VW und Porsche:Ende mit versteckten Fouls

Porsche und Volkswagen fusionieren, doch die Bosse Ferdinand Piëch und Wendelin Wiedeking wollen keinen Frieden schließen.

Karl-Heinz Büschemann

Wendelin Wiedeking zeigt nicht gern, wenn ihm Dinge schwerfallen. Aber am Mittwoch hatte der Chef des Autoherstellers Porsche einen harten Tag. Er wusste nicht einmal, ob er am Abend noch Vorstandsvorsitzender des erfolgreichen Zuffenhausener Sportwagenherstellers wäre.

Piëch, Wiedeking, Fotos: AP, ddp

Zwei Charakterköpfe, zwei Konzepte für VW und Porsche: Ferdinand Piëch (links) und Wendelin Wiedeking.

(Foto: Fotos: AP, ddp)

Der 56-Jährige war nach Salzburg beordert worden, wo sich am Nachmittag die sechs Kapitalvertreter im Porsche-Aufsichtsrat trafen. Den fünf Abgesandten der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch sowie dem früheren Henkel-Chef Ulrich Lehner sollte Wiedeking erläutern, wie er sich die Übernahme von Volkswagen durch Porsche vorstellt. Die droht wegen der Finanzkrise zu scheitern. Wiedeking wusste: Mindestens einer im Raum hält nichts von seinem Plan. Er würde den Porsche-Chef sogar am liebsten rauswerfen: Ferdinand Piëch, 72.

Wer ist der Boss?

Der joviale Manager aus Westfalen und der knorrige österreichische Milliardär haben sich schon oft beharkt. Immer ging es darum, wer der wahre Herr von Volkswagen und Porsche ist. Ist es Ferdinand Piëch, der den moralischen Anspruch auf die Führung des großen Konzerns zu haben glaubt? Er ist schließlich der Enkel des berühmten Autobauers Ferdinand Porsche, der für VW einst den Käfer entwickelte und der die Zuffenhausener Sportwagenfirma gründete. Vater Anton Piëch, der eine Porsche-Tochter geheiratet hatte, war im Zweiten Weltkrieg Leiter des Volkswagenwerks. Sein Sohn Ferdinand wirkte von 1993 bis 2002 als Vorstandschef von VW und ist heute noch Vorsitzender des Aufsichtsrats. Der Autoingenieur hält sich in der Familie für den Einzigen, der es an technischer Kompetenz mit dem hochverehrten Großvater aufnehmen könnte.

Oder ist Wendelin Wiedeking der Herr im Hause? Kann er das überhaupt sein, der angestellte Manager, den die Porsche-Gesellschafter vor 19 Jahren als Jungspund auf den Chefstuhl in Zuffenhausen setzten? Der das Unternehmen erfolgreich machte, er, der bestbezahlte deutsche Automanager, der heute ein kaum noch zu ertragenes Selbstbewusstsein zur Schau stellt?

Die beiden hatten sich gerade erst wieder ordentlich gefetzt. Weil der verwegen anmutende Plan Wiedekings, den VW-Konzern zu übernehmen, in diesem Frühjahr 2009 wegen der Finanzkrise ins Stocken geraten war, und Wiedeking Schwierigkeiten bekam, den Deal zu finanzieren, drehte Piëch den Spieß einfach um. Er plante kurzerhand die Übernahme von Porsche durch VW. Wiedeking würde gefeuert. Porsche wäre eine Abteilung des VW-Konzerns, der zur Hälfte den Piëchs und Porsches gehört.

Handeln im Stillen

Das will Wiedeking nicht. Seine neueste Idee stellte er am Mittwoch in Salzburg vor: Porsche und VW sollten fusionieren, das Land Niedersachsen, das an VW 20 Prozent hält, soll neben freien Investoren an dem neuen Konzern beteiligt werden. Die fünf Porsche-Gesellschafter-Clans sollten rund vier Milliarden Euro in die neue Gesellschaft einbringen, um die Kapitalnot zu lindern und natürlich: um Wiedekings Job zu retten.

Der offene Krieg der Sturschädel hatte im September 2005 begonnen, kaum dass bekannt geworden war, dass Porsche bei VW einsteigen will. Das war überraschend, die Republik staunte aber noch mehr, als Porsche sich anschickte, den 30-mal größeren Giganten sogar ganz zu übernehmen. Der Widerstand der VW-Belegschaft ließ nicht lange auf sich warten. Wiedeking habe "gefährliche Allmachtsphantasien" und pflege die "Arroganz eines Alleinherrschers" schimpfte der Betriebsrat. Einer aber schwieg: Piëch. Warum sollte er auch etwas dagegen haben? Als Porsche-Gesellschafter hatte er dem ungewöhnlichen Übernahmeplan Wiedenkings ja noch zugestimmt. Stattdessen handelte Piëch im Stillen.

Kaum war klar, dass Porsche bei VW die Mehrheit anstrebte, tat er etwas, was in Unternehmerkreisen als Ungeheuerlichkeit gilt. Er ließ zu, dass die Wolfsburger Belegschaft während einer VW-Aufsichtsratssitzung in der Konzern-Zentrale, an der auch Wiedeking teilnahm, lautstark gegen den Porsche-Chef demonstrierte. Auf dem Werksgelände. Doch Wiedeking blieb im Job. Diesmal schien Piëch den Bogen überspannt zu haben. Er hatte im VW-Aufsichtsrat bei einer Abstimmung gegen die anderen Familienmitglieder votiert. Die hatten jetzt die Nase voll von Ferdinands Eigenmächtigkeiten. Auf einem sonntäglichen Familientreffen in Salzburg wurde der zänkische Vetter bei Kaffee und Kuchen wieder auf den richtigen Weg eingeschworen. Piëch war scheinbar entmachtet.

Der Zeitpunkt für die Rache kam mit der Finanzkrise. Die hatte Porsche beim Kurs auf Volkswagen schwer ins Schleudern gebracht. Der Absatz brach ein, das komplizierte System der Übernahme von Volkswagen durch besondere Optionspapiere fiel in sich zusammen. Zudem wurde klar, dass das VW-Gesetz, das den Einfluss von Porsche bei VW beschränkt, nicht wie erwartet bald fallen wird. Wiedeking könnte daher auch nicht in die prallgefüllte VW-Kasse greifen, wo neun Milliarden Euro schlummern, die er für den VW-Erwerb dringend braucht. Auch wenn er es nicht zugeben mag: Sein raffinierter Plan könnte noch scheitern.

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