal ein solches Aktionärstreffen leitet und aufpassen muss, sich nicht in irgendwelchen juristischen Fallstricken zu verheddern, was von rebellischen Kleinaktionären dann gern zu Anfechtungsklagen ausgenutzt wird.

Aber langsam gewinnt er an Souveränität. Das zeigten die außerordentliche Hauptversammlung zur Schaffung der Holding im Juni, aber auch die großen Automessen, von denen Porsche zuletzt Ende Oktober die Motor Show in Tokio besucht hat.

Bei der Verleihung des "Goldenen Lenkrades" durch das Springer-Blatt Bild am Sonntag durfte er zwar nicht aufs Gruppenbild mit Verlegerin, das war nur den Ehrengästen aus den Vorstandsetagen vergönnt. Mit dem Manager-Star Wiedeking ließ er sich aber ausgelassen fotografieren - so als würden beide Arien schmettern. Niemand stahl ihm die Show. Familien-Patriarch Ferdinand Piëch, 70, war nicht dabei beim "Goldenen Lenkrad".

Nicht als Manager, sondern als Unternehmer

Piëch gilt in der Öffentlichkeit als der große Strippenzieher im mittlerweile fünfzig Personen starken Clan der Familien Porsche und Piëch. In der Tat gelang dem technikverliebten Autokonstrukteur, was vor ihm noch kein Manager eines im Deutschen Aktienindex (Dax) notierten Unternehmens geschafft hatte. Erst legte er mit der Zwischenstation als Audi-Chef eine Karriere hin, die ihn an die Spitze von VW brachte.

Nach seinem Ausscheiden übernahm er den Vorsitz des VW-Aufsichtsrats. Ein Mandat, das im vergangenen Mai noch einmal um fünf Jahre verlängert worden ist. Seit Porsche knapp 31 Prozent an VW hält, ist Piëch wieder der starke Mann in Wolfsburg, diesmal nicht als Manager, sondern als Unternehmer.

Die exponierte Rolle von Piëch bei VW darf aber über die wahre Machtbalance im Hause Porsche nicht hinwegtäuschen. Ursprünglich hielten die Familien Porsche und Piëch gleiche Anteile. Doch dann wollte Ernst Piëch, ein Mitglied des Familienclans, 1983 seine Aktien heimlich an kuweitische Investoren verkaufen. Beim familieninternen Abwenden dieser Aktion verschoben sich die Anteile leicht - zugunsten der Porsches. Sie halten durchgerechnet 53,7 Prozent der Stammaktien, die Piëchs nur 46,8 Prozent. Das Sagen hat also im Zweifel nicht Ferdinand Piëch, sondern Wolfgang Porsche, der stets betont: "Das Wichtigste ist, dass wir mit einer Stimme sprechen."

Wolfgang Porsche selbst hält 12,22 Prozent am Sportwagenhersteller. Er fährt den Porsche Cayenne, einen 911er und im Audi A8. Er ist nun einer der ganz Einflussreichen in der Autoindustrie, wo Volkswagen die Nummer fünf weltweit ist nach General Motors, Toyota, Ford und Renault-Nissan.

Der Multi-Milliardär trägt nun die Verantwortung für das Tun von Wiedeking und Härter und dem, was der stets als unberechenbar geltende Ferdinand Piëch noch ausheckt. So etwa die Arrondierung des Pkw-Reiches von Volkswagen und Porsche durch eine Lkw-Allianz aus MAN und Scania, zwei Konzerne, bei denen Volkswagen jeweils größter Aktionär ist. Entstehen würde ein weltweit tätiger Autokonzern mit einem kompletten Angebot vom Kleinstwagen bis hin zum Schwerlastwagen mit 60 Tonnen. Vergleichbar wäre ein solches Unternehmen nur noch mit Daimler und Toyota.

Wie Porsche wird der japanische Marktführer ebenfalls von einer Familie beherrscht, dem Toyoda-Clan. Der Vorteil von Familienunternehmen ist ihre geringe Abhängigkeit von den kurzfristigen Launen der Kapitalmärkte. Quartalsberichte müssen nicht sein. Längerfristiges Denken ist möglich. Die Informationspflichten sind nicht so streng wie bei in den großen Indizes notierten Aktiengesellschaften. Das führt fast zwangsläufig zu einer gewissen Verschwiegenheit, und die kann dann schnell zu einem Nachteil von Familienunternehmen werden. So fordert VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ein klärendes Wort darüber, was Porsche bei Volkswagen vorhat.

Es dürfe bei Volkswagen keine heiligen Kühe geben, hatte der zu drastischen Formulierungen neigende Wiedeking die Klientel von Osterloh aufgeschreckt. Wiedeking versicherte in Zeitungsanzeigen an den VW-Standorten zwar, was Porsche für eine tolle Firma ist. Doch über die Zukunftspläne erfuhren die Volkswagen-Mitarbeiter wenig: "Porsche bleibt Porsche, und Volkswagen bleibt Volkswagen", schreiben Wiedeking und Härter unverbindlich.

Erfahrung im Umgang mit renitenten Widersachern

Nun fordert der Betriebsrat von den Eigentümerfamilien Auskunft, zum Beispiel über die Form der Mitbestimmung in der Holding. Bislang hat der Aufsichtsrat die gleiche Zahl an Vertretern für die Belegschaften beider Unternehmen, obwohl VW 320 000 Mitarbeiter hat, Porsche aber nur 11 000. Volkswagen stellt an vier Tagen so viele Autos her wie Porsche im ganzen Jahr, nämlich 100 000. Wolfgang Porsche ist gefragt. Osterloh: "Wir wollen wissen, ob er für oder gegen unsere Kolleginnen und Kollegen ist."

In der Welt des Multi-Milliardärs ist es freilich nicht vorgesehen, dass ein Mann wie Osterloh so machtvoll auftritt. Gleichwohl besitzt Wolfgang Porsche Erfahrung im Umgang mit renitenten Widersachern - und er hat dabei sogar eine gewisse Lernfähigkeit bewiesen. Traditionell lud er gemeinsam mit dem ehemaligen Daimler-Manager Klaus Mangold und Ex-Tennis-Profi Ion Tiriac einmal im Jahr zur Wildschweinjagd im Bittelbrunner Forst bei Konstanz. Drei Jahre lang protestierten Tierschützer, im vergangenen Winter fand die Jagd deshalb nicht mehr mit 150 Jägern statt - sondern mit kleinen Gruppen an zwei Terminen. Der Multi-Milliardär zeigte sich nachgiebig.

Bei der Übernahme von "Goliath" VW durch "David" Porsche könnte das ganz anders aussehen. "Natürlich stand hinter dem Plan auch die Vorstellung, Geld nicht zu versenken, sondern es zu mehren", sagt Wolfgang Porsche. Wie der nächste Zug des VW-Großaktionärs ausfallen wird, verrät er nicht. Darüber kann nur spekuliert werden - nicht nur an der Börse.

"Ein richtig gutes Geschäft"

Wendelin Wiedeking hat aus dem am Anfang der neunziger Jahre nahezu konkursreifen Unternehmen Porsche den profitabelsten Autohersteller der Welt gemacht. Am Mittwoch wird er in Stuttgart eine Bilanz vorlegen, die vor allem aufgrund der Spekulationsgeschäfte mit den VW-Aktien goldgerändert sein wird. Das Autogeschäft stagniert in etwa auf Vorjahreshöhe wegen hoher Investitionen in die Entwicklung des Viersitzers Panamera und des starken Euro. "Zocker aus Zuffenhausen", spottete deshalb ein Magazin.

Wiedekings Interesse ist es, noch möglichst lange für Kursphantasie an den Börsen zu sorgen. Den Anteil an VW wird er wohl vor der Hauptversammlung Mitte April auf mindestens 50 Prozent erhöhen. Nur so kann Porsche für die neuen Anteile die Dividende einstreichen.

Dann wird Wiedeking daran gehen, das Wunder von Zuffenhausen als Wunder von Wolfsburg im großen Maßstab zu wiederholen. Doch VW braucht nicht nur Porsche, Porsche braucht auch VW. "Wenn eine herstellerbezogene Flottenemission von 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer Gesetz werden würde, dann gibt es Porsche nicht mehr", sagt Porsche-Entwicklungschef Wolfgang Dürheimer. Unter dem Dach von VW ließe sich weitermachen wie bisher.

Wiedeking und Porsche haben bei diesem Szenario also noch ein wenig Zeit, die Belegschaft von VW für sich zu gewinnen. Vorerst darf noch ein wenig gedroht werden. Ein Manager in Stuttgart spricht das Undenkbare, aber theoretisch natürlich Mögliche aus: "Die Familien Porsche und Piëch könnten ihre VW-Aktien ja auch wieder verkaufen - das wäre für sie bereits jetzt ein richtig gutes Geschäft."

© SZ vom 24./25.11.2007/woja/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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